Herbert Kirner sitzt an seinem Wohnzimmertisch und rechnet. Die schwarz umrandete Brille auf der Nase, ein Blatt Papier vor ihm, das sich immer weiter mit Zahlen füllt. „Unterm Strich bleibt nicht viel übrig“, sagt er schließlich, legt die Brille auf den Tisch und schüttelt den Kopf.
Herbert Kirner ist 69 und Rentner. Auf dem Blatt Papier vor ihm hat er seine Finanzen aufgelistet. Ganz oben hat er sein Einkommen notiert – die Rente. Und davon zieht er ab: die Steuern, das Heizöl, die private Krankenversicherung, das Essen. Um nur einige Beispiele zu nennen. Sein Fazit: „Es geht ans Eingemachte.“
Der Rentner lebt in seinem Haus in Tannheim. Er ist alleinstehend, hat keine Kinder. Vor seinem Ruhestand hat er als er als Entwicklungsingenieur gearbeitet und Geld angespart. Er weiß, dass er also einige Privilegien genießt. Und trotzdem: „Finanziell wird es immer enger.“ Denn auch das Ersparte baue sich irgendwann ab. Wie muss es da, fragt er sich, anderen Rentnern gehen, die schlechter aufgestellt sind?
Im April kam der Schreck, als das Heizöl aufgefüllt wurde. Lag im vorigen Jahr der Preis bei 62 Euro pro 100 Liter, so hatte sich der Preis in diesem Jahr auf 135 Euro pro 100 Liter gesteigert. Bei einem Jahresbedarf von 4000 Litern macht das, so rechnet Kirner vor, 5400 Euro. Zuvor hatte er knapp 2500 Euro bezahlt. Das bedeutet – auf ein Jahr gerechnet – eine monatliche Mehrbelastung von etwa 240 Euro.
Viel Geld auf einen Schlag. Das außerdem, so sagt es Herbert Kirner, auch auf einen Schlag bezahlt werden musste. Die Idee, dafür einen Kredit bei der Bank aufzunehmen, zerschlägt sich schnell. Als Rentner hätte Kirner wie er erzählt, einen sogenannten Risikozuschlag zahlen müssen. Zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Zinsen. „Da wird man links liegen gelassen“, findet er.
„Da fühlt man sich verkackeiert.“Herbert Kirner, Rentner
Und dann ist da die Sache mit dem Einkaufen. Dass die Preise auch für Lebensmittel gestiegen sind sei das eine. Die eingeschränkte Mobilität und die wenigen Einkaufsmöglichkeiten auf dem Land das andere. Denn was bleibe ihm denn anderes übrig, als für den Wocheneinkauf in die nächstgelegene Stadt zu fahren? Dazu braucht Kirner sein Auto. Öffentlicher Nahverkehr? „Da fahre ich lieber selber“, sagt er und lacht. Zehn Kilometer hin, zehn zurück.
Michael Moser vom Seniorenrat Villingen weiß um die Ängste der Rentner: „Die Entwicklung macht allen Sorgen, egal, ob jemand eine große oder eine kleine Rente hat.“ Diejenigen, die jedoch wenig Rente bekommen, würden bereits jetzt am „letzten Hemd nagen“.
Was sich Herbert Kirner für Rentner in diesen Zeiten wünschen würde? „Ich habe keine Lösung und das macht mir Angst“, sagt er leise. Eine Lösung für das große Ganze hat der junggebliebene Ruheständler zwar nicht parat, doch er geht eigene, kleine Wege.
Einer davon führt in den Keller des Hauses, in seine Werkstatt. „Ich mache viel selber und repariere gerne“, verrät Kirner und zeigt auf ein schwarzes Paar Schuhe auf seiner Werkbank, eingespannt in einen Schraubstock. „Ich kann bestimmt 100 bis 200 Euro im Monat einsparen durch Reparaturen“, schätzt er stolz. Seien es Wasserleitungen, ein kaputtes Modem, oder eben Schuhe.

Herbert Kirner machen manche Dinge Angst, wenn er in die Zukunft blickt. Dass die Menschen immer engstirniger werden, die sozialen Medien den persönlichen Kontakt zueinander ersetzen und es finanziell immer enger wird. Und trotzdem möchte er nicht jammern. Denn: „Gesundheitlich geht es mir noch gut und ich profitiere von meinem Ersparten.“

Neben der Werkstatt ist Kirners Lieblingsplatz draußen am Teich. Den hat er selbst angelegt. „Wenn ich hier sitze, vergesse ich die Sorgen“, sagt er und lässt sich die Sonne auf das Gesicht scheinen. Für einen kurzen Moment schließt er die Augen und für einen kurzen Moment ist da nur der Teich, der Garten und ein Rentner an einem perfekten Tag.