Tula, die rund 200 Kilometer südlich von Moskau gelegene Metropole mit über einer halben Million Einwohnern, definiert sich besonders stark über das Militärische: Sie ist eine wichtige Garnisonsstadt der russischen Armee und gilt seit über 300 Jahren als ein Zentrum der russischen Rüstungsindustrie. Grund sind die bedeutsamen Erzvorkommen in der Region, die schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts für eine industrielle Waffenproduktion genutzt wurden.

Kalaschnikow und Sportwaffen

In Friedenszeiten werden von diesen Betrieben auch immer wieder alternativ Güter des zivilen Bedarfs hergestellt. Doch die Waffenproduktion läuft bis heute. Gästen werden gerne Sport- und wertvolle Jagdwaffen gezeigt. Doch in Tula, so heißt es, wurde und wird auch das weltberühmte Sturmgewehr Kalaschnikow mit dem Typen AK 47 und AK 74 produziert. Doch was heute im Einzelnen aus der Waffenproduktion herauskommt, ist aus offiziellen Quellen nicht zu erfahren.

Eine Kalaschnikow AK-74 (Automat Kalaschnikow 74). Diese Schnellfeuerwaffe soll ebenfalls in der Waffenindustrie in Tula produziert werden.
Eine Kalaschnikow AK-74 (Automat Kalaschnikow 74). Diese Schnellfeuerwaffe soll ebenfalls in der Waffenindustrie in Tula produziert werden. | Bild: Carsten Rehder

Allerdings scheint die Rüstungsindustrie nach wie vor ein höchst bedeutender Wirtschaftsfaktor zu sein. So schrieb die „Neue Züricher Zeitung“ vor fünf Jahren, dass die Schwerindustrie nach wie vor der wichtigste Wirtschaftszweig der Region sei und rund ein Viertel aller Arbeitskräfte in der Region beschäftige. „Über hundert Betriebe schmelzen im Stadtgebiet bis heute Metalle, produzieren Panzerabwehrwaffen, Präzisionsgewehre und Schiffskanonen für Hunderte von Millionen Franken“, berichtete die Zeitung.

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Von der durch Präsident Putin in den vergangenen Jahren forcierten Aufrüstung der russischen Armee habe auch die traditionsreiche Waffenfabrik Tula, die heute zum russischen Mega-Rüstungskonzern Rostec gehöre, erheblich profitiert. Sie habe die Zahl ihrer Beschäftigten alleine zwischen 2015 und 2016 um einen Viertel erhöht.

Überall Militär

Dazu kommen Tausende, die für die Armee und deren Ausbildungsstätten arbeiten. Vor einigen Jahren wurde in Tula ein neues Internat für Kinder und Jugendliche eröffnet, die auf eine militärische Karriere vorbereitet werden. Davor steht nach dem Zeitungsbericht ein Denkmal für die „grünen Männchen“ – jene russischen Soldaten ohne Hoheitszeichen, die 2014 in einem militärischen Handstreich die Halbinsel Krim von der Ukraine annektierten.

Tulaner Luftlandetruppen auf der Krim

Laut russischen Medien sollen Luftlandetruppen aus Tula während dieser Militäroperation auf der Krim angeblich eine zentrale Rolle gespielt haben. Der Gouverneur der Verwaltungseinheit Tula, Alexei Djumin, soll maßgeblich an dem Coup beteiligt gewesen sein. Er gilt als Vertrauter Putins und diente diesem als Leibwächter und stellvertretender Verteidigungsminister.

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Manche Bürger fragen sich schon, ob es unter diesen Vorzeichen angemessen ist, mit dieser Stadt weiterhin freundschaftliche Verbindungen zu pflegen. Ein Thema, das auch in anderen Kommunen mit russischen Partnerstädten diskutiert wird.

Baden-Baden protestiert scharf

So hat beispielsweise die Stadt Baden-Baden, die schon seit über 200 Jahren enge und besondere Verbindungen nach Russland pflegt, seine Städtepartnerschaft mit dem russischen Sotschi, der Stadt der olympischen Winterspiele von 2014, auf Eis gelegt und eine offizielle Protestnote nach Sotschi geschickt.

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Ebenso wurde die Partnerschaft mit Jalta auf der Halbinsel Krim, die 2014 von Russland gewaltsam annektiert wurde, von Baden-Baden jetzt vollständig beendet.

So sieht es die VS-Politik

Soweit wollen die Verantwortlichen in Villingen-Schwenningen nicht gehen. Man dürfe nicht die Menschen für die Handlungen der politischen Führung bestrafen, betont Oberbürgermeister Jürgen Roth auf SÜDKURIER-Anfrage.

Stadtrat Klaus Martin (CDU): „Ich würde die Partnerschaft mit Tula im Moment noch nicht aufgeben“
Stadtrat Klaus Martin (CDU): „Ich würde die Partnerschaft mit Tula im Moment noch nicht aufgeben“

Er steht mit dieser Meinung auf der politischen Entscheidungsebene nicht alleine da. „Ich würde die Partnerschaft mit Tula im Moment noch nicht aufgeben“, sagt auch Klaus Martin abwägend. „Wir haben durch diese Partnerschaft die Chance, die Menschen in Russland zu informieren, was in der Ukraine passiert“, argumentiert der CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. Sollte die Lage noch weiter eskalieren, schließt er allerdings einen Abbruch der Beziehungen nicht aus.

Hoffnung auf die Zeit nach Putin

„Wir sollten offen gegenüber den Menschen bleiben“, findet Edgar Schurr, der SPD-Fraktionsvorsitzende, der die Partnerschaft von Anfang an mitverfolgt hat und zweimal in Tula war. Es sei immer gut, wenn Völker auf zwischenmenschlicher Ebene in Kontakt miteinander bleiben und gegenseitiges Verständnis für einander entwickeln können. Und dies sollte man sich jetzt nicht völlig verbauen. Schurr: „Es wird ja auch eine Zeit nach Putin geben.“

Edgar Schurr: „Es wird ja auch eine Zeit nach Putin geben.“
Edgar Schurr: „Es wird ja auch eine Zeit nach Putin geben.“ | Bild: SK

Noch keine abschließende Meinung zu diesem Thema hat Joachim von Mirbach, der Fraktionschef der Grünen. Er stellte fest, dass der Austausch mit Tula ohnehin schon seit einigen Jahren „ziemlich flach liegt“. Derzeit sei es sicher richtig, den Austausch ruhen zu lassen.

Besser den Flüchtlingen helfen

Ob Protestnoten oder ein Beziehungsabbruch richtig sei, ließ er offen. Sinnvoller sei es, dass die Stadt etwas für die Aufnahme der Flüchtlinge tue. In diesem Sinne lobte er explizit die Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Jürgen Roth, der sich führzeitig darum gekümmert habe, dass das leerstehende ehemalige Altenheim Heilig-Geist-Spital für Flüchtlinge hergerichtet wird.