Er wird in Villingen-Schwenningen in Erinnerung bleiben als ein streitbarer Galerieleiter, der unnachgiebig für die Kunst kämpfte. Wendelin Renn (62) wird sich im Sommer von seinem Büro im oberen Stockwerk des Lovis-Kabinetts, so der offizielle Name der Galerie in der Friedrich-Ebert-Straße, verabschieden. Der genaue Termin steht noch nicht fest, einige Tage kann er jedenfalls seine Nachfolgerin, Vanessa Charlotte Heitland noch einarbeiten.

So fing es an – schon immer mit markantem Schnurrbart.
So fing es an – schon immer mit markantem Schnurrbart. | Bild: Jochen Hahne

Ursprünglich war eine längere Phase geplant, sie schrumpft aus unterschiedlichen Gründen zusammen. Doch für Renn ist dies kein Beinbruch, bleibt seine bisherige Mitarbeiterin Damaris Dymke doch im Team und sie kennt sich bestens bei der Ausstellungstechnik, dem Einrichten von Ausstellungen und dem rund 3000 Kunstwerke fassenden Sammlungsbestand der Galerie aus. Wendelin Renn geht in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit, bleibt der Region verbunden, jedoch nicht der Stadt. Einen offiziellen Abschied wird es nicht geben.

Eine seiner bekanntesten Ausstellungen – Picassos Toros 1996/97. Bilder: Jochen Hahne
Eine seiner bekanntesten Ausstellungen – Picassos Toros 1996/97. Bilder: Jochen Hahne | Bild: Jochen Hahne

Renn, der zunächst Jura studierte, bevor er zur Kunstgeschichte wechselte, stieß im Februar 1988 mit einem Werksvertrag zur Doppelstadt, die damals noch keine Galerie besaß. Am 1. Januar 1989 bestellte ihn der Gemeinderat zum ersten hauptamtlichen Galerieleiter. Jetzt, nach knapp 30 Jahren, verabschiedet er sich: "Es ist Zeit, junge Leute ranzulassen." Was den Fortbestand der Galerie angeht, deren Existenz einige Mal auf der Kippe stand, blieb er standfest und auch bei seiner Idee, junge Künstler zu fördern.

Wie man ihn Kennt: Wendelin Renn (2018).
Wie man ihn Kennt: Wendelin Renn (2018).

 

Für Wendelin Renn reichte es nie, "nur schöne Bilder aufzuhängen". Wir stellten dem 62-Jährigen 13 Fragen und baten ihn um eine Antwort:

  1. Die schönste Ausstellung? "Immer die, die ich gerade mache, also zur Zeit die mit Werken von Giorgio Morandi. Es ist nicht etwas Besonderes, weil es meine letzte Ausstellung ist, sondern weil es die größte für mich ist, übrigens auch die mit dem höchsten Versicherungswert. Morandi hat mich begeistert, seit ich Schüler bin, er hat Phänomene des Sehens unterschiedlich reflektiert und zeigt Dinge, die jeder unterschiedlich wahrnimmt."
  2. Die ärgerlichste Auseinandersetzung? "Eine heikle Frage. Für mich ist es die falsche Darstellung der Überstundenaffäre im Gemeinderat und dass ich keine Möglichkeit hatte, darauf zu reagieren." (Dabei ging es unter anderem 2013 von der Gemeindeprüfungsanstalt monierte und vom Oberbürgermeister genehmigte Überstundenzahlungen an einige städtische Mitarbeiter, Anmerkung der Redaktion)
  3. Die geschätztesten Kommunalpolitiker? "Dr. Hannsheinrich Walz, Annegret Hundertmark und Joachim von Mirbach. Alle Drei haben sich immer Zeit genommen, sich mit dem, was ich an Kunstvermittlung anbot, auseinanderzusetzen. Dabei konnten wir uns wunderbar streiten, aber es ging immer um Inhalte, und nicht, wie so oft heute, um Show."
  4. Die schwierigsten Kommunalpolitiker? "Das sind all die, die über Sachen reden, die sie nicht inhaltlich kennen, und worüber sie sich auch nicht informieren wollen."
  5. Die Zukunft der Galerie? "Sie liegt in den jungen Händen einer Kollegin, der man alle Chancen geben muss."
  6. Verpasste Chancen? "Vor allem eine. Ende der neunziger Jahre besuchte ich das Museé Matisse in Nizza und hatte bereits eine Ausstellung für VS fix-fertig im Kopf. Ich stellte mich vor und erläuterte, was ich mit Matisse vorhabe. Der Museumsleiter war begeistert. Allerdings musste ich die Ausstellung mit der Nachlassverwaltung absprechen, die dem Projekt auch zustimmte. Inzwischen wechselte die Museumsleitung in Nizza, und die neue Leitung wollte nichts mehr von unserem Projekt wissen. Leider. Stattdessen zeigten wir Illustrationen von Marc Chagall zu Nikolai Gogols "Die toten Seelen."
  7. Der liebste Ort in Villingen-Schwenningen? Das Lovis-Kabinett.
  8. Warum hat VS keine modernen Räume für Ausstellungen? "Das werden wir bald haben im Museumsquartier Bürk. Und darüber freue ich mich sehr, das wird auch der Region zugutekommen. Vor ein paar Jahren hätten wir schon einmal die Chance gehabt, zusammen mit der Sammlung Grässlin eine Kunsthalle auf dem alten Tonhallenareal zu bauen. Doch das wollte damals Oberbürgermeister Manfred Matusza nicht."
  9. Ein Wunsch für Villingen-Schwenningen? "Ein streitbarer Gemeinderat, der über Inhalte diskutiert, und eine Verwaltung, die sich konstruktiv mit dem Gemeinderat in eine Richtung orientiert."
  10. Wie erklärt Wendelin Renn den Kollegen in den Kunstmetropolen, woher er kommt? "Between Stuttgart and Zurich, Paris and Moskow. Near to the border to Switzerland." (Also: Zwischen Stuttgart und Zürich, Paris und Moskau, nahe der Schweizer Grenze.)
  11. Was er an VS sympathisch findet? "Ich konnte hier 30 Jahre den Kunstdiskurs weiterführen, anknüpfend an Felix Schlenker und Karl Heinichen, Gremliza und Willmann, die bereits die Grundsteine vorgegeben haben. Die Menschen haben mich hier machen lassen und ich hatte hier auch die Freiheit."
  12. Das gefällt ihm an VS weniger? "Mauscheleien und Kleinkariertheit. Das so oft im Proporz gedacht wird, was hier ist, muss auch da sein. Man müsste mehr das Besondere in jedem Teil stärken und mit dem Ganzen die Zukunft gestalten."
  13. So reagiert er auf Kritik, er hätte zu wenig die Massen anziehende Ausstellungen gezeigt? "Als Vincent van Gogh jung war, kannte ihn nur wenige: Die Massen liebten ihn damals nicht. Wir hatten bei Ausstellungen der Klassischen Moderne – Otto Dix, Gustav Klimt oder Heinrich Zille – viele Besucher und Besucherinnen. Jungen Künstlern und Künstlerinnen geht es heute wie seinerzeit van Gogh."