Die Facharztversorgung in St. Georgen verschlechtert sich seit Jahren. Kinderarzt, Frauenarzt, Augenarzt – in dieser Reihenfolge haben die jeweiligen Mediziner ihre Praxen geschlossen. Weil sie jeweils die einzigen ihrer Fachrichtung waren, hinterließen sie allesamt eine Lücke. Bei der Suche nach Nachfolgern ist hingegen immer mehr Kreativität gefragt: Plakate an der Ortseinfahrt, Aufrufe und persönliche Kontakte. Nichts bleibt unversucht, doch gelungen ist es bislang nicht. Ist das für eine Stadt im ländlichen Raum aussichtslos? St. Georgen ein hoffnungsloser Fall?

Hoffnung nicht aufgegeben

Nein, sagt Bürgermeister Michael Rieger. Und ergänzt: „Ich bin guter Hoffnung, dass wir das schaffen können.“ Zur aktuellen Suche, der nach einem Frauenarzt, gebe es bereits Resonanz. „Es gibt momentan drei Interessenten“ sagt Rieger. Das Thema der medizinischen Versorgung, eigentlich nicht Kernaufgabe eines Bürgermeisters, ist in St. Georgen längst zur Chefsache geworden. „Wir lassen dabei nichts ungenützt“, meint der Verwaltungsschef.

Die ehemalige Frauenarzt-Praxis in der Gerwigstraße steht leer und wird ab Herbst eine Corona-Schwerpunktpraxis.
Die ehemalige Frauenarzt-Praxis in der Gerwigstraße steht leer und wird ab Herbst eine Corona-Schwerpunktpraxis. | Bild: Ganter, Patrick

Eine große Rolle spielt bei diesem Thema immer wieder die Zeit. Denn zu lange dürfen Praxen nicht leer stehen, sonst fällt der zugehörige Arztsitz weg. Das war damals, im Jahr 2017, auch das Problem beim St. Georgener Kinderarzt. Die Stadt hatte nur kurzfristig von der Schließung erfahren. Zu wenig Zeit, um zu handeln. Noch heute ärgert sich Bürgermeister Rieger darüber.

Doch ganz aufgegeben hat er noch nicht. „Falls wir einen Frauenarzt finden, werde ich mich als Nächstes um den Kinderarzt kümmern“, sagt er. Gespräche für die Nachfolge des Augenarztes führe Michael Rieger gerade parallel. Er bemühe sich darum, den Kontakt zu Interessenten herzustellen.

Bürgermeister Michael Rieger
Bürgermeister Michael Rieger | Bild: Ganter, Patrick

Man steht vor einem Wandel

Dass St. Georgens Bürgermeister sich zunehmend mit diesem Thema befassen muss, verwundert Martina Tröscher, Pressesprecherin bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden Württemberg (KVBW), nicht. „Es wird immer schwieriger Nachfolger für Ärzte zu finden, die in den Ruhestand gehen. Viele junge Ärztinnen und Ärzte zieht es in Städte und Ballungsgebiete, was auf dem Land zum Teil zu erheblichen Nachwuchsproblemen führt – insbesondere im hausärztlichen, aber zunehmend auch im fachärztlichen Bereich“, sagt sie. Man stehe vor einem großen Wandel, so ihre Einschätzung. Denn der Trend beim medizinischen Nachwuchs gehe dahin, in einer Anstellung oder in Teilzeit zu arbeiten.

Die ehemalige Kinderarzt-Praxis. Heute praktizieren hier Podologinnen.
Die ehemalige Kinderarzt-Praxis. Heute praktizieren hier Podologinnen. | Bild: Ganter, Patrick

Trotzdem bemühe man sich bei der KVBW um junge Menschen, die kurz vor der Zulassung stehen. „Die KVBW setzt alle Hebel in Bewegung, um junge Mediziner in Baden-Württemberg zu halten oder ins Ländle zu locken. Wo Ärzte in strukturschwachen Regionen fehlen, gibt es für Praxisübernehmer eine Anschubfinanzierung. Auch die Medizin-Studierenden haben wir im Blick und unterstützen sie finanziell, wenn sie in den Arztpraxen in Baden-Württemberg ihre Famulatur absolvieren. Im Jahr 2019 ist die Zahl der Förderanträge stark angestiegen“, sagt Martina Tröscher.

Hoffnung, dass sich der Trend in Sachen Fachärzte wieder umkehren wird, hat Johannes Probst. Der Allgemeinmediziner und Sprecher der St. Georgener Ärzteschaft sagt: „Ich glaube, dass die Situation in Sachen Fachärzte bis zum Herbst anders zu bewerten ist.“ Es gebe beim Augen- und Frauenarzt Bewerbungen, sagt er. In beiden Fällen laufe derzeit das Zulassungsverfahren. Lediglich beim Kinderarzt gebe es kaum Hoffnung. „Diesen Sitz bekommen wir so schnell nicht wieder“, sagt er. Der Arzt glaubt trotzdem, dass sich der Trend, dass es junge Ärzte in Richtung der Ballungsgebiete zieht, umkehren wird. „Das Leben auf dem Land wird immer wertvoller.“

Die Augenarztpraxis ist seit dem Frühjahr geschlossen.
Die Augenarztpraxis ist seit dem Frühjahr geschlossen. | Bild: Ganter, Patrick

Johannes Probst nennt auch ein Beispiel aus seinem Berufsalltag: „Ich habe derzeit vier junge Kollegen bei mir, die Hausärzte werden wollen.“ Er habe die Zulassung, diese zu Allgemeinmedizinern weiterzubilden. Ein gutes Signal, denn es gibt einige Allgemeinmediziner die in St. Georgen in naher Zukunft in den Ruhestand gehen dürften. Der Nachwuchs steht aber offenbar schon bereit.