Selbstständigkeit bedeutet Freiheit, aber auch Risiko. Beides kann man am Beispiel einer Musikschule wie unter einem Brennglas sehen – jedenfalls wenn man sich mit Barbara und Markus Hebsacker unterhält. Beide betreiben seit 25 Jahren in der Villinger Thomasgasse die private Musikschule Musik im Zentrum. Und sie sind beide überzeugte Vertreter der Freiberuflichkeit im Musikunterricht.
Im Unterschied zu einer Festanstellung gebe die Freiberuflichkeit ihm „die Flexibilität, die ich brauche“, sagt Markus Hebsacker. Ihr eigenes Modell sei ein Zusammenschluss von Freiberuflern, sagt seine Frau Barbara. Und er ergänzt: „Wir koordinieren, aber niemand ist weisungsgebunden.“ Dadurch können Lehrer durchaus auch mal auf eine Konzertreise gehen und ihre Unterrichtsstunden dann zu anderen Terminen nachholen.
Und seine Frau sagt, dass sie auch unregelmäßigen Unterricht organisieren würden, etwa für Erwachsene, die beruflich stark eingespannt sind, aber trotzdem Musik machen wollen.
Musiklehrer haben mehrere Standbeine
Vor der eigenen Musikschule habe er mit dem kürzlich verstorbenen Gerhard Schempp die Musikschule am Franziskaner betrieben, erzählt Markus Hebsacker. Mit einer Handvoll Leute sei es dann im Jahr 2000 in der Thomasgasse losgegangen. Mittlerweile seien 15 Musiklehrerinnen und -lehrer dort angedockt. Und: „Alle haben mehrere Standbeine“, sagt Markus Hebsacker, zum Beispiel mit Teilanstellungen an der Musikakademie VS oder der Trossinger Musikhochschule. Er selbst war mal freier Mitarbeiter der SÜDKURIER-Redaktion in Villingen, hat über Konzerte und das Kulturleben berichtet.
Allein diese Beschreibung zeigt schon die zweite Dimension der Freiberuflichkeit: das Risiko. Hebsacker sagt es unumwunden: „Wir sind ein Luxusgut.“ Wenn der Nachwuchs mal ein paar Wochen nicht übe, komme bei den Familien von selbst die Frage auf, ob man nicht beim Musikunterricht sparen könne.
Zudem sind Musikschulen abhängig von den Rahmenbedingungen. Die Einführung des achtjährigen Gymnasiums habe man beispielsweise gespürt, sagt er. Und seine Frau spricht die Ganztagsbetreuung in Grundschulen an: „Ein Erstklässler, der um 16.30 Uhr nach Hause kommt, lernt danach nicht noch Geige.“
Und Markus Hebsacker hat dazu auch eine politische Aussage parat: Leider gelinge es in Baden-Württemberg nicht, den Instrumentalunterricht richtig in den schulischen Kontext einzubinden, auch nicht im Ganztagsbetrieb.
Verband sieht Nachholbedarf auch bei Schulfächern
Auf die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium setzen die beiden Musiklehrer große Hoffnungen, aber auch der Tonkünstlerverband (DTKV) Baden-Württemberg, bei dem Markus Hebsacker auch Vorsitzender für den Bereich Villingen-Schwenningen ist. „Kinder und Jugendliche haben dadurch hoffentlich auch wieder mehr Zeit für individuellen und qualifizierten Musikunterricht am Nachmittag“, schreibt Geschäftsführer Ralf Püpcke auf Anfrage.
Er sieht auch Nachholbedarf für die Fächer Musik und Kunst im Schulunterricht. Die Beschäftigung damit wirke sich nicht nur positiv auf die Persönlichkeit aus, sondern auch auf die Ergebnisse in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern.
Urteil zu Freiberuflern beschäftigt die Branche
Doch ein Risiko für Musikschulen steckt auch im sogenannten Herrenberg-Urteil. Darin hat das Bundessozialgericht im Juni 2022 festgestellt, dass eine auf Honorarbasis tätige Musikschullehrerin eigentlich sozialversicherungspflichtig sei – ein Urteil, das für großes Aufsehen vor allem bei Musikschulen und Volkshochschulen gesorgt hat. Die Musikakademie Villingen-Schwenningen musste ihre Lehrkräfte bereits fest anstellen. Ähnlich ist die Lage bei der Volkshochschule.
Markus Hebsacker sieht durch das Urteil die Freiberuflichkeit im Instrumentalunterricht indes in Gefahr. Die Kriterien, nach denen ein Musikschullehrer angestellt werden müsse, seien in seinen Augen total überzogen.
Schon ein Instrument zur Verfügung zu stellen, werde als Zeichen von Scheinselbstständigkeit gewertet, sagt er. Für einen Klavierlehrer werde es allerdings ziemlich schwierig, sein eigenes Instrument zum Unterricht mitzubringen.
Nun müssten sich die Musikschulen neu aufstellen – und in dieser Hinsicht unterstütze sie der Dachverband der freien Musikschulen, der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg, bei dem Hebsacker auch selbst Regionalvorsitzender für Villingen-Schwenningen ist. Und er ist froh darum, dass es vorerst eine Übergangsregelung gibt. Diese haben Bundestag und Bundesrat beschlossen.
Auch der Dachverband DTKV begrüße diese Übergangsfrist, schreibt der Landesgeschäftsführer Püpcke. Der Verband wolle beides: „Ausbau der Festanstellungen bei gleichzeitiger Ermöglichung von selbständiger Tätigkeit.“
Musik gemacht wird bei Musik im Zentrum aber natürlich auch. Die Schülerinnen und Schüler seien zwischen zehn Monate und 93 Jahre alt, erzählen Barbara und Markus Hebsacker.
Und als eine Spezialisierung ihrer Musikschule nennen sie ihre Familienkonzerte. Dahinter verbergen sich nicht Konzerte für Familien, sondern Konzerte von Familien: Die Familien spielen miteinander, die Musikstücke würden sie so arrangieren, wie die einzelnen Musikerinnen und Musiker ihre Instrumente spielen können, erzählen Barbara und Markus Hebsacker. Und er sagt: „Das ist sehr aufwendig, aber das Feedback ist großartig.“