Die kleine Prozession, die sich den Weg zum Nockenkreuz auf der Sommerau hochschlängelt, mutet skurril an. Die Teilnehmer blasen auf Blockflöten, manche schwenken Transparente in die Höhe, auf denen außer bunten, von Kindern gemalten Linien, nichts zu sehen ist.
Der kleine Umzug, an dem rund 30 Teilnehmer teilnahmen, war das Intro zur Kunstaktion Heidenei!, die am späten Freitagnachmittag auf dem Nockenkreuz stattfand.

Hügel übertragen Segen
Dass dabei den sanft geschwungenen Schwarzwaldhügeln eine (schall)-tragende Rolle zukam, wurde den rund zwei Dutzend Menschen spätestens klar, als aus Lautsprechern laute Geräusche kamen, die an den Schweizer Alpsegen erinnern sollten – als gesungenes und sich immer wieder neu zusammensetzendes Schutzritual.
Tauben als Startsignal
Zuvor ließen die Menschen 50 Brieftauben in den Himmel aufsteigen. Das war das Startsignal zum Finale eines ungewöhnlichen Kunstprojekts, das bereits im vergangenen Herbst in St. Georgen seinen Anfang nahm und jetzt, mit lautem Getöse, mit einem Picknick in der Abendsonne auf dem Nockenkreuz endete.
Mittendrin agierten die Hamburger Performance-Künstlerin Tintin Patrone und Oliver Wolf vom St. Georgener Kunstverein Global Forest. Patrone drehte ordentlich auf, und zwar den Lautstärkeregler der selbst gebauten Anlage, die durch ihre spezielle Form der Lautsprecher den Schall weit über den Schwarzwald trugen.

Wilde Mischung aus Klängen
Zumindest bis ins Nußbacher Hintertal müssen die Klänge zu hören gewesen sein, die sich aus den Stimmen von Kinder- und Kirchenchören, Jodelklängen, aber auch den Growls, dem röhrigen Gesang von Heavy Metal-Sängern, zusammensetzten. Die Teilnehmer genossen derweil neben dem Blick auf die Bilderbuch-Schwarzwaldlandschaft einen kräftigen Schluck Freibier und ein Stück frisches Brot.
„Die Location und das Essen und Trinken sind gut, die Geräuschkulisse irgendwie skurril“, versuchte Brigitte Brunner die Szenerie möglichst positiv zu umschreiben.
Ziel: Eigene Angst ausdrücken
Dass die Besucher am Ende auseinandergehen und einhellig der Meinung sind, dass dies eine harmonische Veranstaltung gewesen sei, wäre freilich auch nicht im Sinne von Tintin Patrone gewesen.
Die Künstlerin versucht, mit ihrer Kunst herauszufordern, um auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. In diesem Fall ging es darum, dass Menschen ihre Ängste ausdrücken. Und sich somit im wahrsten Sinne Gehör verschaffen. In Form von Schreien und Rufen.

Das Projekt stand dabei auch unter Begleitung und Beobachtung des Resonanz Labs, einer Kooperation der Hochschule Furtwangen (HFU), der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZAHW) und dem Kunstverein Global Forest.
Klimaemotionen werden untersucht
Nicole Weydmann von der Hochschule Furtwangen, die sich unter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mischte, erläuterte, worauf es bei der wissenschaftlichen Begleitung ankam.
„Bei der Forschung zum Thema Klimaemotionen kommen wir mit herkömmlichen Methoden nicht weiter. Viele Menschen sind hier schambehaftet. Wir schauen, wo wir Austauschräume schaffen können, um das Thema Klimaemotionen zu enttabuisieren.“
Begleitet von den Gesängen und Lauten des Kunstprojekts ließen die Teilnehmer den Abend im wahrsten Sinne mit dem Blick auf den Sonnenuntergang ausklingen.