Es sollte etwas richtig Innovatives werden, ein Klima-Vorzeigeprojekt mit Strahlkraft über die Grenzen von VS hinaus: Das Neubaugebiet Strangen 2 in VS-Schwenningen war als fortschrittliches Wohnareal geplant, in dem die stolzen Bewohner ihre schmucken Häuschen mit geringstmöglicher Umweltbelastung heizen – über einen Eisspeicher. Heute, viele Monate nach diesen ersten Planungen, ist in Strangen vor allem Ernüchterung eingekehrt.
Wohngebiet Strangen 2 im Frühjahr 2025: Auf vielen Flächen wuchert struppiges Gras, graue, staubige Sträßchen schlängeln sich hindurch. Dazwischen ragen immer wieder funkelnagelneue, schmucke Häuser auf, hübsche Gärtchen, ein paar Kinder sausen lachend mit den Fahrrädern vorbei. Das Neubaugebiet füllt sich, zwei Jahre nach dem Start, nur nach und nach. Lediglich sieben von 27 Grundstücken sind derzeit fertig bebaut.
Ein Wohntraum – oder doch nicht ganz?
Drei der weißen Neubauten gehören Britta und Michael Steinbrecher, Alexander Strauch und Anton Zander. Sie alle haben sich in Strangen 2 ihre Wohnträume erfüllt. Oder ist doch nicht alles so traumhaft hier?
„Wir haben Geld bezahlt für einen großen Betonkübel, viel Luft und Rohre“, bringt es Michael Steinbrecher auf den Punkt. Der Bauherr spricht über das Heizungssystem für das neue Haus. „Man hat hier überhaupt nur ein Grundstück bekommen, wenn man zuvor dafür einen Vorvertrag unterschrieben hat, egal, ob man ein Grundstück von der Stadt oder dem beauftragten Immobilienmakler erworben hat“, erklärt er. Steinbrecher, Strauch und Zander – und nahezu alle anderen Bewohner in dem Neubaugebiet – hängen an dem Eisspeicher, der das komplette Areal klimafreundlich mit Wärme versorgen soll.

Eigentlich. Denn dieser ist bislang noch immer nicht in Betrieb gegangen. In den Wintermonaten 2024/25 haben die Strangen-2-Bewohner also die Wärmepumpen in ihren Häusern auf eine Art Notbetrieb geschaltet und so für heimelige Wärme im neuen Zuhause gesorgt. Das heißt aber auch: Geheizt wurde statt über das innovative Wärmesystem komplett über Strom.
Verantwortlich für den Aufbau des kalten Nahwärmenetzes in dem Schwenninger Gebiet ist die Firma Belence Energy GmbH aus Röttenbach in Bayern. Belence betreibt mehrere kalte Nahwärmenetze in Norddeutschland und Bayern, darunter ein innovatives Eisspeicherprojekt in der Metropolregion Nürnberg. Warum also klappt es in Schwenningen bislang nicht mit der Zukunfts-Technologie?
Der Eisspeicher funktioniert so nicht
Wie aktuell bei so vielem liegt auch der Grund hierfür irgendwie in der allgemeinen Lage der Welt: Angesichts hoher Bauzinsen sowie stark steigender Baukosten läuft die Bebauung von Strangen 2 deutlich schleppender als ursprünglich von der Stadtverwaltung erwartet. „Der Behälter für den Eisspeicher ist fertig, er ist aber für 27 Häuser ausgelegt“, erklärt Thilo Jungkunz, Geschäftsführer von Belence, die Problematik.

Im Umkehrschluss: Hängen zu wenige Abnehmer daran, funktioniert die Technik nicht. „Dann kann keine Regeneration des Eisspeichers stattfinden“, erläutert Jungkunz. Dies bedeutet, dass irgendwann die gespeicherte Energie erschöpft sein könnte und keine Wärme mehr zur Verfügung steht, außerdem drohen Schäden.
So ganz versteht Thilo Jungkunz den Unmut der Strangen 2-Bewohner aber nicht: Belence übernehme für die sieben Haushalte die Kosten für Wärmepumpenstrom sowie Zählermiete komplett. Auch der Grundpreis, die Servicekosten sowie Wärmepumpen-Wartung seien bisher nicht in Rechnung gestellt worden. Jeder Haushalt habe so einen Kostenvorteil von über 1250 Euro. „Die sieben Häuser haben jetzt ein Jahr umsonst geheizt“, sagt Jungkunz.
Große Verwirrung rund um die Stromkosten
Ein Großteil der aktuellen und künftigen Bewohner weiß davon aber offenbar bislang nichts. Die Bewohner haben eine Whatsapp-Gruppe initiiert, über die sie sich austauschen. Eine Umfrage dort ergab jüngst, dass acht Teilnehmer nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Übernahme der Stromkosten haben. Lediglich einer bestätigte eine mündliche Information hierüber.
Sowieso, die Kommunikation. Diese ist mit der größte Kritikpunkt, den die Bauherren haben. „Wir bekommen keine Antworten, haben keine Ansprechpartner“, klagen sie. „Wir hätten wenigstens erwartet, dass wir auf dem Laufenden gehalten werden“, so Alexander Strauch. Auch eine angekündigte Internetseite mit aktuellen Informationen sei bislang nicht gestartet.
Nach einem Wechsel der Verantwortlichkeiten sei Geschäftsführer Jungkunz zu einem Antrittsbesuch vor Ort gewesen, erzählen die Anwohner. Er habe sich „entsetzt vom Status“ in Strangen 2 gezeigt und versprochen, sich schnell um Besserung zu kümmern. „Aber getan hat sich wieder nichts“, betont Michael Steinbrecher. Dies betreffe auch eine Teil-Inbetriebnahme des Systems, die der Belence-Chef damals in Aussicht gestellt habe.
„Wir sind in engem Austausch mit allen Eigentümern“, sagt dagegen Jungkunz. Noch im Mai werde es zudem eine Infoveranstaltung für alle Betroffenen geben, derzeit laufe die Suche nach einem geeigneten Termin.
Die Enttäuschung über die Stadt ist groß
Sehr enttäuscht zeigen sich Britta und Michael Steinbrecher aber auch von der Stadt Villingen-Schwenningen, von der sie ihr Grundstück einst gekauft haben. „Wir haben ein komplett erschlossenes Grundstück erworben, aber ohne funktionierende Heizung ist es das unserer Ansicht nach nicht“, ärgert sich Britta Steinbrecher. „Das Traurige ist, dass die Stadt uns dieses Heizsystem vorgeschrieben hat und uns jetzt damit allein lässt“, klagt auch Michael Steinbrecher.
„Da es sich hier um ein privates Vorhaben eines Investors handelt, der mit den dortigen Eigentümern private Verträge bezüglich der Wärmeversorgung über einen Eisspeicher geschlossen hat, können wir dazu leider keine Auskünfte von Seiten der Stadt geben“, sagt Stadt-Pressesprecherin Madlen Falke. Sie könne aber bestätigen, dass die Stadt mit dem Investor in Kontakt getreten sei.
Vor einigen Wochen war das Problem bereits Thema im Gemeinderat. War die Entscheidung für den Eisspeicher etwa ein Fehler? Dazu gibt es von Seiten der Verwaltung keine Auskunft.
Große Hoffnung für den nächsten Winter
Belence-Chef Jungkunz indessen macht nun Hoffnung für den kommenden Winter: Vier weitere Häuser in Strangen 2 würden bis dahin fertig – genug, um dann endlich den Eisspeicher in Betrieb nehmen zu können, hofft er. „Es ist der Zubau von weiterer Technik nötig, müsste aber funktionieren“, sagt er.