VS-Villingen Die Villinger Baptisten (Evangeliums-Christen) mit ihrem Gebetshaus an der Rietheimer Straße feiern ihr 50. Jubiläum. Die Feier in der Neuen Tonhalle wurde mit Chorgesängen, Präsentationen und einem festlichen Gottesdienst begangen. In einem Interview berichten zwei der drei Ältesten der Glaubensgemeinschaft, Viktor Garbusow und Heinrich Felde, aus ihrem religiösen Leben.

Rückblickend auf 50 Jahre Glaubensgemeinschaft, was sind ihrer Meinung nach die evidentesten Veränderungen?

Viktor Garbusow: Nach der Übersiedlung aus der Sowjetunion bin ich als Kleinkind der Gemeinde beigetreten. Aus anfänglich 19 Mitgliedern wurden nunmehr 430. Dazu beitrug ein systematischer Aufbau der Jugendarbeit, was man auch als zentralen Punkt unserer Wandlung ansehen könnte. Mittlerweile haben wird zwölf Kinder- und Jugendgruppen, die nach Alter gestaffelt sind. Ab 16. Jahren ist man Jugendlicher, ab dem dritten Lebensjahr kann man der jüngsten Gruppe beitreten. Wesentlicher Aspekt der Jugendarbeit sind die Chöre. Die Entstehung etwa eines Kinderchors oder Gemeindechors waren wichtige Veränderungen in der Vergangenheit.

Nutzen sie auch neue und soziale Medien zur Reichweitensteigerung. Wie begegnet ihre Glaubensgemeinschaft der Digitalisierung generell?

Heinrich Felde: Wer uns finden möchte, wird sicher nicht zu den Gelben Seiten greifen. Wir präsentieren unsere Arbeit und Glaubensleben schlicht mit einer Internetpräsenz. Grundsätzlich sehen wir die sozialen Medien und das Internet als zweigleisiges Schwert, das auch zahlreiche Gefahren birgt. Wir halten es eher einfach mit unseren Webauftritten.

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen einem Baptisten und den anderen in Deutschland ansässigen Konfessionen wie Katholizismus oder Protestantismus?

Viktor Garbusow: Unsere Grundlage ist die Bibel, das Wort Gottes ist nicht veränderbar. Im Mittelpunkt steht Jesus Christus. Gestalten wie der Papst oder die Jungfrau Maria werden durchaus als große, geistliche Persönlichkeiten oder historische Existenzen wahrgenommen, stehen in unserem Glaubensleben aber im Hintergrund. Wesentlicher Unterschied ist die Glaubenstaufe als Beitritt zur Glaubensgemeinschaft, was das Privileg einer reiferen Persönlichkeit ist. Hier gibt es kein festes Alter, so etwa mit 16 Jahren wird sie vollzogen. Ein Glaubensbeitritt im frühen Jugendalter findet nicht statt.

Wie verhält sich ein religiöser Mensch im Unterschied zu etwa einem Atheisten anders im Alltag? Nehmen sie aus ihrem Gottesdienst auch praktisch etwas ins tägliche Leben mit?

Garbusow und Felde: Fleiß und Nächstenliebe sind wohl das Wichtigste. Man sollte sozial miteinander umgehen und vor allem arbeiten. Wir kriegen keinerlei finanzielle Zuwendungen seitens des Staates und erschaffen uns unseren Glaubensalltag mit den eigenen Händen. Das Gebetshaus ist 1975 auch komplett in Eigenleistung auf Spendenbasis entstanden. Uns ist es sehr wichtig, der Öffentlichkeit nicht auf der Tasche zu liegen. Die Familie spielt im Alltag sicher die wichtigste Rolle. Etwa 250 unserer 430 Mitglieder sind Kinder- und Jugendliche.

Gibt es aktuell bei ihnen in der Glaubensgemeinschaft wichtige Projekte?

Garbusow und Felde: Üblicherweise missionieren wir monatlich in der Villinger Innenstadt, indem wir versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen oder singen. Zunehmend wichtig für unsre Gemeinde wird die Außenmission. Verstärkt aktiv sind wir in Kirgistan, Tschechien oder der Slowakei. Hierbei handelt es sich nicht um geistigen Beistand, sondern um materielle Unterstützung wie etwa Mittel und Arbeitsleistung für ein Gebetshaus. Aktiv sind wir etwa in Kirgistan um den Raum des Yssyk-Köl oder der Hauptstadt Bischkek, in Tschechien in Kladno bei Prag. Einer Familie aus unseren Reihen haben wir eine Wohnung in der Slowakei gebaut, sie sind nun dort hin gezogen und sind von dort aus aktiv.

Wie sieht es mit der ethnischen Zugehörigkeit in ihren Reihen aus?

Viktor Garbusow: Der alte Kader waren hauptsächlich Russlanddeutsche. Die Kinder- und Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind alle hier geboren. Wir haben auch Italiener und sonstige Nationalitäten unter uns. Aber ja, wir haben etwa 80 bis 90 Prozent Russlanddeutsche.

Fragen: Alexander Hämmerling