Eigentlich wäre Marina Möbius gerne Tierärztin geworden. Schon als Kind habe sie „alles aufgesammelt, was hilflos auf der Straße lag“, erinnert sie sich. Mit 13 Jahren absolvierte sie ein erstes Praktikum in einer Tierarztpraxis.

Mit der Fachhochschulreife in der Tasche war der jungen Frau das Studium der Veterinärmedizin jedoch nicht möglich. „Also habe ich in der Wirtschaft Karriere gemacht, was rückblickend das richtige war“, sagt sie. „Als Tierärztin hätte ich vermutlich nicht das Geld, um das alles zu machen.“

„Das alles“ – das ist eine Menge. Denn Marina Möbius, im bürgerlichen Leben Unternehmerin und Geschäftsführerin eines Personaldienstleisters, betreibt seit 2007 die „Dog Care Clinic“ (DCC) in Mihiripenna auf Sri Lanka.
55 Angestellte
Mehr als 70 000 Hunde wurden dort seitdem kastriert, mehr als 570 000 Impfungen und 450 000 Behandlungen vorgenommen. Die Klinik hat aktuell 55 Angestellte: mehrere Tierärzte, Tierpflegerinnen und -pfleger, Fahrer, Hundefänger und einen Futterkoch – denn zusätzlich versorgt die DCC auf täglichen Touren rund 300 Straßenhunde mit Futter. Sieben Tage pro Woche, 365 Tage im Jahr.
Ein Herzensprojekt
„Die Klinik“, sagt Marina Möbius, „ist mein Herzensprojekt.“ Hinzu kommt eine gehörige Portion Idealismus, denn nur knapp die Hälfte der laufenden Kosten können durch Spenden bestritten werden, „den Rest bezahle ich aus eigener Tasche“.

Das Leid der Hunde in Sri Lanka wurde der Schwenningerin erstmals im Jahr 2005 bewusst. Drei Jahre, nachdem sie mit ihrem Sohn eine Rucksacktour durch Asien unternommen hatte, mietete sie ein Apartment in Mihiripenna. „Mein Traum war es, mich irgendwann dort zur Ruhe zu setzen. Damals wollte ich testen, ob ich tatsächlich dort leben kann.“

Es dauerte nicht lange, bis der erste Streuner vor ihrer Tür stand und liebevoll umsorgt wurde. Der nächste und der übernächste sollte folgen, „bis mir mein Vermieter, auch ein Deutscher, kündigte“, erinnert sie sich. „Da habe ich spontan das Nachbargrundstück gekauft.“
Affen und Warane
Dass sie darauf eine so große Tierklinik bauen würde – längst werden hier auch Katzen, Warane, Palmenhörnchen und Affen behandelt – habe sie damals weder im Sinn gehabt noch geplant. Der Bedarf ist jedoch immens. Das kleine Herzensprojekt wurde größer und größer.
Kostenlose Behandlung
Die Klinik behandelt die Tiere armer Besitzer kostenlos, parallel dazu sind jeden Tag Hundefänger unterwegs, sammeln Streuner ein und bringen sie in die Dog Care Clinic, wo sie kastriert und geimpft werden. Noch unter Narkose wird den Tieren ein kleines Dreieck ins Ohr geschnitten. So ist auf den ersten Blick erkennbar, dass sie bereits in der DCC behandelt wurden. Sobald die Tiere wieder fit sind, werden sie wieder in Freiheit entlassen.

Die Arbeit zeigt Wirkung: „Wir hatten in der Gegend um Mihiripenna seit Jahren keinen Tollwut-Fall mehr“, freut sich Marina Möbius. Die auch für den Menschen fast immer tödlich endende Krankheit ist auf Sri Lanka nach wie vor präsent. Auch die Ständige Impfkomission des Robert-Koch-Instituts empfiehlt Sri Lanka-Reisenden die Tollwutimpfung.
300 Dauergäste
Konsequente Kastration hilft bei der Straßenhundeproblematik immens – braucht aber einen langen Atem. Die Dog Care Clinic setzt dabei ganz auf Hilfe vor Ort. „Wir vermitteln grundsätzlich keine Tiere ins Ausland“, sagt Bettina Schlüter, langjährige Mitarbeiterin, die auch mehrere Jahre in Mihiripenna tätig war. Rund 300 Hunde, die auf der Straße aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung nicht zurecht kommen würden, leben außerdem dauerhaft auf dem Klinikgelände.

Doch der Platz ist begrenzt – auch deshalb hat Marina Möbius im September 2014 das Programm „DCC 50+“ ins Leben gerufen. Ältere Menschen nehmen dabei einen älteren Hund zu sich und erhalten dafür eine monatliche Rente von umgerechnet 35 Euro. Zum Vergleich: „Ein ganz einfacher Arbeiter in Sri Lanka verdient pro Monat etwa 100 Euro“, sagt Bettina Schlüter.
Unangekündigte Besuche
Die neuen Besitzer können das Tier kostenlos in der DCC behandeln lassen und erhalten Futterhilfe. Im Gegenzug verpflichten sie sich dazu, den Vierbeiner gut zu behandeln und nicht an der Kette zu halten. „Das kontrollieren wir auch regelmäßig bei unangekündigten Besuchen“, sagt Marina Möbius.

Mit Spenden, Patenschaften und dem persönlichen finanziellen Engagement der Klinikgründerin kann die Dog Care Clinic ihren Betrieb aufrecht erhalten. Die Coronakrise ist jedoch nicht spurlos am Klinikbetrieb vorbeigegangen. Nicht nur wochenlange Ausgangsperren erschwerten die Arbeit, auch ausländische Studenten und Praktikanten konnte man nicht beschäftigen.
Das Geld fehlt
Diese haben die Möglichkeit, vier Wochen in der Klinik mitzuarbeiten und dabei viele praktische Erfahrungen zu sammeln. „Einfache Operationen wie Kastrationen können sie danach bereits alleine ausführen“, sagt Marina Möbius. 1590 Euro bezahlen die Studenten für ein vierwöchiges Praktikum. Unterkunft und Mittagessen sind darin zwar enthalten, doch das Geld fehle dennoch, sagt die Klinikgründerin.
Flughafen geschlossen
Sie selbst war seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr vor Ort, nachdem der Flughafen von Colombo ist für ankommende internationale Passagierflüge geschlossen. Einzige Ausnahme: Singhalesen, die im Ausland arbeiten, dürfen zurück nach Hause fliegen. Marina Möbius hat nun eine Ausnahmegenehmigung beim Auswärtigen Amt beantragt.
Ausnahme beantragt
Denn auch wenn ihr Team vor Ort dafür sorgt, dass alles seinen Gang geht, möchte die Chefin auch selbst wieder mithelfen. „Bisher habe ich mich immer so aufgeteilt, dass ich dort war, wo ich am dringendsten gebraucht wurde.“ Mehrere Monate im Jahr war das bislang die Dog Care Clinic, zumal sie sich in den vergangenen Jahren tiermedizinisch weitergebildet hat, um Operationen selbst vornehmen und damit aktiv mitarbeiten zu können. Nun hofft sie, dass die Ausnahmegenehmigung erteilt wird – und sie „ihre“ Streuner von Mihiripenna bald wieder einmal selbst pflegen kann.
Spendenkonto
Die Dog Care Clinic kann auf vielfältige Weise unterstützt werden, etwa durch Patenschaften, aber auch durch klassische Spenden. Das Spendenkonto bei der Sparkasse Schwarzwald-Baar lautet:
Dog Care Clinic e.V.
BIC: SOLADES1VSS
IBAN: DE 6769 4500 6501 5096 9221