So manche Pflegekräfte sind beunruhigt. In der Praxis haben sie gelernt, Patienten kompetent zu versorgen. Kein Wunder, dass sich die Berufserfahrenen von frisch studierten Einsteigern geprellt fühlen. „Akademisierung: Bin ich nun weniger wert?“ – darüber diskutieren Fachkräfte im gleichnamigen Workshop auf dem Pflegekongress am 12. Mai in Villingen-Schwenningen.
Das sind die Sorgen von einigen Pflegekräften
„Fünf Jahre Ausbildung – und dann kommt jemand mit Studium. Bin ich dann nur die Waschfrau?“, hallt es im Sitzkreis wieder. Die Sorgen der Pflegekräfte heften auf Papier an der Pinnwand hinter den Workshopleiterinnen Ursula Immenschuh und Sabine Spormann.
Sie möchten Teilnehmern die Ängste nehmen. „Wir gestalten das, was noch wird, gemeinsam“, betont Erstere. Denn die Akademisierung der Pflege steckt in Deutschland aktuell noch in den Kinderschuhen.
Beim Workshop berichten Berufserfahrene, wie sie sich die Arbeit mit studierten Pflegewissenschaftlerinnen im Schwarzwald-Baar-Klinikum vorstellen können.
Gegenseitiger Respekt ist wichtig
„Keiner schreit juhu, aber wir blocken auch nicht ab“, antwortet Katrin Schuster. Als Kinderkrankenschwester arbeitet sie schon seit 31 Jahren. In der kleinen Arbeitsgruppe ergänzt die Palliative-Care-Pflegefachkraft Heike Rölle: „Wir bringen Berufserfahrung und entsprechende Werte mit.“
Wenn sie in Zukunft eine akademische Kollegin bekommen sollte, dann wünsche sie sich von ihr Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und eine einfache Sprache. „Fachbegriffe haben so etwas Erhobenes“, sagt Rölle. „Die Diskrepanz zwischen Wissenschaft und Praxis gilt es zu füllen“, erklärt Workshopleiterin Immenschuh in großer Runde.

Und das ginge nur mit gegenseitigem Respekt, sind sich auch die Workshopteilnehmer einig. Im großen Sitzkreis stimmen viele dem Einwurf zu, dass Pflegekräfte voneinander lernen könnten – studierte von berufserfahrenen und umgekehrt. Das mache jeden zu einem wertvollen Mitglied im sogenannten Multi-skilled-Team
Was dieser Begriff für die Patientenversorgung bedeuten kann, erklärt Stefanie Lickfett gegenüber dem SÜDKURIER: „Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen arbeiten zusammen. Das hat Vorteile für den Patienten – mehr Expertise für die Behandlung“, so die pflegerische Klinikleitung des Schwarzwald-Baar-Klinikums Villingen.

Studieninteressierte werden unterstützt
„Die Studierten möchten uns nichts wegnehmen, eher Arbeit abnehmen. Zum Beispiel den Papierkram – alles, was eine Pflegekraft nicht gerne machen mag“, wirft Laura Scapin in die große Runde. Sie ist Teamleiterin der Intensivstation im Schwarzwald-Baar-Klinikum in Donaueschingen.

Lange habe sie mit dem Gedanken gespielt, selbst Pflegewissenschaftlerin zu werden. Denn ein Studium bedeute, Arbeitszeit zu reduzieren und das Team zum Lernen immer wieder zu verlassen. Dank der Unterstützung des Klinikums werde sie die akademische Laufbahn einschlagen. Einen staatlichen Zuschuss würde sie begrüßen, denn ein Studium ziehe auch Schichteinbußen und weniger Geld nach sich.
Unterstützen möchte auch Ute Schuler, Pflegedienstleiterin der Median Klinik St. Georg in Bad Dürrheim: „Ich möchte junge Mitarbeiterinnen bei uns zum Studium motivieren und sie dann auch während der Studienzeit begleiten. Wir profitieren wiederum von ihrem Wissen in der Praxis.“

Auch Markus Aydt sieht die Akademisierung positiv: Es braucht den theoretischen Unterbau aus dem Studium – sie können dann Aufgaben eigenständig umsetzen, die sie bislang erst mit dem Arzt absprechen mussten. „Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe wird möglich“, so der Geschäftsführer der Sozialstation St. Marien in Triberg.