So etwas hatten alle Anwesenden bei der feierlichen Eröffnung des Villinger Bahnhofs wohl noch nicht erlebt. Während der Ansprache von Oberbürgermeister Jürgen Roth am Dienstag gegen 11.15 Uhr vor rund 30 geladenen Gästen aus Politik und seitens der Bahn wurde im Hintergrund erstmals ein junger Mann auffällig, der im Vorbeigehen eine Zigarette auf den Boden schnippte. So hat es der SÜDKURIER vor Ort beobachtet.

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Ein Gast, es war Stadtrat Olaf Barth von der AfD, wies den jungen Mann in der Folge zurecht, seinen Müll gefälligst im Mülleimer zu entsorgen, was dieser dann offenbar auch tat. „Der Kerl hat provoziert. Bis hierher aber nicht weiter schlimm“, schildert Barth rückblickend seine Sichtweise gegenüber dem SÜDKURIER.

Die Köpfe der Anwesenden drehten sich schnell zurück auf Redner Jürgen Roth. In dessen Hintergrund tauchte wenig später aber wieder dieser junge Mann auf, der sich der Veranstaltung jetzt von anderer Seite genähert hatte. Er machte den Anschein, mit dem Verhalten von Barth nicht einverstanden zu sein, rappte unverständliche Sätze und gestikulierte abwertend in Richtung der Gäste.

Rappen über Kiffen und Ungerechtigkeiten

Nach der Rede von Roth boten die Anwesenden dem jungen Mann daher an, am Rednerpult seinen Ärger laut und öffentlich zu formulieren. Diese Gelegenheit nutze er prompt und rappte über das Kiffen und Ungerechtigkeiten, drehte wild an den Reglern herum. Konkret wurde er aber dabei aber nicht, sodass einige Anwesenden ihn aufforderten, das Mikrofon wieder freizugeben. Sie versuchten ihn sanft und langsam vom Pult wegzuschieben. Dem widersetzte sich der Störer mit seinem Körpergewicht, hielt sich am Mikrofon fest.

Nach Tritt wird zugeschlagen

In der Folge kam auch Olaf Barth herbei. „Ich habe ihn dreimal nett aufgefordert, das Pult zu verlassen, was er aber nicht tat“, erinnert er sich. Als er im Gerangel dann einen Fußtritt an die Kniescheibe vom Störer abbekommen habe, habe er im Affekt reagiert und selbst zugeschlagen.

Das Rednerpult stürzte im Gerangel um. Der junge Mann verlor seine Mütze und wurde immer wütender, beleidigte nun gezielt Barth, aber auch andere Gäste. Durch mehrere Personen ließ sich der Störer erneut abdrängen. Die Eröffnung ging daraufhin weiter ihren Gang. In Gedanken waren viele Gäste aber sicher noch beim eben erlebten Vorfall.

Michael Groh (links), Leiter Regionalbereich Südwest bei der DB Station&Service AG, sowie Bundestagsabgeordneter Marcel Klinge von der ...
Michael Groh (links), Leiter Regionalbereich Südwest bei der DB Station&Service AG, sowie Bundestagsabgeordneter Marcel Klinge von der FDP bauen das Rednerpult wieder zusammen. | Bild: Fröhlich, Jens

Und erneut kehrte der junge Mann zurück. Nun machte die Bahn von ihrem Hausrecht Gebrauch und zwei Sicherheitsmitarbeiter versuchten ihn von der Veranstaltung fernzuhalten, was jedoch nicht lange glückte. Er bahnte sich im Sprint seinen Weg in die Besucherschar, wo sein Vorstoß von Sicherheitskräften mit einem Knebelgriff und einem Anruf bei der Polizei jäh und endgültig gestoppt wurde.

Wenig später trafen Polizeibeamte ein und verhörten den jungen Mann vor dem Bahnhofsgebäude und nahmen seine Personalien auf. Dort war von seiner Aufregung nicht mehr viel zu sehen, offenbar hatte er sich beruhigt und machte keine Anstalten mehr auszubrechen.

Mit dem Eintreffen der Beamten beruhigt sich der Mann scheinbar und gibt der Polizei Auskunft über den Vorfall.
Mit dem Eintreffen der Beamten beruhigt sich der Mann scheinbar und gibt der Polizei Auskunft über den Vorfall. | Bild: Fröhlich, Jens

Auf SÜDKURIER-Nachfrage bei der Bundepolizei in Weil am Rhein, die für solche Angelegenheiten im Bereich des Bahngeländes zuständig ist, gab es am Dienstag noch keine Informationen zum Vorfall und zu den Ermittlungen. Frühestens Mittwoch oder Donnerstag sei mit einer offiziellen Stellungnahme zu rechnen, so ein Sprecher.

Ein Mitarbeiter der Bahn wurde bei der Verfolgung oder dem Festhalten aber offenbar leicht verletzt. Ob auch der Störer beim Gerangel verletzt wurde, ist bislang nicht bekannt – die Polizei machte jedoch Fotos von seinen Händen, wahrscheinlich um mögliche Verletzungen zu dokumentieren.

OB Jürgen Roth sagte nach dem offiziellen Teil, dass er so einen Vorfall noch nicht erlebt habe. „Das ist einfach nur schade für die Veranstaltung, die eigentlich ein positives Signal hätte sein sollen“, so Roth. Michael Groh als Mitveranstalter bedauerte den Vorfall ebenfalls und sprach von Störung und Sachbeschädigung.

Sicherheitsbeamte versuchen den Störer von der Veranstaltung fern zu halten.
Sicherheitsbeamte versuchen den Störer von der Veranstaltung fern zu halten. | Bild: Fröhlich, Jens

Das sagt Stadtrat Olaf Barth zum Vorfall

Stadtrat Olaf Barth teilte mit etwas Abstand mit: „Es tut mir leid für die Veranstaltung und die Stadt.“ Sein Einschreiten in dieser Situation verstehe er als Zivilcourage. „Ich hätte ja gar nicht vorgehen müssen. Als junger Soldat habe ich aber gelernt einzuschreiten, wenn Unrecht geschieht“, so der Stadtrat.

Sein Handeln bedauert er auch nicht. Die Situation habe sich durch das Verhalten des Störers leider so entwickelt, die Schläge seien im Affekt passiert nach einem Fußtritt. „Das hat weh getan“, so Barth. Verletzt sei er nicht. Für ihn ist klar, der junge Mann sei zufällig vor Ort gewesen und habe den Konflikt durch sein Verhalten provoziert. Auch ist er überzeugt, dass der Mann unter Drogen gestanden habe und eine Show habe abziehen wollen. Eine Bestätigung dieser Annahme seitens der Polizei gibt es jedoch nicht.

Mehrere Anwesend hatten versucht den jungen Mann friedlich dazu zu bewegen, das Rednerpult wieder zu verlassen, nachdem er seine Chance ...
Mehrere Anwesend hatten versucht den jungen Mann friedlich dazu zu bewegen, das Rednerpult wieder zu verlassen, nachdem er seine Chance vertan hatte, sein Anliegen vernünftig vorzutragen. Dabei kam es zu den Schlägen. | Bild: Fröhlich, Jens