Schlechte Noten geben die Bürger von Villingen-Schwenningen dem städtischen Radwegenetz und dem Öffentlichen Personennahverkehr. Dies ist eines der Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in den Haushalten der Stadt zum Thema Mobilität. Die Ergebnisse sollen in einen neuen Verkehrsentwicklungsplan einfließen, den die Stadt in Auftrag gegeben hat und der bis Sommer 2018 vorliegen soll.
- Neue Verkehrsplanung: Mit der Fortschreibung der Verkehrsplanung hat der Gemeinderat im Februar das Ingenieurbüro Rapp Trans AG aus Freiburg in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Helmert aus Aachen beauftragt. Wolfgang Wahl von Rapp Trans informierte am Mittwoch den Gemeinderat über die Ergebnisse der Haushaltsbefragung und erläuterte das weitere Vorgehen bei der Verkehrsplanung.
- Ergebnisse der Umfrage: Als "Highlights" der Bürgerbefragung über ihr Mobilitätsverhalten stellte Wolfgang Wahl fest, dass die Menschen in der Stadt "überdurchschnittlich mobil" sind. Selbst viele über 80-Jährige absolvierten täglich oft drei Wegstrecken. Hauptverkehrsmittel ist zu 61 Prozent das eigene Kraftfahrzeug. Ein hoher Anteil der Mitfahrer sind Kinder und Jugendliche – ein Hinweis auf die zahlreichen Hol- und Bringdienste der Eltern für ihren Nachwuchs. Interessant: In Villingen liegt der Anteil des Radverkehrs mit 22 Prozent doppelt so hoch wie in Schwenningen. Ebenfalls interessant: Die täglichen Verkehrswege sind mit durchschnittlich 6,9 Kilometer recht kurz. Die Hälfte aller Fahrten mit Autos sind sogar kürzer als vier Kilometer.
- Schlechte Noten: Das Radwegenetz wurde von den Bürger mit der Schulnote 3,3 relativ schlecht bewertet, der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit der Note 3,4 noch etwas schlechter. Der Anteil der Nutzer des ÖPNV liegt bei nur sechs Prozent der Befragten. Zwei von drei befragten Bürgern erklärten, sie würden nie mit Linienbussen fahren. Diese Beurteilungen sollen auf jeden Fall in die neue Verkehrsplanung einfließen.
- Verkehrsabnahme innerstädtisch: Sehr interessant war für die Verkehrsexperten der Vergleich der Verkehrszahlen von heute mit jenen vor zehn Jahren. Auf dem übergeordneten Straßennetz rund um die Doppelstadt, vor allem auf den Bundesstraßen, ist der Verkehr gewaltig gewachsen: Auf der B 33 um 15 Prozent, auf der B 27 sogar um 40 Prozent (siehe Grafik). Dagegen gibt es eine tendenzielle Verkehrsabnahme auf dem innerstädtischen Straßennetz. In der für acht Millionen Euro sanierten Goldenbühlstraße sank die Verkehrsbelastung demnach um 25 Prozent im Vergleich zu 2007, in der Saarlandstraße um fünf Prozent. Erstaunlich auch: Trotz der Ansiedlung des Zentralklinikums ist das Verkehrsaukommen im Zentralbereich laut Verkehrszählung unverändert geblieben. Auffällig ist auch, dass zehn Prozent des täglichen Verkehrsaufkommens zur Stoßzeit am Abend stattfindet.
- Prognose bis 2030: Die geplante Erweiterung der B 523 zwischen dem Neuen Markt und der B 33 am Mönchsee soll eine Verkehrsentlastung auf der B 33, am Nordring, dem Villingen Außenring sowie auf den Ortsdurchfahrten Weilersbach und Obereschach bringen. Der geplante direkte Anschluss des Industriegebietes Ost in Schwenningen soll das innerstädtische Verkehrsnetz in Schwenningen entlasten.
- Der Verkehr wächst weiter: Insgesamt aber gehen die Verkehrsexperten bis 2030 von einer weiteren Verkehrszunahme in Villingen-Schwenningen aus: Plus zehn Prozent bei den Pkws und plus 13 Prozent beim Schwerlastverkehr. Innerstädtisch, so die Prognose, wächst der Verkehr nur um acht Prozent, der Zuwachs werde sich stärker auf die übergeordneten Straßen im Außenbereich konzentrieren. Ziel der Verkehrsplanung soll es sein, diesen Verkehrszuwachs abzufedern.
- Schwachstellen heute: Als Schwachstellen erkannten die Verkehrsplaner unverträgliche Überlagerungen von Nutzungsansprüchen im Verkehrsraum, viel hausgemachten Verkehr, eine fehlende Akzeptanz der derzeitigen Parkraumregelung, Sicherheitsdefizite im Fußgänger- und Radverkehr sowie eine geringe Akzeptanz des ÖPNV. Im Vergleich zum Auto sei der Buslinienverkehr "fünf mal langsamer", berichtet Wolfgang Wahl.
- Die Ziele: Die Verkehrsplaner wollen zur Eindämmung der Verkehrsflut Maßnahmen zur Förderung des Rad-, Fuß- und des Buslinienverkehrs vorschlagen. Beispielsweise die Verkehrsberuhigung innenstadtnaher Hauptverkehrsstraßen, die Umwidmung von Straßen als reine Busspuren oder sicherere und breitere Fuß- und Radwege. "Hier gilt es, das richtige Maß zu finden", sagte Verkehrsplaner Wolfgang Wahl. Um die Ziele zu erreichen, sei auch eine Bewusstseinsbildung bei den Bürgern erforderlich, damit sie auf alternative Verkehrsmittel umsteigen. Diese Zielsetzung gilt vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderates.
Die Verkehrsplanung
Die erste Stufe der Verkehrentwicklungsplanung für Villingen-Schwenninen ist bereits abgeschlossen: Durchgeführt wurden Verkehrszählungen sowie eine Mobilitätsbefragung der Bürger, um aktuelle Daten zu ermittlen. Außerdem wurde das bestehende Verkehrsmodell der Stadt fortgeschrieben sowie eine Schwachstellenanalyse der Verkehrssituation durchgeführt. In der zweiten Stufe Anfang 2018 soll eine Bürgerbeteiligung stattfinden. In der dritten Stufe bis Sommer 2018 folgt die Ausarbeitung des Verkehrsentwicklungsplans und der Mobilitätskonzepte sowie die Erstellung eines Umsetzungskonzepts. (est)