Am 16. Februar sagt Andreas Güntter adieu. Der letzte Tag der Schwenninger Vesperkirche in diesem Jahr ist auch zugleich sein letzter Tag als Pfarrer der Pauluskirche. „Ich habe dann einen Monat frei und fange am 15. März in der Villinger Johanneskirche an“, sagt Güntter. Es wird schwer für ihn, die Organisation der Vesperkirche abzugeben. 17 Jahre hat er sich mit viel Freude um sie gekümmert.

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Dabei war er am Anfang skeptisch: „Die Idee für die Vesperkirche kam aus der Gemeinde heraus und entstand während der Zukunftswerkstatt ‚Kirche 2020‘. Wir hatten damals Flipcharts aufgestellt, auf denen die Teilnehmer ihre Ideen aufschrieben“, erzählt Güntter. Plötzlich stand da auch „Vesperkirche„.

In den Folgewochen schauten sich dann der 2010 verstorbene Pfarrer Kurt Seemüller und Reinhard Hummel von der Diakonie andere Vesperkirchen an. „Dann kamen sie auf mich zu und sagten, dass wir auch eine in der Pauluskirche veranstalten müssten“, sagt Güntter, „ich wollte das zuerst gar nicht.“

Skepsis und Begeisterung

„Als ich mir dann selbst Vesperkirchen angeschaut habe, war ich sofort überzeugt. Wenn es das nicht bereits gegeben hätte, hätte man es erfinden müssen.“ Also organisierten Güntter und sein Team die erste Vesperkirche in Schwenningen. „Anfangs war sie eher etwas für Insider. Mittlerweile kennen sie sehr viele und wir haben keine Probleme mehr, an Freiwillige zu kommen“, erzählt der Pfarrer.

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Über die Entwicklung in den vergangenen 17 Jahren freut er sich sehr. Die Vesperkirche habe die Atmosphäre in der Gemeinde verändert. Mittlerweile werde er schon auf der Straße auf die Aktion angesprochen. „Ich freue mich auch, dass es in der Zwischenzeit auch in Nagold und Singen Vesperkirchen gibt. Ich durfte zu Beginn ein wenig mit meiner Expertise helfen“, sagt Güntter.

Idee verselbstständigt sich

In Schwenningen selbst ist die Idee weiterentwickelt worden. So gibt es seit sechs Jahren die Vesperkirche Plus. Dafür öffnet die evangelisch-methodistische Gemeinde um Hans-Ulrich Hofmann immer am letzten Samstag des Monats ihre Pforten und bietet Essen an. Mit im Vesperkirchenboot sind mittlerweile auch die katholische, die methodistische und die neuapostolische Gemeinde. Mit der Arbeiterwohlfahrt gibt es außerdem seit 15 Jahren eine Kooperation. „Die Menschen, die sonst in die Wärmestube im Paradies gehen, kommen in den vier Wochen, in denen die Vesperkirche offen ist, zu uns“, sagt der scheidende Pauluskirchen-Pfarrer.

Sprechcafé

Toll fand Güntter auch, was 2015 passierte: „Als viele Flüchtlinge kamen, wurde eine Erstunterkunft auf dem Schwenninger Messegelände eingerichtet. Mitarbeiter der Vesperkirche haben dann sehr schnell ein Sprechcafé organisiert. Das passierte völlig in Eigenregie, ohne mein Zutun.“

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Auch verändert habe sich das kulturelle Angebot. Mit „Kultur in der Vesperkirche„ gebe es rund ums Jahr ein ausgiebiges Programm, dass seinen Schwerpunkt auf der Teilhabe an kulturellen Angeboten hat.

Jahresurlaub in der Vesperkirche

Pfarrer Güntter blickt auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Zum Schluss erinnert er sich an eine Familie: „Einige Jahre kam eine alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern in die Vesperkirche. Sie hat gesagt, dass sie von einer Freundin deren Auto für drei Wochen geliehen bekommt. Jeden Tag ist die kleine Familie nach Schwennigen gefahren. Für die war das deren Jahresurlaub. Sie waren während der gesamten Vesperkirchenzeit von 11 bis 15 Uhr bei uns. Die Kinder konnten spielen, die Mutter wurde auch mal bedient und konnte so von ihrem stressigen Alltag entspannen. Das ist es, worum in der Vesperkirche geht.“