Fünf Milliarden Reichsmark für ein Brot, Billionen für ein Kilo Rindfleisch, der Hitler-Putsch, der Aufstieg der extremen Rechten und Linken: Die Menschen hatten ein fürchterliches Jahr 1923 hinter sich, sie wussten nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand.

Und dennoch: Ein Jahr später gründeten die Narren im Südwesten unter Führung der Villinger Narrozunft die Vereinigung schwäbisch alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Nun im Januar 2024 wird gleich zweimal in Villingen an das geschichtsträchtige Ereignis erinnert, obgleich die Narrozunft schon längst nicht mehr dabei ist.

Zunächst wird am Freitag, 5. Januar, ab 18 Uhr im Villinger Münster mit Erzbischof Stephan Burger ein Gottesdienst gefeiert, um vor allem den verstorbenen Närrinnen und Narren zu gedenken, wie VSAN-Präsident Roland Wehrle auf Anfrage bestätigt. Dann zwei Tage später wird am früheren Stiftskeller in der Gerberstraße, dem ehemaligen Vereinslokal der Narrozunft und Gründungsort der VSAN, eine Bronzetafel angebracht.

VSAN-Präsident Roland Wehrle (hier ein Bild von 2022) freut sich, dass ein Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten in Villingen, dem ...
VSAN-Präsident Roland Wehrle (hier ein Bild von 2022) freut sich, dass ein Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten in Villingen, dem Gründungsort der Vereinigung, stattfinden können. | Bild: Felix Kästle/dpa

Zunftmeister bringen Gründung voran

„Wir erinnern damit an die damals sehr weitsichtige Gründung der VSAN“, betont Wehrle. Angetrieben wurde das Projekt von den Narrozunftmeistern Benjamin Grüninger und Albert Fischer, der später zum VSAN-Ehrenpräsidenten ernannt wurde.

Das könnte Sie auch interessieren

Zunächst wollten sich die 13 Gründungsmitglieder mit dem zukunftsträchtigen Zusammenschluss gegen die damaligen Fastnachtsverbote, die die Innenministerien nach dem Ersten Weltkrieg wegen der allgemeinen Notlage ausgesprochen hatten, wappnen. Zudem versuchten sie sich vereint, gegen das Vorrücken des rheinischen Karnevals auch im Südwesten zu wehren.

Das Projekt sei auch deswegen vorausschauend gewesen, weil die Zünfte und Vereine ein länderübergreifendes Bündnis zustande brachten, blickt VSAN-Präsident Roland Wehrle zurück. Im Grunde hätten die Narren in ihrem Bereich das Land Baden-Württemberg vorweggenommen, lobt Wehrle.

Das ist sicher auch ein Grund, warum ein Landesminister erwartet wird. Zunächst war Innenminister Thomas Strobl vorgesehen, nun wird aber Justizministerin Marion Gentges am Sonntag, 7. Januar, zu der Zeremonie kommen. Neben Wehrle, dem aktuellen Narrozunftmeister Anselm Säger und Oberbürgermeister Jürgen Roth wird sie ebenfalls einige Grußworte sprechen.

Auch Oberbürgermeister Jürgen Roth wird bei der Enthüllung der Bronzetafel ein paar Worte sprechen.
Auch Oberbürgermeister Jürgen Roth wird bei der Enthüllung der Bronzetafel ein paar Worte sprechen. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Für Säger war es keine Frage, dass die Zunft an dem Sonntag als Mitveranstalter auftreten wird. Zuerst treffen sich die Delegationen der Gründungsmitglieder und weitere Gäste in der Zentscheuer zu einem Sektempfang, danach kommt es zu einem Marsch durch die Innenstadt bis in der Gerberstraße, wo um 14 Uhr die Bronzetafel enthüllt wird.

Gerberstraße wird gesperrt

Die Gerberstraße wird voraussichtlich für die Dauer der Veranstaltung gesperrt, erläutert Säger. Begleitet werden die Gäste von der Stadt- und Bürgerwehrmusik, wobei es sich ausdrücklich um „keinen Umzug“ handelt.

Die Narrozunft, hier mit Chef Anselm Säger, beteiligt sich an einem Teil der VSAN-Jubiläumsfeierlichkeiten.
Die Narrozunft, hier mit Chef Anselm Säger, beteiligt sich an einem Teil der VSAN-Jubiläumsfeierlichkeiten. | Bild: Narrozunft

Narrozunft bleibt draußen

Doch warum engagiert sich die Zunft, obgleich sie seit 1955 kein Mitglied der VSAN mehr ist? Historisch gesehen sei es eine wichtige Gründung gewesen, sagt Säger, und das „erkennen wir auch an“. Am Sonderweg der Narrozunft ändere dies jedoch nichts, auch wenn gefühlt „1000 Mal die Bitte an uns herangetragen wurde“, wieder VSAN-Mitglied zu werden. Daraus wird aber nichts.

Die Zunft könne sich gar nicht vorstellen, mit ihren Häsern und Schemen auf Narrentreffen zu gehen, „uns reichen die zwei, streng genommen 1,5 Tage an der Fasnet“, betont Säger.

Keine Zunftdelegation im Gottesdienst

Beteiligen wird sich die Zunft daher auch nur an der Enthüllung der Bronzetafel, nicht aber am Gottesdienst, übrigens auch nicht die Stadt- und Bürgerwehrmusik. „An diesem Abend haben wir unsere Hauptversammlung“, betont Säger. Um 18 Uhr Gottesdienst, danach die wichtige Hauptversammlung, „das schaffen wir gar nicht“.

Bevorzugt hätte es Säger ohnehin, wenn ein ökumenischer Gottesdienst zustande gekommen wäre, der auch an einem anderen Tag hätte stattfinden können.

„Mich hat gefreut, dass Erzbischof Stephan Burger spontan zugesagt hat“, betont Wehrle. Zu einer Narrenmesse, mit Besuchern in Häsern, wird es nicht kommen, „wir haben ja noch keine Fasnet“, betont Wehrle. Auftakt sei ja erst einen Tag später am Dreikönigstag. „Wir kritisieren immer, wenn außerhalb gefeiert wird“, sagt der VSAN-Präsident, deswegen „wollen wir uns auch daran halten“.

Das könnte Sie auch interessieren