Wenn dieser Tage über die Zukunft des Abendgymnasiums Villingen-Schwenningen diskutiert wird, ist viel von Zahlen, Zuschüssen und Zumutungen die Rede. Die Schülerzahlen sind niedrig, die Zuschüsse ungewiss und die Zumutungen für den städtischen Haushalt hoch.
Um die 1,3 Millionen Euro, so hat Amtsleiter Stefan Assfalg in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Jugend und Bildung und Soziales rasch errechnet, könnte die Stadt eine Fortführung der Schule für die nächsten drei Jahre kosten – wenn die Mindestschülerzahlen weiterhin unterschritten und folglich Landeszuschüsse gestrichen werden sollten.
Ein Hoch auf die Bildung
Nun betonen Verwaltung und Gemeinderat immer wieder die Bedeutung von Bildung, was zum Bekenntnis führt, auf diesem Feld eigentlich nicht sparen zu wollen. Eigentlich. Doch je konkreter die Dinge liegen, desto schwieriger die Entscheidungen und desto löchriger die allgemeinen Bekundungen zur Bedeutung von Bildung.
Die Brachialvariante, die Schließung des Gymnasiums zum neuen Schuljahr, scheint vom Tisch. Und dennoch regt sich Widerstand – und das von zwei Seiten.
Elena Kieselbach, aktuell Schülern am Abendgymnasium mit dem Wunsch, dort Abitur zu machen, und Michael Fritzer, ehemaliger Absolvent der VS-Einrichtung in Sachen zweiter Bildungsweg, haben sich zu Wort gemeldet.
Schülerin entsetzt
Elena Kieselbach, seit zwei Jahren Schülerin am Abendgymnasium, ist entsetzt angesichts der drohenden Schließung der Einrichtung. „Die Nachricht, dass die Schule geschlossen werden soll, trifft mich und viele andere mitten in einem entscheidenden Lebensabschnitt“, sagt die 23-Jährige.

Wie Elena Kieselbach berichtet, arbeitet sie derzeit in einem Beruf mit geringen Aufstiegschancen, weshalb sie sich dazu entschlossen hat, den steinigen Weg des zweiten Bildungsweges zu beschreiten.
„Das Abitur ist für mich der Schlüssel zu einem Studium und damit zu einem Beruf, der nicht nur besser bezahlt ist, sondern mir auch echte Perspektiven bietet“, betont die Schülerin des Abendgymnasiums.
Besonders erschütternd sei, dass die Stadt allen Ernstes Alternativen in Freiburg oder Stuttgart vorschlage. Tägliche Fahrzeiten von zwei bis vier Stunden hält sie für unzumutbar, wenn man zusätzlich noch berufstätig sei.
Auch hat sie Zweifel daran, dass sich ihre Mitschüler ein Pendeln über so lange Distanzen finanziell leisten könnten.
Weg zum Abitur verbaut
Überhaupt hat sie bei der Kritik an den Plänen der Stadt nicht nur sich im Blick: „Eine Schließung bedeutet also in der Realität, dass die meisten von uns ihr Abitur nicht abschließen können.“ Sie appelliert an den Gemeinderat, nicht nur auf die Zahlen zu schauen, sondern auf die einzelnen Menschen, für die ein Abendgymnasium der Schlüssel für eine bessere Zukunft sei.
„Ich kämpfe für die Chance auf ein besseres Leben, um mir eines Tages auch für meine zukünftige Familie ein stabiles, sicheres Umfeld bieten zu können“, sagt sie. Wenn das Abendgymnasium jetzt geschlossen werde, stehe all das auf dem Spiel.
Um ihrer Kritik Nachdruck zu verleihen, hat sie kurzentschlossen eine Online-Petition gestartet, um Unterschriften gegen die Schließung des Abendgymnasiums zu sammeln, und zwar auf dem Portal change.org (dort auffindbar mit den Begriffen „Abendgymnasium Villingen-Schwenningen“).
„Wir wollen lernen. Wir kämpfen für unsere Zukunft. Bitte lassen Sie uns diesen Weg zu Ende gehen“, so ihr eindringlicher Appell. Innerhalb weniger Tage hat sie auf diesem Weg bereits 314 Unterschriften gesammelt (Stand Donnerstag, 15.30 Uhr).
Appell eines Ehemaligen
Unterstützung erhält sie auch von einem Ehemaligen, der als Musterbeispiel dafür dienen kann, welche Chancen der zweite Bildungsweg eröffnet. „Seit 1997 bin ich als Arzt in VS tätig. Diese Möglichkeit hat mir das Abendgymnasium gegeben“, schreibt Michael Fritzer, Mediziner mit Doktortitel. Diese Einrichtung jetzt einfach abzuschaffen, ist seiner Meinung nach nicht richtig.
Er hofft darauf, die Einrichtung „auf Sparflamme“ weiter betreiben zu können. „Natürlich muss die Stadt sparen. Aber wir müssen allen Menschen die Chance geben, auch lange nach dem offiziellen Schulabschluss einen höheren Abschluss nachzuholen“, fordert Fritzer.
Er berichtet davon, selbst lange als Hauptschüler im Leben unterwegs gewesen zu sein. Fünf Berufsausbildungen habe er erfolgreich abgeschlossen, bevor ihn im Alter von 34 noch einmal neuer Ehrgeiz packte. „Abi 90! Und danach habe ich Medizin studiert“, so beschreibt er seinen windungsreichen Weg in den Beruf.
Wie Fritzer berichtet, habe er in seinem Jahrgang einen bekannten Mitschüler gehabt: Jürgen Roth. Der Oberbürgermeister berichtete in der Ausschusssitzung davon, wie hilfreich dieses Angebot für ihn gewesen sei.