Husten, Schnupfen, Magen-Darm: Die herbstliche Infektwelle ist bereits angelaufen. Für viele Familien in Villingen-Schwenningen heißt es auch 2024 wieder, dass sie die Krankheits-Saison ohne Kinderarzt bestreiten müssen – weil sie keinen haben.

Ab Oktober muss selbst bezahlt werden

Und die Situation verschärft sich nochmals: Der Schwenninger Kinderarzt Stefan Rösler behandelt nach Querelen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV) ab Oktober nur noch Privatpatienten und Selbstzahler.

So wie die Kinder von Debora Gedenk aus Schwenningen, die neun Monate alte Malea und die fünfjährige Emilia. Die 36-Jährige hatte sich nach einer neuen Praxis umgesehen, als bekannt wurde, dass Röser plant, seine Kassenzulassung zurückzugeben.

„Was ist denn mit den Familien, die das nicht bezahlen können?“
Debora Gedenk, zweifache Mutter aus Schwenningen

Einen Platz in der Kinderarztpraxis im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Spaichingen nahm die Familie dann letztlich nicht an, weil Stefan Röser seine Praxis zunächst doch als Kassenarzt weiter betrieb. Die Hoffnung, dass sich die Situation entschärfen würde, hat sich aber über den Sommer zerschlagen.

Erst selbst Patientin, jetzt mit ihren Töchtern

„Ich kenne Dr. Röser, seit ich selbst noch als Teenager bei ihm war und für mich war immer klar: Wenn ich einmal Kinder habe, gehen wir zu ihm“, sagt Debora Gedenk. Das werde sie auch weiterhin tun – und die Rechnungen selbst übernehmen.

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Ein Unding, findet sie. „Was ist denn mit den Familien, die das nicht bezahlen können? Gibt es da Hilfen?“ Die Situation frustriere sie sehr. „Dr. Röser ist so ein toller Arzt.“ Dass er von der KV bestraft werde, weil er zu viel arbeite – für sie nicht nachvollziehbar. Zumal sich die kinderärztliche Versorgung in VS schon seit der Schließung der Praxis von Christoph Leonhardt Ende 2021 verschärft hat.

Auch in Spaichingen ist kein Platz mehr

Die Kinderarztpraxis im Spaichinger MVZ nehme mittlerweile keine neuen Patienten mehr auf, schildert sie. Sie sehe auch nicht ein, noch weiter weg nach einem Kinderarzt zu schauen: „Wenn ich die Benzinkosten einrechne, kann ich das Arzthonorar auch selbst bezahlen“, sagt die Mutter.

Reaktion der Politik bleibt aus

Gedenk ist auch selbst aktiv geworden, hat die Kassenärztliche Vereinigung angeschrieben und sogar Gesundheitsminister Karl Lauterbach bekam eine Mail von ihr. Die sei unbeantwortet geblieben. Von der KV bekam Debora Gedenk immerhin eine Rückmeldung.

Die übliche Antwort, die auch bei Journalisten-Anfragen stets gegeben wird: Die KV habe die Regeln nicht gemacht, die kämen von der Politik. Ihr war es dennoch wichtig, sich zu Wort zu melden: „Wie sollen die oben was ändern, wenn von unten kein Druck kommt?“

Bei der Stadt schrillen die Alarmglocken

Dass Handlungsbedarf – nicht nur bei der kinderärztlichen Versorgung – besteht, weiß man auch bei der Stadt Villingen-Schwenningen. „Die traurige Wahrheit, dass in VS nicht genügend Kinderärzte zur Verfügung stehen, macht mich ebenso betroffen und besorgt mich“, sagt Oberbürgermeister Jürgen Roth.

Ein Glück, wenn Kinder nur einen Schnupfen haben, der schnell auskuriert ist. Denn Kinderärzte sind im Schwarzwald-Baar-Kreis – wie ...
Ein Glück, wenn Kinder nur einen Schnupfen haben, der schnell auskuriert ist. Denn Kinderärzte sind im Schwarzwald-Baar-Kreis – wie viele andere Fachärzte – Mangelware. | Bild: Göbel, Nathalie

Schon die erste Ankündigung Stefan Rösers habe die Alarmglocken schrillen lassen. Er habe sich schon damals sofort mit verschiedenen Akteuren in Verbindung gesetzt, darunter Landrat Sven Hinterseh, die KV und auch die Verantwortlichen des Schwarzwald-Baar-Klinikums.

MVZ könnte die Lage verbessern – nicht nur bei Kinderärzten

Seit Monaten sei die Stadt im Hintergrund damit beschäftigt, verschiedene Lösungsansätze zu verfolgen. Einer heißt Medizinisches Versorgungszentrum, womit man auch auf die besorgniserregende Entwicklung bei den Hausärzten und verschiedenen Fachärzten reagieren könne.

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Dazu stehe die Stadt mit einer Beratungsfirma in Kontakt, die dabei helfen werde, die Voraussetzungen für ein MVZ zu schaffen. „Die Perspektiven auf Räumlichkeiten sind gegeben und machen uns Hoffnung“, so Roth.

Womöglich kommt ein neuer Kinderarzt

Nicht außer Acht gelassen werden dürfe dabei die personelle und rechtliche Komponente: Die Umsetzung eines MVZ benötige vor allem die Bereitschaft von Ärzten, einzusteigen und zu praktizieren. Erste Gespräche habe es bereits gegeben, und aktuell hätten sich weitere gesprächsbereite Mediziner aufgetan. Außerdem gebe es Signale, dass sich ein neuer Kinderarzt niederlassen möchte.

Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart.
Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart. | Bild: Jürgen Altmann

Die Möglichkeit dazu besteht. Bei den amtlichen Ausschreibungen der KV finden sich für den Schwarzwald-Baar-Kreis zwei Kinderarztsitze. Eine ist für eine Einzelpraxis zum bald möglichsten Zeitpunkt. Eine weitere richtet sich an eine Berufsausübungsgemeinschaft – sprich: eine Gemeinschaftspraxis – ab 1. Januar 2025.

Immerhin: Der Kreis ist nicht überversorgt

Nach aktuellem Stand gilt der Schwarzwald-Baar-Kreis auch nicht als überversorgt, sagt Kai Sonntag, Sprecher der KV Baden-Württemberg. Das bedeutet: Wenn sich für die beiden Arztsitze niemand findet, würden sie nicht verfallen. Allerdings kann der Sitz dann kreisweit besetzt werden, nicht zwingend in der Gemeinde der Vorgängerpraxis.