„Hallo Ruth! – Hallo Andre! Hallo Ralf! – Hallo Andre!“: In der Bücherinsel kennt man sich. Inhaber Andre Baumgartner sitzt hinter seinem kleinen Verkaufstisch, beantwortet Fragen. Er kann aus dem Stand sagen, welches Buch er im Sortiment hat und welches nicht – und das bei einem Bestand von etwa 6000 bis 7000 Exemplaren, die er auf den 150 Quadratmetern im Laden in der Niederen Straße ausgestellt hat.

Schluss im Mai 2026

Viele seiner Stammkunden kommen herein und sagen: „Ich habe gehört, dass...“. Baumgartner weiß schon, was dann kommt. Dass er nämlich seinen Laden schließen wird.

Noch ist es nicht soweit, doch der Mietvertrag für die Räumlichkeiten in der Niederen Straße 40 ist für Ende April 2026 gekündigt, so dass dieses Unterkapitel des Villinger Einzelhandels dann beendet ist. Zuvor hatte auch die Inhaberin der Buchhaltestelle in Villingen angekündigt, dass sie sich aus dem Geschäftsbetrieb zurückziehen will – sie hofft allerdings noch auf einen möglichen Nachfolger, der die Buchhandlung übernehmen könnte.

Baumgartner ist ohne Groll. Nein, am Vermieter liege es bestimmt nicht. Er sei ihm auch in schwieriger Zeit entgegengekommen. In ganz besonders schwieriger Zeit, müsste man wohl dazu sagen, den leicht war es praktisch nie. „Ich bin seit etwa 20 Jahren im Krisenmanagement“, sagt er und lacht dabei.

Besonderes Verhältnis zu den Kunden

Besonders heikel wurde es aber während der Corona-Zeit, als der stationäre Einzelhandel allgemein mächtig in Gefahr geriet. Für die Bücherinsel floss die staatliche Unterstützung, zudem konnte diese Zeit durch eine private Spendenaktion überbrückt werden.

Die finanzielle Hilfe einzelner Kunden während der Krise wirft ein Licht auf die Beziehung zwischen den Käufern und dem Verkäufer, die oftmals viel mehr ist als ein bloßes Geschäftsverhältnis.

Corona war ein Einschnitt

Doch die Zeit der akuten Krise mündete in eine schleichende, wie der Betreiber der Bücherinsel sagt: Die Umsätze reichten längst nicht mehr an jene heran, die er vor der Pandemie verzeichnen konnte.

„Vor Corona hatte der Laden eigentlich den Durchbruch geschafft“, erinnert sich Baumgartner. Doch seitdem registriert er deutlich rückläufige Verkaufszahlen.

So summierten sich die viele kleine Dinge zum großen Problem: die Parksituation in der Villinger Innenstadt, die Hinwendung der Kundschaft zum Online-Handel und die Kaufzurückhaltung für den Luxusartikel Buch in Zeiten steigender Kosten in fast allen Lebensbereichen.

Andre Baumgartner hinter der Verkaufstheke der Bücherinsel in der Niederen Straße. Ende April 2026 wird er dort ausziehen. In der Hand ...
Andre Baumgartner hinter der Verkaufstheke der Bücherinsel in der Niederen Straße. Ende April 2026 wird er dort ausziehen. In der Hand hält er sein Lieblingsbuch – einen ledergebundenen Band aus dem Jahr 1854 mit dem Titel „Die Augensalbe“. | Bild: Markus Schmitz

Im Frühjahr, als dann eine weitere Verschlechterung der Bilanzen eintrat, beschloss Baumgartner für sich, einen Schlussstrich zu ziehen.

Acht Jahre war er an diesem Standort, nachdem er zuvor sein Geschäft 20 Jahre in der Rietstraße und zuvor in der Rietgasse betrieben hatte.

Eine besondere Beziehung zum Buch

Zum Buch hat Baumgartner schon immer ein besonderes Verhältnis – „vor allem zum alten Buch“, wie er sagt. Aufgewachsen in einer Lehrerfamilie war er umgeben von Regalen, auf denen Werke aus vielen Epochen aufgereiht standen.

Schon in ganz jungen Jahren schlug er seinen Stand auf Flohmärkten auf, wie er berichtet. Beruflich beschritt er zunächst einen anderen Weg, wurde Sozialpädagoge und arbeitete für acht Jahre mit behinderten Kindern in einem Schwenninger Kindergarten.

Ein anderer Berufsweg

Schon damals betrieb Baumgartner einen Buchladen, was ihm neben seinem angestammten Beruf Zwölf-Stunden-Arbeitstage bescherte, wie er sich erinnert.

Dann folgte die Entscheidung, ganz auf den Bücherverkauf zu setzen. Mit der Zeit verschoben sich die Akzente: Der Verkauf der alten Bücher brachte nicht mehr so viel ein, dafür gab es Zuwächse im Bereich des modernen Antiquariats, also im Segment neuer Bücher, deren Ladenpreisbindung aufgehoben wurde oder die als Mängelexemplare ausgewiesen werden.

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Bücherliebhaber und Bücherjäger

Immer noch kommen die Menschen zu ihm, die ihm nach Haushaltsauflösungen Bücher verkaufen wollen. Doch nach dem Bertelsmann-Buchclub-Sortiment aus den 70er- und 80er-Jahren kräht heute kein Hahn mehr.

Baumgartner berichtet davon, dass seine freundliche Ablehnung und sein Rat zum Wegwerfen oft auf Befremden stößt. Die Aussage „Ich kann aber keine Bücher wegwerfen“ kann er nicht mehr hören, obwohl er sie im Grunde seiner Seele nachvollziehen kann. „Ich bin ein Bücherliebhaber und ein Bücherjäger“, sagt er.

In den frühen Jahren haben ihn zwei Betreiber Freiburger Antiquariate mit dem Rat und Tat zu Seite gestanden, berichtet er, später vertraute er dann auf sein Gespür für das Buch: „Das war mir irgendwie in die Wiege gelegt“.

Während Baumgartner erzählt, kommt die Kundin Patricia Achterberg zur Kasse. Schon zu ihrer Schulzeit war sie oft im Büchergeschäft, um zu stöbern und zur Ruhe zu kommen, erinnert sie sich.

Sie bedauert die angekündigte Schließung. „Hier gibt es Bücher, die findet man sonst nirgendwo“, sagt die langjährige Kundin.

Minuten zuvor hat Alexander Lees vom benachbarten „Sport Bubi“ vorbeigeschaut. „Der Mann ist Legende“, sagt er über Andre Baumgartner. Auch er bedauert den Rückzug und wünscht viel Glück für alles Weitere.

Patricia Achterberg (links) ersteht bei Andre Baumgartner ein altes Exemplar der „Flegeljahre“ von Jean Paul. Sie kommt immer wieder in ...
Patricia Achterberg (links) ersteht bei Andre Baumgartner ein altes Exemplar der „Flegeljahre“ von Jean Paul. Sie kommt immer wieder in die Bücherinsel und bedauert, dass dieses moderne Antiquariat Ende April 2026 schließt. | Bild: Markus Schmitz

Eine mögliche Alternative

Ganz aufhören will Baumgartner freilich nicht. In der Schulgasse – dort, wo er jetzt ein Außenlager betreibt – soll der Verkauf womöglich in kleinerem Stil und mit eingeschränkten Öffnungszeiten weitergehen. Sicher ist das noch nicht; es braucht noch Genehmigungen.

Aber sich so ganz aus dem Buchgeschäft zurückzuziehen, kann sich Andre Baumgartner dann doch nicht vorstellen.