Angehende Pflegefachkräfte bei der Evangelischen Altenhilfe St. Georgen können bestimmte pflegerische Tätigkeiten künftig nicht mehr nur in Theorie und Praxis erlernen – sondern auch virtuell. In Kooperation mit der Firma Imsimity wurde eine Simulationsanwendung entwickelt, mit der Pflegeazubis technisch anspruchsvolle Aufgaben virtuell ausführen können. Damit sollen auch ausländische Fachkräfte mit Sprachbarriere einen deutlich verbesserten Zugang zur Ausbildung erhalten. Laut Evangelische Altenhilfe ist diese virtuelle Säule der Ausbildung deutschlandweit bisher einzigartig im Pflegebereich.
Virtuell unter Stress geraten
Das so genannte Cyber Care Lab ist Teil der neuen Lerninsel, die die Evangelische Altenhilfe für die Ausbildung im Lorenzhaus eingerichtet hat. In einem separaten Raum, der wie ein Bewohnerzimmer ausgestattet ist, können hier die Auszubildenden in Kleingruppen ihr theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen. Um hier zusätzliche Hilfestellung zu bekommen, können sie mithilfe einer VR-Brille noch tiefer in die Situation eintauchen.
Über die Brille wird eine Szenerie eingespielt, bei der beispielsweise die Pflegekraft einem Patienten einen Katheter in den Rachen schieben muss, um Flüssigkeit aus der Lunge abzusaugen. Die Simulation beginnt beim Waschen und desinfizieren der Hände über das Anziehen von Handschuhen bis zum Einsetzen des Katheters in den Rachen. Es können zudem auch Stresssituationen eingespielt werden, in denen der Patient beispielsweise nicht mehr genügend Sauerstoff bekommt.
„Wir sind ein diversitätsorientiertes Unternehmen und haben Pflegekräfte und Auszubildende aus vielen Nationen“, sagt Sabrina Singler. Sie ist seit Oktober Ausbildungsleiterin bei der Evangelischen Altenhilfe. Und glücklich darüber, dass durch den Einsatz dieser neuen Technologie die Azubis einen verbesserten Zugang zum Thema haben. „Die Menschen kommen zwar mit einem B2-Sprachlevel zu uns, aber dennoch gibt es Sprachbarrieren.“ Singler ist überzeugt, dass durch die Visualisierung Lerninhalte noch besser verinnerlicht werden können. „Es gibt einfach Tätigkeiten, die müssen sitzen“, sagt Singler. Das Anlegen eines Katheters, egal ob Rachen- oder Blasenkatheter, gehört hier zweifelsohne dazu. Hier ist Feingefühl notwendig, um den Patienten nicht zu verletzen.

Direkter Kontakt zum Partner vor Ort
Den Impuls, eine virtuelle Anwendung für den Pflegebereich zu entwickeln, bekam die Firma Imsimity, als sie vor zweieinhalb Jahren Kontakt zu Markus Schrieder, Geschäftsführer der Evangelischen Altenhilfe, hatten. „Bis dahin hatten wir den Pflegebereich nicht im Fokus“, erklärt Imsimity-Geschäftsführer Martin Zimmermann. Allerdings hat das Unternehmen, das Software und Anwendungen für so genannte Extended Reality entwickelt, bereits Erfahrung von Softwareanwendungen im medizinischen Bereich. So können sich die Anwender beispielsweise eine virtuelle Reise durch das menschliche Herz unternehmen. Für Imsimity ist die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Altenhilfe eine Win-Win-Situation. „Wir haben hier einen fachlichen Partner, der direkt Rückmeldung gibt, was gut oder was schlecht ist“, so Zimmermann.
Auch für pflegende Angehörige denkbar
Sabrina Singler sieht die VR-Anwendung nicht nur in der Ausbildung von Pflegekräften als gewinnbringende Ergänzung zur bestehenden Ausbildung. „Auch zur Auffrischung unserer Fachkräfte und auch für pflegende Angehörige kann die virtuelle Anwendung nur von Vorteil sein.“

Wie Singler sagt, leistet die Evangelische Altenhilfe St. Georgen mit dem Einsatz der virtuellen Technologie Pionierarbeit im Pflegebereich. Um die die Arbeit mit der VR-Anwendung wissenschaftlich zu dokumentieren, gibt es eine Kooperation mit der Hochschule Furtwangen (HFU), die Studien und eine Evaluierung über die Arbeit erstellen wird.