Wo mache ich meine Kreuze bei der Wahl für den Gemeinderat? Vor dieser Frage stehen die Wähler wieder am 9. Juni. Um die Entscheidung vorausschauend zu treffen, hilft oft der Blick zurück. Was haben die Parteien und Wählervereinigungen bewirkt, wo sind sie mit der Umsetzung ihrer Wahlversprechen gescheitert?

Wir haben die Fraktionen im Gemeinderat Villingen-Schwenningen angeschrieben und ihnen jeweils die identischen Fragen gestellt. Die Antworten haben wir redaktionell bearbeitet.

Was war die wichtigste Debatte für Ihre Fraktion?

Für die AfD waren nach eigenen Angaben die Haushaltsdebatten in den vergangenen fünf Jahren am wichtigsten. Durch den vom Regierungspräsidium genehmigten Haushalt werden, so die AfD, die Pfeiler eingeschlagen für die jeweils folgenden zwei Jahre nach der Haushaltsverabschiedung und die große Linie für die kommenden fünf Jahre durch die mittelfristige Finanzplanung festgelegt.

Der Haushaltsplan 2024/2025 für Villingen-Schwenningen, die Haushaltsdebatten waren für die Fraktion der AfD die wichtigsten in den ...
Der Haushaltsplan 2024/2025 für Villingen-Schwenningen, die Haushaltsdebatten waren für die Fraktion der AfD die wichtigsten in den vergangenen fünf Jahren, weil hier jeweils die Pfeiler für die nachfolgenden zwei Jahre eingeschlagen werden. | Bild: Block, Andreas

Welches Thema führte innerhalb Ihrer Fraktion zu den heftigsten Diskussionen?

„Die AfD-Fraktion führte stets sachliche und konstruktive Debatten und in ganz seltenen Fällen, in denen inhaltlich kein Konsens gefunden wurde, haben wir auf einen Fraktionszwang verzichtet“, schreibt Fraktionsvorsitzender Olaf Barth dazu.

Ein Beispiel für Diskussionen innerhalb der AfD ist die Freiflächenphotovoltaik, wie hier im Zollhaus, auf bisher landwirtschaftlich ...
Ein Beispiel für Diskussionen innerhalb der AfD ist die Freiflächenphotovoltaik, wie hier im Zollhaus, auf bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Die Fraktion habe auf eine Abwägung im Einzelfall gesetzt. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Besonders der Flächenverbrauch zu Ungunsten der Landwirtschaft und für die Ausweisung neuer Baugebiete habe die AfD-Fraktion umgetrieben. Junge Familien sollen die Möglichkeit für den Bau eines Eigenheims haben, andererseits sei der Flächenverbrauch in VS zu groß. Ein weiteres Beispiel für Diskussionen sei die Freiflächenphotovoltaik auf bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Die Fraktion habe auf eine Abwägung im Einzelfall gesetzt.

Wo lagen für Ihre Fraktion die Schwerpunkte in den vergangenen fünf Jahren?

Die AfD-Fraktion stand und steht für eine schlanke und digitalisierte Verwaltung ohne Stellenzuwachs, die Verwendung von Haushaltsmitteln vorwiegend für investive Ausgaben und gegen die Erhöhung von kommunalen Steuern, schreibt Olaf Barth.

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Die Prioritäten bei freiwilligen Aufgaben: Schulsanierung, Schaffung von Kita-Plätzen, Investition in Straßen, Brücken und Breitband, Stärkung des Kommunalen Ordnungsdienstes, Einsatzbereitschaft der Feuerwehr, Schaffung von bezahlbarem und sozialem Wohnraum sowie Umsetzung des Museumsquartiers Bürk.

Was war der größte Erfolg für Ihre Fraktion?

Der größte Erfolg für die AfD sei die Anerkennung, die sie durch das kommunale Engagement und durch eine emotionsfreie Sacharbeit bei den Bürgern und der Verwaltung der Stadt erworben habe, teilt Barth mit. Diese Anerkennung sei auch über die Grenzen der Stadt hinaus zu spüren. „Somit konnten wir in den vergangenen fünf Jahren dem Anspruch gerecht werden, eine Alternative zu der Lobbypolitik der Alt-Fraktionen zu bieten“, erklärt Olaf Barth.

Was war die größte Niederlage?

Bezahlbarer Wohnraum, wie er im Gebiet Oberer Brühl entstehen soll, hält die AfD für wichtig.
Bezahlbarer Wohnraum, wie er im Gebiet Oberer Brühl entstehen soll, hält die AfD für wichtig. | Bild: Hans-Jürgen Götz

„Wir haben uns mit einem Änderungsantrag dafür eingesetzt, die Ausschreibung beim Bauvorhaben Oberer Brühl weniger restriktiv, flexibler, unbürokratischer und marktgerechter zu gestalten.“ Die Mehrheit im Gemeinderat habe sich für laut AfD überzogene Auflagen entschieden. Das Projekt hält die Partei damit für nicht umsetzbar. Das Angebot an sozialem Wohnungsraum ist gleichgeblieben und eine Erweiterung des Angebotes nicht absehbar, die Nachfrage dagegen stark gestiegen.

Wo sieht Ihre Fraktion noch dringenden Handlungsbedarf, den sie in den vergangenen Jahren nicht durchsetzen konnte?

Durch Regelungen der EU, des Bundes und des Landes reichten die Mittel der Kommunen nicht mehr dazu, die Pflichtaufgaben zu erfüllen. Durch Bürokratieabbau, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz müssten nach Ansicht der Fraktion Effizienzgewinne erzielt werden, um dem stetigen Personalaufbau der Verwaltungen entgegenzuwirken.

„Wir brauchen ein Wohnraumentwicklungskonzept für den Bau von Mietwohnungen und Eigentumswohnungen, besonders aber auch für den Bau von sozialem Wohnraum“, betont die AfD. Konsequenterweise müsse der Zuzug von illegalen Zuwanderern „mit ihren meist großen Familien“ begrenzt werden, findet die AfD.

Den Klimawandel hält Olaf Barth für nicht menschengemacht. Baustandards und Klimaauflagen wie KfW 40 seien daher unverhältnismäßig, weil bei geringem Nutzen gegenüber KfW 55 zu hohe Kosten anfielen.

Welche Themen brachte die Fraktion selbst auf die Agenda?

Die Fraktion habe einen Rücktritt vom Beschluss des Klima-Notstands und den Austritt aus der Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen“ gefordert. Außerdem habe sich die Fraktion für die Schaffung von Hundezonen und Hundeauslaufplätzen – mit freiem Auslauf ohne Leine – in der Innenstadt eingesetzt. Das sollte zusätzlich älteren Menschen mit Einschränkungen der Mobilität soziale Kontakte verschaffen. Alle Beschlussanträge der AfD-Fraktion seien abgelehnt worden, räumt die Fraktion ein.

Olaf Barth und Martin Rothweiler (von links) in einer Gemeinderatssitzung in der Neckarhalle am 29. Januar 2020 bei der Abstimmung über ...
Olaf Barth und Martin Rothweiler (von links) in einer Gemeinderatssitzung in der Neckarhalle am 29. Januar 2020 bei der Abstimmung über die Verlegung der Stolpersteine, die die AfD abgelehnt hat. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Wo würden sie sparen im Haushalt, und wo auf keinen Fall?

Die Deckelung der Gesamtverschuldung in den kommenden fünf Jahren auf 175 Millionen Euro bedeute im Ergebnis immer noch eine Steigerung auf das Siebenfache. Das hält der Fraktionsvorsitzende für unverantwortlich. Allein der Personalhaushalt mache ein Drittel des jährlichen Budgets aus. „Hier muss gespart werden“, sagt Barth.

Bei der Beteiligung an Großveranstaltungen wie der Deutschlandtour müsse die Stadt mehr Zurückhaltung üben. Die Förderung der Kunsteisbahn (KEB) kritisiert die Fraktion ebenfalls als kostenträchtig, ein zentrales Sportbad für 50 Millionen Euro könne sich die Stadt nicht leisten.

Das Rössle als Verwaltungsstandort wertet die AfD Notlösung aus Beton und ohne Herz. Das Bürk-Areal nicht zum Museumsareal zu machen, sei eine kurzsichtige Fehlentscheidung gewesen. „Hier hätte auf keinen Fall gespart werden dürfen“, findet der Fraktionsvorsitzende.

Sparpotenzial gibt es für die AfD bei den Integrationsleistungen für Zuwanderer, keine dauerhafte Bleibeberechtigung haben. Außerdem gebe unzählige kleinere Förderungen und Ausgaben für gesellschaftliche Gruppen, die im Ergebnis eine große Summe ergeben.

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister? Wie mit dem Baubürgermeister?

Das Verhältnis der Fraktion zu Oberbürgermeister Jürgen Roth und Bürgermeister Detlev Bührer wertet die Fraktion als geprägt von professioneller Sachlichkeit. Allerdings lasse sich der OB von den Grünen treiben. „Es fehlt an neutraler Amtsführung“, so die AfD. „Nicht zuletzt bei seinem autoritären Gehabe während Corona und seiner öffentlichen Positionierung gegen die AfD bei einer vom Linksblock initiierten Kundgebung im Januar 2024.“ Bürgermeister Detlev Bührer sei stets sachlich, sehr gut informiert und souverän im Umgang auch mit heiklen Themen.

Welche drei Themen sind für die Fraktion in der kommenden Legislaturperiode wichtig?

Was die letzten Jahrzehnte versäumt wurde, werde den Gemeinderat noch weit über die nächste Legislaturperiode beschäftigen.

• Allein die Instandhaltung der Straßen und Brücken geht in die Richtung von ein bis zwei Milliarden Euro, eine Summe, die die Doppelstadt rein rechnerisch nicht einmal innerhalb von drei ganzen Generationen stemmen kann, schreibt die AfD.

• Seit zehn Jahren fehlen hunderte KiTa-Plätze und es werde immer wieder beschwichtigt. Dabei stieg das Defizit zuletzt auf über 500 Plätze.

• Die Themen Schulen, Ärzte, Wohnraum und Pflege im Alter sind für die AfD wichtig. Die Stadtgesellschaft werde sich die nächsten Jahre darauf konzentrieren müssen, die wirklichen Kernaufgaben zu lösen, anstatt „links-grünen Fantasien und Parolen“ zu folgen.