Über Jahre war unklar, was sich an der Villinger Webergasse 5 entwickeln könnte. Ein betagter Eigentümer hatte zuletzt kaum noch Kraft, sich aktiv um die Fortentwicklung der Adresse zu kümmern. Mit dem Ableben des Mannes im Frühjahr 2021 wurde die Situation noch schwieriger, es gab kein Testament.
Aber es gab einen Interessenten. David Read. Er stammt aus Wales und über eine Bekannte fand er den Weg nach Villingen. „Im November 2017 war ich zum ersten Mal in der Webergase, das war abends bei einem Jazzkonzert“, erinnert sich der 67-Jährige.

Der Mann aus dem Südwesten Großbritanniens erlag der besonderen Club-Atmosphäre in Villingen. Er gesteht: Jazz hörte er von Kinderbeinen an, „bei meinen Eltern zuhause lief schon immer Glenn Miller“, schildert er. Und: „Mein Elternhaus stand 100 Meter vom Bahnhof entfernt, das erste was ich als Kind hörte, war vermutlich das Schnaufen der Dampfloks“, scherzt er.
Jazz und Eisenbahn begleiten ihn bis heute. Es war ein völliger Zufall, dass David Read eines Tages im Schwarzwald in ein Vereinshaus geriet, in dem zwei Vereine seine Leidenschaften hoch halten.
Bis David Read im Februar 2022 Eigentümer an der Webergasse wurde, gab es noch ein monatelanges Hin und Her, berichtet er. Sachverständige, Kaufpreis-Verhandlungen und, und, und.
Bis heute ist Read, wie er selbst sagt, „noch nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen“ – die Behörde habe seit Jahren Zeitverzug. „Aber wir waren beim Notar und das Geld ist geflossen.“
David Read ist im Herzen von Villingen angekommen. Zwischen Rietgasse und Färberstraße hat nun an der Vereinsadresse ein echter Liebhaber das Sagen.
Dem Mann aus dem Vereinigten Königsreich gehört nicht nur das Gebäude, in dem Jazzclub und den Eisenbahn-Verein logieren. Er hat ein weiteres Gebäude gekauft. Es liegt eine Türe weiter in Richtung Färberstraße.
„Das ist das Kauz-Haus“, sagt David Read und erklärt angesichts des stutzenden Zuhörers sofort: „Der Kauz bin ich.“ Er meint damit auch, dass er das Refugium bereits für sich in Beschlag genommen hat. „Im Februar habe ich die Schlüssel bekommen und seither bastle ich hier“, schildert er.

Seine Pläne: Im Erdgeschoss will er eine Bar einrichten. Im ersten Stock ist die Vewendung noch ungeklärt und unter dem Dach möchte er seine private Modelleisenbahn aufbauen. Willkommen im neuen Kauz-Haus.
Die Adresse hat eine erkennbare Geschichte. 1905 erbaut, sei an der Webergasse 5 zunächst Schnaps gebrannt worden, legt er sein Wissen aus Gesprächen mit dem Denkmalschutzamt offen. Zwischen den beiden Gebäuden habe sich früher ein 25 Meter hoher Schornstein der Brauerei befunden. „Vermutlich verlief hier auch eine kleine Gasse“, glaubt er aus alten Aufzeichnungen herausgelesen zu haben.

Was David Read wiederum nicht wusste: An der Webergasse waren früher die ersten Villinger Autohäuser ansässig, zum Beispiel BMW und Opel. David Read aber hat im Boden des Garagenbereichs gegraben und dort eine alte Montagegrube entdeckt, die mit Erde und Schutt sowie einer Abdeckung verschlossen war. Er habe sich schon gewundert, weshalb er in einem der Räume eine uralte Hinterrad-Aufhängung gefunden habe.
Zu der Automobil-Vergangenheit an dieser Villinger Stätte passt wiederum David Read mit seinen Hobbys perfekt. Er sammelt auch alte Motorräder. „Geländemaschinen wie Bultaco“, erzählt er. Weil er außerdem auch ein Faible habe für alte Flipper-Automaten und Musikboxen wird ihm nicht bange, wie er seine künftigen Räume einrichten könnte.
Im Obergeschoss der Webergasse 5 hat er bereits herrliche Räume mit großen Industriefenstern entrümpelt. Alte Schränke und Kommoden stehen da ebenso wie uralte Türen. David Read will diese Stücke weiterverwenden. Er sammelt aktuell auch alte Fliesen, die er in den Häusern findet, lagert sogar Bruchstücke davon ein.
David Read lernte in Wales den Beruf des Elektromechanikers. Ab 1971 und bis 1983 arbeitete er in dieser Branche, „zuletzt als Leiter des Beschaffungswesens“, präzisiert er. In der Nähe von London habe er sich weitere Kenntnisse in seinem Metier angeeignet, „bevor ich in die Pharma-Industrie und hier in den Software-Bereich wechselte“. Hoffmann-LaRoche sei dann in England sein Arbeitgeber geworden. Für fünf Jahre sei er schließlich an den Hauptsitz des Konzerns nach Basel gewechselt, von wo aus er dann privat den Weg nach Villingen gefunden habe.

Der neue Eigentümer geht in seinen Häusern geschäftig ein und aus. Er bastelt, wie er das nennt. Neue Leitungen für Strom und Wasser hat er schon verlegt, die Raumplanung steht nun im Detail an. Und vom 8. bis 11. September hat er Feiertage. Dann startet in Villingen das kleine Fesival Jazz in the Black Forest. Der Auftakt ist im Jazzkeller. Webergasse 5, mit dem Valeria Maurer Quartett und sicherlich mit David Read, dem neuen Eigentümer des Hauses.