Anja Greiner

Joachim Grüßer, Wassermeister der Stadtwerke Villingen-Schwenningen, hat die Brille etwas schief auf der Nase, als er auf das leicht rosafarbende Wasser im Reagenzglas schaut, zufrieden nickt und sagt: "Es ist Chlor im Wasser." Exakt 0,12 Milligramm pro Liter sind es am frühen Freitagabend im Wasserreservoir Auf Hagen, von dem aus unter anderem der Zentralbereich, Obereschach, Nordstetten und die Wöschhalde versorgt werden.

Grüßer ist für die Koordination der seit Donnerstag laufenden Chlorung des Trinkwassers zuständig, nachdem bei Routinekontrollen – 22 gibt es davon im Jahr – coliforme Bakterien festgestellt wurden. Die Mitarbeiter der Stadtwerke sind seither in Sonderschichten unterwegs. Offenbar mit Erfolg: Das Chlor verteilt sich gut im Wasser. Den vom Gesundheitsamt vorgegebenen Wert von 0,2 Milligramm pro Liter werden sie bald erreicht haben.

  • Das wird jetzt getan: Aktuell werden an 18 Messstellen laufend Proben genommen, um den Chlorgehalt des Wassers zu überprüfen. Da das Chlor ein paar Tage benötige, um seine Wirkung zu entfalten, werde die nächste Probe für das Prüflabor erst kommende Woche entnommen, so Pressesprecherin Susanna Kurz. Liegt das Ergebnis des externen Labors mit Sitz in Villingen vor, darf die nächste Probe gezogen werden. Dreimal sollen nach diesem Muster Proben entnommen werden. Sind alle drei negativ, wird das Trinkwasser voraussichtlich Ende August wieder freigegeben werden können. Das sind die akuten Maßnahmen. Langfristig soll im Leitungsnetz eine Chlorungsanlage installiert werden.
    Die entsprechenden Planungen laufen laut SVS-Geschäftsführer Ulrich Köngeter. Für ihn ist es eine Reaktion auf "die klimatische Erscheinung". Derzeit wird vermutet, dass die Bakterien durch zu hohe Wassertemperaturen entstehen konnten. Wie hoch die Chlor-Konzentration künftig sein wird, ist noch unklar. Sicher sei jedoch, dass man das Chlor im Wasser nicht schmecken werde.
  • Der Ansturm im Getränkemarkt: "Hier wird Wasser gekauft, wie Sand am Meer", sagt Patrick Schmitt, Mitarbeiter im Frisco-Getränkemarkt im Schwenninger Westen. Es ist Freitagvormittag, gerade hat der Chef eine Nachbestellung aufgegeben. "Heute Morgen sind sie auch schon nach dem Wasser gerannt", sagt Udo Richter, Leiter des Getränkemarkts im Culinaria. 30 Paletten bekommen sie freitags immer geliefert. Heute hat er das erste Mal nachbestellt. Zehn Paletten für Montag. "Wir füllen den ganzen Tag hauptsächlich Wasser auf." Vielleicht, sagt er, kommt er heute Nachmittag mal noch zum Bier. Der Ansturm begann am Donnerstagabend. In manchem Discounter war das stille Mineralwasser am Donnerstagnachmittag bereits ausverkauft. Ausverkauft waren sie im Culinaria nicht, aber allzu viel Auswahl bei den stillen Mineralwassern gab es irgendwann nicht mehr.
  • Das passiert in den Pflegeeinrichtungen: In der Küche des Franziskusheims steht seit Donnerstagmittag ein großer Kessel in dem permanent Wasser kocht. "Für alles, was abgewaschen werden muss", sagt Lothar Schopp, Leiter des Franziskusheims. 80 Bewohner müssen sie dort versorgen. Zum Zähneputzen, Kaffee- und Teekochen haben sie stilles Wasser ausgegeben, der Kaffeevollautomat liegt bis auf Weiteres still. "Es ist ein bisschen Mehraufwand", sagt er, "aber es ist erträglich". Im Haus der Pflege und Betreuung, 100 Bewohner werden dort versorgt, hat Sandra Hagen die Äpfel vom Speiseplan gestrichen. Die Pflegekräfte müssen nach dem Händewaschen die Hände desinfizieren, aufpassen, dass die Bewohner beim Waschen kein Wasser in den Mund bekommen. Wäsche und Geschirr wird auf 70 Grad ausgekocht. "Der Mehraufwand hält sich in Grenzen", sagt sie. Im Schwarzwald-Baar-Klinikum kann weiter Leitungswasser getrunken werden, die hauseigene Chlorungsanlage in der Trinkwasserleitung wurde in Betrieb genommen.
  • Das sagt die Gastronomie: Als Thomas Häring, vom Café Häring von der Abkoch-Anordnung gehört hat, hat er den Stecker gezogen. Den an der großen Kaffeemaschine, die ans Wassernetz angeschlossen ist. "Wir haben noch eine kleine Kolbenmaschine, da können wir stilles Wasser benutzen." Zum Putzen nehmen sie abgekochtes Wasser. Es sind Ferien, es ist ruhiger, da sei das Ganze kein allzu großes Problem. Rajka Bibic vom Café Vau in Schwenningen geht seit Donnerstag in Villingen einkaufen. Zumindest was den Salat betrifft. "Den kann ich gewaschen in Villingen kaufen", sagt sie. In der Küche steht ein großer Topf auf dem Herd, das Wasser kocht dort den ganzen Tag vor sich hin. Ein bisschen Mehraufwand, ja, sagt Bibic, das sei es. Aber: "Es gibt viel Schlimmeres."

Fakten rund um die Wassersorgen

  • Die betroffenen Gebiete: Schwenningen, Weilersbach, Obereschach, Wöschhalde, Auf Herdenen, Schilterhäusle, Nordstetten, Mühlhausen sowie Dauchingen.
  • Abkochen auch anderenorts: Seit vergangener Woche muss in Pentlingen (Kreis Regensburg) das Wasser abgekocht werden, auch hier waren coliforme Bakterien gefunden worden. Auch hier wird das Wasser gechlort. Anfang Juli waren im Trinkwasser in Bernau (Brandenburg) Bakterien gefunden worden. Auch dort musste das Wasser mehrere Tage abgekocht werden. Im Juni mussten die Menschen in Königsbrunn (Bayern) ihr Wasser für mehrere Tage abkochen, Schuld war eine defekte Pumpe. Auch in Bobingen (Landkreis Augsburg) musste vergangene Woche das Wasser mehrere Tage abgekocht werden. Nach Bauarbeiten wurden Rückstände im Wasser gefunden.
  • Sondertelefon: Sobald das Abkochgebot aufgehoben wird, werden die Bürger über die Medien informiert. Für Rückfragen haben die Stadtwerke ein Sondertelefon eingerichtet. Dieses ist täglich von 7 bis 20 Uhr unter der Telefonnummer 07721/4050 4994 erreichbar. Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.svs-energie.de/wasser.
  • Kostenlose Angebote: Die Stadtwerke verteilen ab Samstag, 19. August, von 10 bis 12 Uhr, und ab Montag bis Freitag von 15.30 bis 17.30 Uhr auf dem Unternehmensgelände in der Pforzheimer Straße gratis Mineralwasser an die Betroffenen. Hoerco-Geschäftsführer Rudolf Reim will fünfzig Wasserkocher an bedürftige Familien mit Kleinkindern spenden. Wer einen entsprechenden Nachweis mitbringt, kann die Kocher im Elektromarkt abholen.