Erstmals seit dem Mauerfall vor 30 Jahren werden am 10. September in ganz Deutschland wieder die Alarmsirenen ertönen. Es findet der erste bundesdeutsche Warntag statt, eine Aktion des Zivilschutzes. Ob in der Doppelstadt ebenfalls flächendeckend Sirenen zu hören sind, ist indes noch allerdings fraglich. „Wir würden gerne mitmachen“, sagt Michael Reimer, der stellvertretende Leiter des Amts für Feuerwehr, Brand und Zivilschutz. „Wir müssen aber erst noch prüfen, welche Sirenen es noch gibt und welche noch funktionieren.“

Ein Relikt aus vergangenen Zeiten wird wieder entdeckt: Die alten Luftschutzsirenen bekommen wieder Bedeutung für den Zivil- und ...
Ein Relikt aus vergangenen Zeiten wird wieder entdeckt: Die alten Luftschutzsirenen bekommen wieder Bedeutung für den Zivil- und Katastrophenschutz. Hier die Sirene auf dem Rathaus Marbach. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Viele Sirenen ausgemustert

Am 10. September sollen in ganz Deutschland um 11 Uhr die Sirenen aktiviert werden. Die Generation, die noch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erfahren haben, kennt die heulenden Sirenen natürlich noch von der Warnung vor Luftangriffen. Etwas jüngere Menschen können sich noch erinnern, dass es früher jeden Samstag um 12 Uhr ohrenbetäubende Alarmproben der Sirenen ab. Und bei Bränden riefen die Sirenen die Feuerwehrleute zum Einsatz. Mit dem Ende des Kalten Krieges verloren die Luftschutzsirenen ihre Bedeutung, mit der Umstellung auf Funkmeldeempfänger wurden sie auch für die Feuerwehren wertlos. Deshalb bot der Bund den Kommunen bereits vor Jahren an, die Sirenen für Zivilschutzzwecke zu übernehmen. Viele Städte haben davon keinen Gebrauch gemacht. Aber immerhin: Von einst rund 70 000 Sirenen sollen noch immer 35 000 vorhanden sein.

 

Wert wiederentdeckt

Inzwischen haben die Experten für den Zivilschutz den Wert der Sirenen wieder entdeckt. Zum einen, weil sich die weltpolitische Lage seit 1990 wieder verschlechtert hat. Zum anderen wuchs die Einsicht, dass die neuen, auf Funk und Internet basierenden Warnmöglichkeiten allein wahrscheinlich nicht ausreichen würden, um die Bevölkerung vor großen Gefahrenlagen schnell zu warnen. Etwa vor großen Bränden, radioaktiven Verstrahlungen, Chemieunfällen, Stromausfälle, Krankheitserregern oder Naturgefahren. Sollten beispielsweise Hacker die Stromversorgung lahm legen, könnte eine akustische Alarmierung die wirkungsvollste Warnmöglichkeit für die Bevölkerung sein.

Alle Warnmittel im Einsatz

Deshalb hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) diese bundesweite Probewarnung organisiert. Ausgelöst werden alle an das Modulare Warnsystem (MoWaS) angeschlossenen Warnmittel, wie beispielsweise Radio, Fernsehen, die Warn-App NINA und weitere Warn-Apps. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass Kommunen, die über Sirenen verfügen, diese eigenständig und zeitgleich auslösen. „Vorrangiges Ziel des bundesweiten Warntags ist es, die Menschen im Land noch stärker für das wichtige Thema Warnung der Bevölkerung zu sensibilisieren und ihnen Informationen zu Hintergründen, Abläufen und Warnkanälen an die Hand zu geben. Denn nur, wer eine Warnmeldung wahrnimmt und einordnen kann, kann sich in Gefahrensituationen richtig verhalten, und sich und seine Familie schützen“, so das Innenministerum des Landes. Daher soll der bundesweite Warntag künftig jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden. Gleichzeitig dient der Warntag dazu, die vorhandenen technischen Systeme zur Warnung flächendeckend zu testen und zu prüfen, an welcher Stelle sie noch weiterentwickelt werden können.

Kostspielige Modernisierung

Der flächendeckende Einsatz der Sirenenanlagen in Villingen-Schwenningen ist aber fraglich. Seit dem sie für die örtliche Feuerwehr ihre Bedeutung verloren haben, wurden sie nicht mehr systematisch instandgehalten. In der Zeit, als Markus Heinzelmann noch Feuerwehrkommandant war, wurden die Sirenen zum letzten Mal auf ihren Zustand überprüft. Der Anstoß kam vom Zivil- und Katastrophenschutz. Das ist schon einige Jahre her. Damals wurde der Finanzbedarf für die Modernisierung der Anlagen auf rund 400 000 bis 500 000 Euro beziffert.

Kein Geld im Etat

Angesichts der desolaten städtischen Finanzlage ist nach Einschätzung von Michael Reimer vom Amt für Feuerwehr, Brand und Zivilschutz an eine Modernisierung der Sirenen gegenwärtig nicht zu denken. „Das Thema ist damit aber nicht vom Tisch“, betont er. Es sei nicht auszuschließen, dass die Einrichtungen aus Gründen des Zivilschutzes in einigen Jahren wieder reaktiviert würden. Wie viele Sirenen kurzfristig betriebsbereit gemacht werden können, kann er nicht sagen. Dies werde derzeit überprüft. Zumindest eine Sirene, weiß er, sei noch voll einsatzfähig. Und das ist die auf dem Rathaus Pfaffenweiler.

Die gängigen Warnsysteme

Neben Alarmsirenen kann die Bevölkerung in einem großflächigen Katastrophenfall noch über zahlreiche weitere Medien informiert werden. Das ist vor allem dann wichtig, wenn das Telefon, Handy oder der Fernseher nicht mehr funktioniert. Folgende Warnmittel gibt es in Deutschland:

Sirenen: In vielen Städten und Gemeinden gibt es Sirenenanlagen, über die bei Gefahrenlagen die Bevölkerung gewarnt werden kann.

Warn-App NINA: Über die Warn-App können Warnmeldungen und Entwarnungen aus verschiedenen Warnsystemen (MoWaS, BIWAPP und KATWARN) empfangen werden, ebenso Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes und Hochwasserwarnungen des Hochwasserportals der Länder. Sie ermöglicht Push-Benachrichtigungen für beliebige Orte und für den jeweils aktuellen Standort.

Radio und TV: Warnmeldungen werden auch über diverse überregionale deutsche sowie landesweite Radiosender und Lokalsender verbreitet. Bundesweite Vollprogramme der öffentlich-rechtlichen und privaten Anbieter verbreiten ebenfalls amtliche Warnmeldungen.

Online: Auf warnung.bund.de finden Bürger alle amtlichen Meldungen und Hinweise zu Gefahrensituationen, Wetterwarnungen und Hochwassermeldungen.

Stadtwerbetafeln: In einigen Städten und Gemeinden sind digitale Werbetafeln an das modulare Warnsystem angeschlossen.

Fahrgastinformationssysteme: Verschiedene Verkehrsunternehmen sind ebenfalls an das Warnsystem angeschlossen und verbreiten über die Monitore auf Bahnhöfen und in Bahnen und Bussen die amtlichen Warnungen.

Lautsprecherwagen: Auch über Lautsprecherdurchsagen, etwa von Polizei und Feuerwehr, kann die Bevölkerung vor Gefahren gewarnt werden.

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