Wie kommt das Schwarzwald-Baar-Klinikum dazu, einen schwerkranken Patienten, der in der Notaufnahme schläft, mitten in der Nacht und ohne Rücksprache mit den Angehörigen per Taxi nach Hause zu schicken? Das wollen die Ehefrau und die Tochter des Patienten wissen. Sie halten dies für einen unglaublichen Vorgang und sind empört, dass es dazu kommen konnte.

Im Bademantel vor der Tür

Mitte Januar, so berichtet die Ehefrau Gabi Heinke aus Pfaffenweiler dem SÜDKURIER, ließ sie ihren Ehemann Jürgen Heinke (71) spät abends mit dem Notarzt ins Klinikum bringen. Erste Diagnose: Verdacht auf Schlaganfall.

Er kam in die Notaufnahme, wo er untersucht und dann im Schockraum zum Schlafen gebettet wurde. Die Ehefrau fuhr wieder nach Hause. Um 4 Uhr morgens schreckte sie hoch. An ihrem Schlafzimmer-Rolladen wurde von außen heftig gerüttelt. Draußen stand ihr Mann, in Bademantel und Pantoffeln schlotternd in der Kälte und sagte, er möchte rein, habe aber keinen Haustürschlüssel. Außerdem benötige er 40 Euro, um den Taxifahrer, der in gebracht hatte, zu bezahlen.

Gabi Heinke fiel aus allen Wolken. Ihr Mann berichtete ihr später, er sei in jener Nacht um 3 Uhr in der Notaufnahme von einer Schwester aufgeweckt worden. Die habe ihn gefragt, wie es ihm gehe. Gut, habe er gesagt. Ob er nach Hause wolle? Ja, habe er geantwortet.

Er solle seine Frau zu Hause anrufen, dass er heimkomme, habe ihn die Schwester geheißen. Das hat er versucht. Doch seine Frau schlief und hörte das Telefon nicht. Dennoch, so berichtete die Ehefrau, habe die Schwester ihrem Mann ein Taxi gerufen, obwohl sie nicht wusste, ob jemand bei ihm zu Hause ist.

Der Mann hatte keinen Haustürschlüssel und kein Geld dabei. Ob er alleine zum Taxi gehen könnte, fragte die Schwester. Ja, sagte der Patient und verließ dann ohne Aufsicht die Klinik. Gabi Heinke kann es nicht fassen, dass sich das Pflegepersonal auf solche Aussagen eines Patienten verlässt. „Mein Mann sagt immer, es geht ihm gut.“

Zustand verschlechtert sich

Gabi Heinke und ihre Tochter Anja sind zutiefst empört über die Entlassung aus der Notaufnahme. Zumal der Zustand von Jürgen Heinke am Morgen noch schlechter ist als tags zuvor.

Er kippt wie tags zuvor erneut zur Seite, ein Mundwinkel hängt nach unten, er hat immer noch 39 Grad Fieber, und: Er bekommt fast keine Luft mehr. Wieder bringt ihn der Rettungsdienst in die Notaufnahme. Gabi Heinke stellt eine Ärztin zur Rede. Diese sagte, es sei am Tag zuvor eine Gastroenteritis, also eine Magen-Darm-Entzündung, diagnostiziert worden, nichts Schwerwiegendes also.

Warum er nachts geweckt und nach Hause geschickt wurde und wer dafür verantwortlich war, konnte oder wollte die Ärztin nicht recht erklären. Sie habe entschuldigend gesagt, berichtet Gabi Heinke, die Ambulanz sei personell stark unterbesetzt und unter Druck.

Nächste Diagnose

Ihr Mann wurde im Klinikum erneut untersucht und anderntags nach Donaueschingen verlegt. Die nächste Diagnose lautete auf COPD, eine chronische Lungenkrankheit. Zwei Tage später wurde er auf die Intensivstation verlegt.

Die Lungenkrankheit habe sich ebenfalls als Fehldiagnose erwiesen, berichtet Gabi Heinke. Es habe sich herausgestellt dass ihr Mann schwer herzkrank sei. Die Ärzte in Donaueschingen hätten die tatsächliche Ursache festgestellt: Herzkammerflimmern und Wasser in der Lunge. Ihr Mann sei in Lebensgefahr geschwebt, lag mehrere Tage auf der Intensivstation.

Umso mehr hat sie seine nächtliche Entlassung schockiert. „Er ist schwerkrank und man schickt ihn auf die Straße. So was geht ja gar nicht.“ Besonders kreidet sie den Verantwortlichen an, dass ihr Mann nachts losgeschickt wurde, obwohl er sie telefonisch nicht erreicht hatte.

„Was wäre gewesen, wenn ich nicht zuhause sondern bei Verwandten übernachtet hätte?“, fragt sie sich. Ihre Tochter Anja ergänzt: „Wir können froh sein, dass ihm nicht noch was passiert ist. Wenn er in unserem Garten umgefallen wäre, wäre er bei der nächtlichen Kälte erfroren.“

Das könnte Sie auch interessieren

Den beiden Frauen ist daran gelegen, diesen Vorgang öffentlich zu machen, damit solch ein Umgang mit Patienten nicht mehr vorkommt. „Sie hätten meinen Mann so nicht entlassen dürfen“, sagt Gabi Heinke. Sie hat auch die Patientenbeschwerdestelle der Klinik über den Misstand informiert.

Klinikum mauert

Auf SÜDKURIER-Anfrage zeigte sich das Klinikum wortkarg und verbarrikadierte sich hinter dem Datenschutz. Einzige Aussage: „Wir widersprechen dieser Darstellung ausdrücklich und weisen darauf hin, dass wir der Schweigepflicht unterliegen und zu Patienten keine Aussagen machen können“, ließ die Pressesprecherin Sandra Adams verlauten.

Welche Aussagen der Angehörigen angeblich unzutreffend seien, wollte sie nicht erläutern. Auch auf das Angebot, sich von der Schweigepflicht durch Gabi Heinke entbinden zu lassen, die dazu gerne bereit war, wollte sich die Klinik nicht einlassen. Seltsam. Das einzig Erfreuliche für die Frauen: Jürgen Heinke, so berichten sie, sei mittlerweile außer Lebensgefahr.