Der 5. August war für Thomas Barth der letzte Arbeitstag vor seinem Urlaub. Und dann kam ihm dieser Koffer in die Quere. Polizistenschicksal. Bei der Polizei muss immer mit allem gerechnet werden. Um 11 Uhr gibt es Großalarm. Am Busbahnhof steht ein verlassener Koffer. Die große Frage: Attentat? Bombe? Oder nur im Schussel vergessen?
Thomas Barth lässt Busbahnhof und Bahnhofsvorplatz absichern. Der Villinger Polizeichef beordert Sprengstoff-Experten nach Villingen. Die sind die Ruhe selbst. Alle beziehen hoch konzentriert immer wieder eingeübte Positionen für ein solches Szenario. Thomas Barth denkt nicht eine Sekunde an seine Ferien. Er tigert hin und her, versucht alles im Blick zu haben.
Die großen Kosten-Hämmer werden vermieden
Der Koffer steht gut und einsam nahe einer Sitzbank. Auf einen Personentransport für das Sprengstoffteam mit dem Huberschrauber von Stuttgart nach Villingen wird verzichtet. Barth wohnt im Schwäbischen. Seine Einsatzleitung erspart der Schlussrechnung zu diesem Tag den ganz großen Kosten-Hammer.

Als der Koffer, wie von vielen vermutet, zwei Stunden später mit einem Röntgengerät als leer identifiziert war, wurden die Sperrungen aufgehoben. Wohin mit dem Koffer? Die Villinger Polizei hatte das Plastik-Stück rasch in einen Einsatzwagen verladen. Barth erklärt. „Das ist heute eine normale Fundsache.“
Gemeldet habe sich erwartungsgemäß niemand. Der Villinger Polizei-Chef hat sowieso seine Meinung zu dem Vorgang: „Das ist doch Müll-Entsorgung“, befand er schon am 5. August vor dem Bahnhof.
Wem schickt Thomas Barth nun die Abrechnung? Über die Verrechnungsstellen der Polizei wird der Einsatz in Stuttgart verbucht. Was bleibt da unter dem Strich übrig?
Im Villinger Polizeirevier macht Thomas Barth für den SÜDKURIER die Rechnung auf. „Eine halbe Beamten-Stunde berechnen wir mit 26 Euro “, erklärt er anhand der Gebührenordnung. Alles Weitere wird kompliziert. Es war am Bahnhof eine wechselnde Zahl von Beamten im Einsatz, zusätzlich wurden noch zum Schichtende Teile der Kräfte vor Ort ausgewechselt.

Barth rechnet und gleicht den vierstündigen Einsatz mit Tabellen ab: Beamte im Einsatz, Fahrzeugkosten. „An die 4000 Euro müssen wir ansetzen“, verkündet er dann das teils überschlägig kalkulierte Ergebnis. „Wir haben die ganz großen Kostenblöcke vermeiden können“, erklärt er die Summe. Kein Robotereinsatz, kein Spezialfahrzeug vor Ort, das mit einem Sattelschlepper angefahren werden musste, meint er damit.
Und bezahlen müsse die Zeche nun wer genau? Barths Antwort: „Wir alle, die Steuerzahler.“ Aber was wird aus dem Koffer? Restmüll, Sperrmüll oder doch ab damit in die Asservatenkammer? Ex und hopp gibt es bei der Polizei nicht. „Der Koffer kommt ins Fundbüro.“
Weshalb 5 Euro übrigbleiben
Thomas Barth hat das Behältnis bis heute in seiner Erinnerung abgespeichert. Seine überraschende Bewertung: „Der Koffer ist ja nicht wertlos. Eher ein günstigeres Stück, aber immerhin“, sagt er nach seinem Urlaub analytisch. Das heißt insgesamt? Der Koffer werde damit bei einer der folgenden Fundsachen-Versteigerungen der Stadtverwaltung unter den Hammer kommen. „Für fünf Euro geht der schon weg“, meint Thomas Barth. Das heißt in der Perspektive auch: Es bleiben 3995 Euro für die öffentlichen Kassen ungedeckt.

Den leeren Koffer stehen lassen und einen Großeinsatz auslösen, wie ist das rechtlich einzuschätzen. „Eine Straftat war das nicht“, ordnet Thomas Barth den Vorgang ein. „Aber eine Ordnungswidrigkeit“, so stellt er fest.
Und sollte der verschwundene Eigentümer des Koffers doch noch bekannt werden, so könne diesem jederzeit noch die Abrechnung zum Einsatz präsentiert werden, erklärt Barth abschließend entspannt. Seinen Koffer hat er erst vor einigen Tagen nach sonnigen Urlaubstagen zuhause ausgeräumt. Der Betrieb in der Wache hat ihn wieder. Polizistenschicksal: „Der Urlaubseffekt war rasch verdrängt“, sagt er vieldeutig.