Johannes Schelling hat seine Kinderarztpraxis in einem Ärztehaus Nahe der Schramberger Innenstadt. Im dritten Stock. Auch ältere Patienten besuchen dort Ärzte. Wenn Schelling also einen Anruf bekommt, dass der Schnelltest bei einem Kind war positiv war, bestellt er es mit den Eltern in die Tiefgarage. In Vollmontur geht er dann nach unten und untersucht die kleinen Patienten, hört sie ab, sieht sie sich an. Mitunter auch im Auto.
Damit sie nicht durch das ganze Haus laufen müssen und im Zweifel andere Kinder oder ältere Menschen anstecken.
Wer mit normalen Symptomen kommt, wird natürlich im Rahmen der Sprechstunde in der Praxis untersucht. Zwischen 20 und 30 Corona-Tests macht er pro Woche. Die wenigsten sind positiv. Im Oktober hatte er keinen einzigen Fall. „Wenn man das Gefühl hat, man könnte einen Test machen, dann ist der zu 99 Prozent negativ.“
Corona, sagt er, ist aktuell nicht sein größtes Problem. „Zumindest nicht logistisch.“ Allein heute hat er 30 Kinder in seiner Sprechstunde mit Atemwegsinfektionen sitzen gehabt. Mitunter muss er ein bis zwei pro Tag ins Klinikum einweisen. Nicht nur wegen Atemwegsinfekten. Auch Magen-Darm-Infekte grassieren derzeit vermehrt. „So heftig war es noch nie.“
Eine hohe Dunkelziffer
In der Kinderarztpraxis von Stefan Röser in Schwenningen sieht das anders aus. Zwischen 30 und 40 Corona-Tests macht er pro Woche. Zwischen fünf und zwölf Tests sind pro Tag positiv. „Das ist ziemlich heftig geworden“, sagt Röser. Und man kann davon ausgehen, dass die Zahlen in Wahrheit noch viel höher sind. „Ich gehe von einer hohen Dunkelziffer aus.“
Asymptomatische Kinder beispielsweise, oder die, die nur leichte Symptome zeigen. „Ich teste nicht jedes Schnupfenkind“, sagt Röser.
Die Symptomliste gibt es bei Kindern nicht. Das ist jedenfalls Schellings Erfahrung. Es kann Magen-Darm sein, Husten, zum Teil haben sie gar keine Symptome oder nur einen leichten Schnupfen.
Die kleinen Patienten
Betroffen sind Kinder vom Kindergartenalter bis ins Jugendalter. Seltener Babys. Einmal hatte Röser ein zwei Monate altes Baby, das mit Fieber kam. Am Ende war es dann Corona. Das wurde ins Klinikum überwiesen.
Der jüngste Fall in Johannes Schellings Praxis war etwa sechs Wochen alt. „Da hat sie lange dran rumgetan, die kleine Maus“, sagt er. Man merkt, dass es ihm heute noch ein bisschen leidtut. Am Ende ist es gut ausgegangen für das Baby.
So wie auch für alle anderen kleinen Patienten. Von Schelling und von Röser. Das ist die gute Nachricht. „In der ganzen Zeit hatte ich keinen einzigen schweren Fall“, sagt Schelling. „Auch die mit Vorerkrankungen sind gut rausgekommen.“ Auch Röser hat bislang noch nie nie erlebt, dass Kinder mit einer Covid-19-Infektion einen wirklich dramatischen Krankheitsverlauf hatten. „Es bewegt sich im Rahmen des grippalen Infekts.“
Über Langzeitfolgen können beide freilich noch nichts sagen.
Die Eltern und die Impfung
„Um die Eltern mache ich mir Sorgen, die nicht geimpft sind“, sagt Röser. Im Schnitt ist in Deutschland ein Drittel der Menschen ungeimpft. In Rösers Praxis liegt der Schnitt bei 50 Prozent. Er spricht sie alle darauf an. Ein kleiner Teil, sagt er, grinst dann dumm.
Die Mehrheit aber, ist einfach nur verunsichert. Röser sagt, er könne das sogar verstehen. Meistens kann er normal mit ihnen darüber sprechen. Einige haben sich danach auch impfen lassen.
Johannes Schelling sieht es etwas anders. Er fragt schon lange nicht mehr alle Eltern, ob sie geimpft sind. „Irgendwann hat man keine Kraft mehr, die Diskussion anzufangen.“ Manchmal konnte er sie umstimmen. Oft nicht. Wenn er merkt, sie haben Vertrauen zu ihm, dann impft er sie im Zweifel auch selbst.
Die Kinder und die Corona-Folgen
Die Folgen der Lockdowns und Schulschließungen sieht Schelling am deutlichsten auf der Waage. „Ich habe viele Vier- und Fünfjährigen, die stark zugenommen haben.“ Das sind die körperlichen Folgen. Was es am Ende psychisch mit den Kindern macht, das, sagt Schelling, kann man heute noch nicht sagen.
„Ich mache den Kindern keine Angst“, sagt Röser. Die Kinder haben selbst schon genug Angst. Sie fragen sich, ob sie morgen zur Schule gehen sollen oder nicht, weil der Banknachbar hustet. „Die Kinder“, sagt Röser, „leiden darunter.“ Das kann er täglich beobachten.
Umso genervter ist er von der Corona-Politik. Davon, dass man alles einfach hat laufen lassen. Das Aussetzen der Maskenpflicht in den Schulen zum Beispiel, die erst jetzt durch die Alarmstufe wieder eingeführt wurde. Röser sagt: „Wenn man jetzt grundlegend nichts macht, dann hab ich nicht mehr viel zum Impfen übrig nach dem Winter.“