In einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper fordert Berthold kurz- und langfristige Maßnahmen, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern. Die beiden Spitzenpolitiker sieht er in der Verantwortung, „schnellstmöglich einzugreifen“, heißt es in dem Schreiben.

Oft keine „richtigen Lehrer“ mehr

Konkret bemängelt der Elternvertreter mehrere Punkte: Zum einen gebe eine wachsende Zahl von Pädagogen, die nicht ausgebildete Lehrer sind und zwei Staatsexamen abgeschlossen haben. Inzwischen werden auch eine wachsende Zahl von Quereinsteigern, so genannte „Nicht-Erfüller“ mitgezählt, die nicht zwei Staatsexamen vorweisen können. Personen, die auf Grund ihrer Bildung Wissen mitbringen, aber keine „richtigen“ Lehrer seien.

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„Auch werden bei der Lehrerversorgung Lehrer mitgezählt, welche gar nicht an der Schule unterrichten. So wird schwangeren Lehrkräften von ihrem Arzt ein Berufsverbot ausgesprochen und sie befinden sich zu Hause – Dauer der Abwesenheit unbestimmt. Aber mitgezählt als Lehrkraft an der Schule werden sie“, beklagt Tino Berthold. Ebenfalls mitgezählt würden, welche altersbedingt der Schule unter Pandemiebedingungen fernbleiben dürfen oder müssen.

Tino Berthold ist der Gesamtelternbeiratsvorsitzende von Villingen-Schwenningen.
Tino Berthold ist der Gesamtelternbeiratsvorsitzende von Villingen-Schwenningen. | Bild: Rodgers, Kevin

Ein weiterer Mangel: Viele Lehrer unterrichten „fachfremd“, also in Fächern, „in denen sie gar nicht ausgebildet wurden“. In diesem Fall spricht man von Fremdunterricht. Berthold fasst zusammen: „Wenn man also die „Quereinsteiger“ und die Lehrer, welche krankheitsbedingt oder schwangerschaftsbedingt fehlen, herausrechnet und auch die Lehrer richtig zählt, welche fachfremd unterrichten, kommen wir auf eine Lehrerversorgung weit unter 100 Prozent.“

Nach der Berechnung von Berthold fehlen bei einer „bereinigten Lehrerversorgung“ mit vollausgebildeten Kräften an den öffentlichen Schulen in Villingen-Schwenningen „etwa 20 bis 30 ausgebildete Lehrkräfte der verschiedenen Fachrichtungen“.

Der Gesamtelternbeiratsvorsitzende appelliert dringend an den Ministerpräsidenten und die Kultusministerin, dem Thema Lehrerausbildung Priorität einzuräumen. „Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, unseren Kindern eine Bildung zu gewährleisten, dass auch in Zukunft Baden-Württemberg das Land der Dichter, Denker und Erfinder bleibt. Nur mit Ausbildung der Lehrer und dem Unterrichten der Schüler können wir in der Pisa-Studie in einigen Jahren einen vorderen Platz erreichen.“

25 unbesetzte Lehrerstellen

Auf SÜDKURIER-Nachfrage teilt das Staatliche Schulamt in Donaueschingen mit, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich, das sind die Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen im Schwarzwald-Baar-Kreis, aktuell rund 25 unbesetzte Lehrerstellen gebe.

Weitere 23 Stellen sind derzeit „mit Personen besetzt, die nicht voll ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind“, schreibt die neue Leiterin des Schulamtes, Susanne Cortinovis-Piel. Sie weist darauf hin, dass diese Zahlen durch Einflüsse wie Erkrankungen, Schwangerschaften mit Beschäftigungsverboten ständig schwanken. „Der Fachkräftemangel spiegelt sich natürlich auch in der Lehrerbesetzung wieder“, bestätigt die Behördenleiterin.

Schwarzwald-Baar-Kreis besonders betroffen

Das Kultusministerium bestätigt auf SÜDKURIER-Anfrage, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis zu jenen Regionen zählt, in denen der Lehrkräftemangel „zu signifikanten Engpässen führt“. Dies betreffe aber nicht nur ländliche Regionen. Auch der Stadtkreis Stuttgart oder die Landkreise Böblingen und Esslingen hätten noch viele offene Lehrerstellen. „Der Lehrkräftemangel betrifft vor allem die Lehrämter Grundschule und Sonderpädagogik sowie in Teilen auch die Sekundarstufe I“, scheibt Reinhard Benedikt, Pressesprecher des Kultusministeriums. Die Unterrichtsversorgung werde außerdem durch die Pandemiesituation zusätzlich beeinträchtigt.

Nur 300 offene Stellen bei 93.000 Lehrern

Das Kultusministerium habe „mit einem ganzen Maßnahmenpaket auf die Herausforderung bei der Stellenbesetzung reagiert“. Damit sei es gelungen, die Zahl der noch offenen Stellen Schritt für Schritt auf zuletzt (Stand Ende September) landesweit etwa 300 zu reduzieren. „Bei insgesamt rund 93.000 Stellen im Schulbereich ist das ein vergleichsweise geringer Anteil“, heißt es vom Ministerium. Doch sei jede offene Stelle eine zu viel. So würden kurzfristig weitere Maßnahmen ergriffen, um die Personalsituation zu verbessern.

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Auch langfristig habe die Landesregierung reagiert und beispielsweise im Bereich der Grundschulen die Zahl der Studienanfängerplätze schrittweise deutlich erhöht: Von 970 Plätzen im Studienjahr 2015/2016 auf aktuell 1672 Plätze. „Hier beginnen die ersten Ausbauschritte mittlerweile bereits zu greifen. So verzeichneten wir bei der Einstellung 2021 hier im Vergleich zum Vorjahr über 100 Bewerberinnen und Bewerber mehr“, teilt das Ministerium mit. Dieser positive Trend werde über die kommenden Jahre anhalten.

Personallage bleibt angespannt

Da jedoch die geburtenstärkeren Jahrgänge von unten durch das System aufwachsen, so das Ministerium weiter, werde „der Schülerzahlenanstieg zunächst die umfangreichsten Zusatzbedarfe an den Grundschulen auslösen“. Fazit: „Deshalb wird auch in den nächsten Jahren die Lehrkräftegewinnung an den Grundschulen trotz ansteigender Absolventenzahlen zunächst noch angespannt bleiben.“