Schwarzwald-Baar – Eineinhalb Stunden lang diskutierte SÜDKURIER-Redaktionsleiter Norbert Trippl am vergangenen Donnerstag mit fünf Experten vor laufenden Kameras über die aktuelle Corona-Epidemie und darüber, welche Folgen das für die Menschen in der Region hat. Die Diskussion fand im Ambiente des Möbelhauses Wiebelt in Villingen statt. Geschäftsführer Frank Baumhäckel hatte seine Geschäftsräume extra für diese informative Liveübertragung zur Verfügung gestellt.
Bereits im Vorfeld sammelte die Redaktion Leser-Fragen ein, die in der Expertenrunde besprochen wurden. Mit dabei waren Mikrobiologe Markus Egert, Allgemeinmediziner Michael Ehret, Josef Herdner, Bürgermeister von Furtwangen, Barbara Hendricks-Kaiser, Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule in Villingen-Schwenningen sowie Kreishandwerksmeister Martin Ballof. Im ersten Teil unserer Berchterstattung zu den Leserfragen kommen Markus Egert und Michael Ehret zu Wort.
Soll man derzeit Physiotherapie-Termine wahrnehmen?
Wenn medizinisch nicht absolut nötig und man nicht auf eine Therapie angewiesen sei, sollte man aktuelle auf solche Termine verzichten, um einerseits sich selbst, aber auch die Therapeuten vor einer Ansteckung zu schützen, so lautet die Einschätzung von Markus Egert. Der gleichen Meinung ist Michael Ehret: „Einige Praxen hätten aus diesem Grund mittlerweile auch geschlossen.“ In akuten Fällen sei eine Behandlung jedoch nicht verschiebbar.
Wann gilt man nach einer Corona-Infektion als genesen?
„Nach Feststellung des Virus werden nach 10 bis 14 Tagen noch einmal Abstriche gemacht“, erklärt Ehret. Seien dann keine Viren mehr nachweisbar, könne man von einem Heilungsprozess sprechen.

Wie lange ist man ansteckend? Wann darf man die Quaratäne verlassen?
Entscheidend sei, ob Auflagen vom Gesundheitsamt angeordnet wurden. „Die Krankheit ist meldepflichtig“, erklärt Ehret. Dann seien in der Regel auch Gesundheitsamt und Polizei involviert, die eine Quarantäne beaufsichtigen. In einem Fall, den er selbst kenne, musste die betroffene Person zwei negative Tests abwarten, ehe die Quarantäne beendet wurde, und das obwohl keine Symptome mehr vorlagen.
Wie lange dauert es, bis ein Testergebnis vorliegt?
„Bis zu fünf Tage“, so Ehret. Die Ergebnisse müssten offiziell zugestellt werden, auf dem Postweg.
Warum werden bei uns so wenige Personen auf Corona getestet?
„Der Teststoff ist mittlerweile knapp.“ Das zweite Problem sei, dass viele Menschen kommen und getestet werden wollen. Aufgrund der knappen Ressourcen sei das nicht möglich. „Man testet nur die Menschen, bei denen es sinnvoll ist.“ Es bringe nichts Ischgl-Rückkehrer zu testen, bei denen das Virus noch gar nicht nachweisbar ist. Es sollten also mehrere Faktoren vorhanden sein. Hier gelten die Vorgaben des Robert-Koch-Institutes. Auch für besorgte Pflegekräfte, die sich aus Vorsicht gerne testen lassen würden, gelte dieser Maßstab. Mehr sei momentan einfach nicht machbar. Ehret fügt hinzu, dass man solche Gruppen zumindest mit geeigneter Schutzausrüstung ausstatten sollte: Mundschutz, Handschuhe, Kittel. Er fordert das zudem für alle Menschen, die in irgendeiner Form seelsorgerisch und pflegerisch tätig sind.

Reichen die Vorkehrungen hier in der Region aus, um die Corona-Epidemie einzudämmen?
„Ich meine, dass wir angesichts dessen, was wir bisher getan haben, gut vorbereitet sind“, sagt der Allgemeinmediziner. Eine ganze Klinik sei ausgeräumt worden, die jetzt für Coprona-Fälle zuständig sei. “Wir haben hier im Landkreis keine schlechten Karten.“
Wohin sollen sich Patienten wenden, wenn die Hausarztpraxis wegen Corona geschlossen hat?
„Es gibt vor Ort wahrscheinlich nicht nur einen Arzt, sondern mehrere Praxen. Die müssen dann eben einspringen. Das ist wie bei einer Urlaubsvertretung“, so Ehret.
Wie bewerten sie die Notfallstrategie der Bundesregierung?
„Ich habe keine Ahnung“, so der Mikrobiologe. Weil eine ähnliche Situation habe es noch nie gegeben. Selbst Experten vom Robert-Koch-Institut hätten darauf keine klare Antwort. „Für mich machen die Maßnahmen aber absolut Sinn.“ Die seien schwer einzuhalten, aber man müsse nun dran halten. „Etwas besseres gibt es nicht, was man machen kann.“ Leider dauere es immer zwei bis drei Wochen, bis man einen Effekt überhaupt sehen und messen könne. Zur Zwei-Personen-Regel sagt er: „Die Alternative wäre, dass man gar nicht mehr raus darf.“ Entscheidend sei, Kontakte zwischen Menschen gering zu halten.

Wann gibt es ein Gegenmittel?
„Die Entwicklung eines Impfstoffes dauert in der Regel mehrere Jahre.“ Und obwohl die Forschungen derzeit auf Hochtouren laufen, wäre es für Egert eine Sensation, wenn bis zum Herbst ein Impfstoff gefunden sei. Bei der Suche nach einem Wirkstoff zur Bekämpfung der Symptome würden Forscher auf vorliegende Studien und Erfahrungen zu anderen Erregern aufbauen. Viruserkrankungen seien generell sehr schwer zu behandeln. Es gebe jedoch einige Wirkstoffe, die dafür in Frage kommen. Zeit für lange Studien gebe es nicht, daher könnte es zu Abkürzungen bei der Zulassung kommen. „Man muss sich darauf verlassen, dass dennoch ein Mindestmaß an Studien durchgeführt wird, die nötig sind.“ Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Nebenwirkungen der Medikamente deren Nutzen übersteigen.
Kann man sich über Lebensmittel, Verpackungen, Straßenkleidung anstecken?
„Nein, das ist nicht gefährlich“, ist sich Egert sicher. Es gebe nur ein theoretisches Risiko, sich so zu infizieren. Das Gefährliche seien die anderen Menschen. Ansteckungen würden meist über Tröpfcheninfektion erfolgen. Daher seien Desinfektionsmittel im normalen, täglichen Bereich nicht nötigt. Hände gründlich zu waschen reiche aus, was auch für für die frisch eingekauften Lebensmittel gelte. „Desinfektionsmittel machen die Hände spröde. So ist die Haut anfälliger für Infektionen“, erklärt der Mikrobiologe. Und die Mittel würden durch die hohe Nachfrage an den Stellen fehlen, wo sie wirklich gebraucht werden.

Hält sich das Virus auf Zeitungspapier?Kann man die Zeitung morgens bedenkenlos lesen?
„Ja kann man. Es besteht keine Ansteckungsgefahr über das Zeitungspapier“, so Egert. Auf Papier und Pappe würden sich Viren nur wenige Stunden halten, auf Metall etwas länger. „Aber das sind Labortests. Da werden sehr viele Viren auf die Träger aufgebracht“, erklärt er. In der Realität seien es viel weniger. Un die würden an der Luft „ratz fatz“ inaktiviert. „Fehlende Informationen sind viel gefährlicher“, sagt er und lacht.
Gibt es noch Pneumokokken-Impfstoff?
„Bis vor kurzem war der Impfstoff ein Ladenhüter“, so Ehret. Er selbst impft vor allem ältere Menschen gegen diese Erreger, die ebenfalls eine schwere Lungenentzündung auslösen können. Nun sei der Impfstoff wegen der plötzlich hohen Nachfrage ausgegangen. Die Impfung müsse alle fünf Jahre erneuert werden. „Wenn das alles vorbei ist, müssen wir uns Gedanken über die Medikamentenversorgung machen“, schlägt Egert vor. Es räche sich, wenn man lediglich aus rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten Wirkstoffe produziere.