Das Landgericht Konstanz hat am Donnerstag, 22. Mai, einen heute 68-jährigen, mehrfach vorbestraften Mann aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, davon ein Fall in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Zudem wurde eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.

Das nun gesprochene Urteil zieht den juristischen Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Serie von Straftaten, mit deren Folgen die Opfer noch ihr Leben lang zurechtkommen müssen. Das Leid der Opfer bewege auch die Richter, sagt Joachim Dospil, Vorsitzender Richter in dem Verfahren. „Mit der Zeit lernt man aber, das Leid nicht mit nach Hause zu nehmen.“

Opfer wird ruhiggestellt

Insgesamt war der Mann in 208 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagt. In Wohnungen in Villingen und einer Umlandgemeinde hatte er sich mehr als 100 Mal an seiner Enkelin sowie an der Enkelin seiner Lebensgefährtin vergangen. Letztere hatte er im Sommer 2024 sogar mit einem Beruhigungsmittel ruhig gestellt, womit der Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt war.

Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre mehr

Mit achteinhalb Jahren Gesamtstrafe blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von elf Jahren und die Sicherungsverwahrung gefordert hatte. In ihre Forderung hatte die Staatsanwaltschaft eine vorherige Bewährungsstrafe des Mannes einbezogen.

Der Fall, der an vier Terminen vor dem Konstanzer Landgericht verhandelt wurde, hatte teils verstörende Verstrickungen innerhalb der Familie ans Licht gebracht, wie sich in den Aussagen zeigte: Eine heute 21-Jährige, die beim Missbrauch ihrer Cousine teilweise im selben Bett lag, wollte nichts bemerkt haben; drei der vier Töchter hatten im Zeugenstand betont, der Angeklagte haben ihnen nie etwas getan.

Tochter: „Ich glaube das immer noch nicht“

Eine der Töchter, heute 39 Jahre alt, sagte aus, sie „glaube das immer noch nicht“ – selbst, nachdem Richter Joachim Dospil gesagt hatte, dass der Mann ein umfassendes Geständnis abgelegt habe.

Der Angeklagte habe nicht nur den Geschädigten Leid zugefügt, sondern auch seinen Familienangehörigen und den Angehörigen der Opfer, ...
Der Angeklagte habe nicht nur den Geschädigten Leid zugefügt, sondern auch seinen Familienangehörigen und den Angehörigen der Opfer, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Dospil in seiner Urteilsverkündung. | Bild: Silas Stein/dpa

Der Angeklagte hatte sich für seine Taten wohl auch die verworrenen Familienverhältnisse für seine Taten zu Nutze gemacht. Er war zwei Mal verheiratet, aus jeder Ehe gingen zwei Kinder hervor, so dass sich ein komplexes Beziehungsgeflecht ergeben hatte.

Erster bekannter Fall im Jahr 1986

Der 68-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt: So hatte er sich schon vor Jahrzehnten des Missbrauchs schuldig gemacht, wobei die meisten Taten verjährt sind. Der erste dokumentierte Fall geschah 1986, als er im familiären Umfeld seiner ersten Frau einer damals Elfjährigen mehrfach in den Schritt griff, wie die Frau vor der zweiten Strafkammer aussagte.

Nichts wissen, nichts sagen

Damals habe sie zwar ihrer Mutter von den Übergriffen erzählt, die davon wiederum der damaligen Frau des Angeklagten berichtete. Doch das blieb ohne Konsequenzen: Darüber sei nicht geredet worden, sagte das Opfer vor Gericht aus. Sätze, die in den Verhandlungen immer wieder fielen: Darüber habe man nicht gesprochen, hiervon habe man nichts gewusst.

Gutachter sieht hohes Rückfallrisiko

Insgesamt waren 17 Zeugen und zwei Sachverständige geladen. Darunter ein Sexualmediziner, der dem 68-Jährigen einen hohen Schweregrad der Pädophilie bescheinigte. Er hatte sich zehn Stunden lang mit dem Angeklagten befasst und war zu dem Schluss gekommen, dass von ihm ein hohes Risiko für weitere Taten ausgehe, weshalb er sich für eine Sicherungsverwahrung aussprach. Echtes Schuldbewusstsein, Scham und ein Veränderungswille seien indes nicht zu erkennen.

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Ins Rollen gekommen war der Prozess, nachdem er sein jüngstes Opfer im vergangenen Sommer betäubt und missbrauchte hatte.

Opfer vertraut sich Klinikpersonal an

Das Mädchen konnte danach seine Großmutter verständigen und wurde – unsicher auf den Beinen und mit Schwindel – ins Schwarzwald-Baar-Klinikum eingeliefert. Dort ergaben Laboruntersuchungen, dass das Kind Beruhigungsmittel genommen hatte.

Nach mehreren Tagen stationärer Behandlung im Schwarzwald-Baar-Klinikum wurde das Mädchen in der Luisenklinik weiterbehandelt, wo sie sich dem Fachpersonal anvertraute.

Elfjährige muss erneut in Behandlung

Wie Richter Joachim Dospil in der Urteilsverkündung sagte, musste die heute elfjährige Geschädigte erneut in einer Klinik behandelt werden, weil sie suizidale Gedanken habe.

„In der Verhandlung haben wir Geschädigte gehört, die zwischenzeitlich fast 50 Jahre alt sind und unter Tränen von sexuellen Übergriffen berichtet haben, die sich vor 40 Jahren ereignet haben“, so der Richter. Die Folgen sexuellen Missbrauchs würden sich bei Opfern erst nach vielen Jahren zeigen.

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Wie Dospil sagte, sei der Mann bereits 2022 wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Gericht habe ihm damals die Weisung erteilt, keinen Kontakt mehr mit Minderjährigen zu haben.

Mutter ignoriert Kontaktverbot

Die erziehungsberechtigte Mutter, die von dem Kontaktverbot wusste, habe ihn dennoch gebeten, auf ihre Kinder aufzupassen. „So kam es zu den neuen Missbrauchstaten. Das alles ist einfach nur schrecklich.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.