Vor den Scherben seiner Existenz steht möglicherweise bald der 45-Jährige Zeynal Agir. Bis jetzt gehört ihm der Brigach-Imbiss an der Paradiesbrücke ganz in der Nähe des Villinger Bahnhofs. Genauer gesagt: Das Gebäude gehört ihm, nicht aber die Fläche, auf dem der frühere Kiosk steht, die wiederum ist im Besitz der Stadt. Die ordnete nun aber auf 31. Juli den Abriss an, wie der SÜDKURIER exklusiv berichtet hatte. Nun will sich Agir aber wehren. Sein Rechtsbeistand, der frühere Villinger Anwalt, Rudi Erdel, bereitet eine Klage gegen die Stadtverwaltung vor, die innerhalb der nächsten 14 Tage zugestellt werden soll. Der Streitwert wird knapp über eine Million Euro betragen, berichtete Erdel gestern bei einem Pressegespräch. Der Jurist wirft der Stadtverwaltung „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ vor.

Streitwert über eine Million

Erdel (69) ist Agir seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden, deswegen unterstützt er den Kleinunternehmer, der mit viel Herzblut an seinem Lebensprojekt hängt, nun auch. Seit zwei Jahren verhandelt Agir mit Liegenschafts- und Baurechtsamt, 2018 wurde ihm ein notarieller Entwurf eines Vorvertrags zugeschickt. Der sah vor, dass Agir einen Erbbaupacht-Vertrag über 50 Jahre erhalten sollte. Damals schien alles auf einem guten Weg, doch im Frühjahr wurden diese Verhandlungen abrupt gestoppt, erklärten die Beiden vor der Presse. Über die Gründe können Agir und Erdel nur rätseln. Allerdings sei ihnen vom Liegenschaftsamt vorgeworfen worden, sie hätten nicht alle Unterlagen eingereicht. Die hätten sie aber schon längst beim Baurechtsamt abgegeben, erläuterte Erdel.

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Dabei seien sie der Stadt weit entgegengekommen: Der erste Planungsentwurf, der einen Totalabriss und den Neubau eines Pavillons vorsah, verschwand auf Anraten der Stadtverwaltung wieder in der Schublade. Den Brigach-Imbiss „als kleines Wahrzeichen“ wollte die Stadtverwaltung selbst erhalten, berichtete Erdel. Deswegen musste der Architekt eine weitere Planung vorlegen. Die sah die Sanierung des Bestands mit einem Glasanbau vor. Agir hätte nun nur den unterschrieben Vertrag benötigt, um die von der Stadt geforderte Finanzierung bei der Bank sicherzustellen. Er hätte sich auch auf die städtische Forderung eingelassen, innerhalb eines Jahres mit der Sanierung zu beginnen.

Zwei Baugesuche eingereicht

Dann kam die Absage, nachdem Agir nach eigener Aussage um die 50 000 Euro in die Planung und zwei offizielle Baugesuche gesteckt hatte. Darin sind die Anwaltskosten noch gar nicht enthalten. Wenn er so etwas höre, dann „fühle ich mich doch an der Nase gezogen, verarscht“, schilderte Erdel das Seelenleben seines Freundes. Wenn die Stadtverwaltung, wie sie nun behauptet, an dieser Stelle eine Grünfläche wolle, dann „hätte sie es gleich sagen sollen“. Zeynal Agir hätte sich den Aufwand ersparen können.

Bereits Pächter gefunden

Stattdessen ließ man Agir im Glauben, dass sein Projekt eine Zukunft hat. Ihm sei gesagt worden, er könne ruhig planen, hatte er in einem früheren Gespräch erklärt. Er hatte daher einen Pächter bei der Hand, der ihm nach Fertigstellung 2500 Euro im Monat bezahlen würde. Diese Summe fließt hochgerechnet in den Streitwert mit ein, ebenso die 400 000 Euro, die die Sanierung gekostet hätte. Agir selbst ist nicht gut auf die Stadtverwaltung zu sprechen: „Sie haben mit mir gespielt, mir Hoffnung gemacht“, warf er den Verantwortlichen vor. Er selbst betonte, dass er 2003 den Imbiss für 90 000, mit der Finanzierung summierte sich das Investment auf 100 000 Euro, gekauft habe, schon damals sei ihm eine Verlängerung des Pachtvertrags wie bei seinen Vorgängern in Aussicht gestellt worden. Für Agir selbst ist der Imbiss nicht nur das Einkommen, sondern auch seine Altersvorsorge. Derzeit steht er vor enormen finanziellen Problemen, da er seine junge Familie ernähren muss.

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Die Stadtverwaltung war gestern, am Brückentag, nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Bisher hatte sie sich zu dem Vorgang nicht geäußert, da es sich um eine Vertragssache handele. Grundsätzlich will sie den Bereich renaturieren, da ein Bebauungsplan von 1995 an dieser Stelle eine Grünfläche vorsieht. Das Gebäude steht seit den Fünfziger Jahren und war eine Zeit lang ein beliebter Kiosk.