Geschichtsinteressierte nutzten in der Stadtbibliothek in Schwenningen die Möglichkeit, den kürzlich erschienen Band I der Stadtgeschichte kennenzulernen. Jeder Band wiegt mehrere Kilogramm. Villingen-Schwenningen hat eine lange Geschichte. Die Vorstellung fand im Rahmen der Literaturtage statt.
Der Historiker Casimir Bumiller ist der Herausgeber und hat aus den verschiedenen Texten das Gesamtwerk zusammengestellt. Er beschrieb die Arbeit an den beiden Bänden zur Stadtgeschichte als eine Aufgabe, für die es keine Blaupause gebe. „In Deutschland hat noch nie jemand die Geschichte einer Doppelstadt geschrieben.“
So entsteht das Buch
Hunderte Meter an Archivmaterial müssten gesichtet werden. Die von den zwölf Autoren aufgewendete Zeit für die Erarbeitung der beiden Bände ergäben insgesamt viele Jahre.
Der gebürtige Villinger André Gutmann hat an dem gerade erschienen Band I mitgearbeitet, der 640 Seiten umfasst. Er beschrieb die Arbeit mit Urkunden, Quittungen und Zahlungsaufforderungen als Quellenmaterial wie das Sammeln von Informationsschnipseln, aus denen der Historiker ein annähernd kohärentes Bild zusammen fügen müsse.
5 überraschende Funde in der Vergangenheit
Es gab bereits eine Doppelgemeinde:
Schwenningen hat bereits geschichtliche Erfahrung mit dem Thema der doppelten Gemeinde. Seit seiner Gründung war Schwenningen ein geteiltes Dorf mit zwei Kirchen. Bei der Übernahme der Herrschaft durch die Grafen von Württemberg wurden die beiden Gemeindeteile zusammengeführt. Damit begann ein Prozess der Modernisierung, der auch Bauernsöhnen den Zugang zur Universität ermöglichte.
Nichts bleibt unbeobachtet:
Der Alltag der Menschen in Schwenningen war geprägt durch die strengen Vorgaben des Kirchenkonvents. Vom Jahr 1658 bis ins 19. Jahrhundert sind die Protokolle lückenlos vorhanden. Sie erlauben den Blick auf ein streng reglementiertes Leben. Casimir Bumiller zitiert einige Protokolle der Sittenwächter. „Wenn das junge Volk ins Ausland nach Mühlhausen zur Kirchweih ging, wurde das nicht gern gesehen.“
Plötzlich wechselt die Perspektive:
Bei der Bearbeitung des Zunftbriefes aus dem Jahre 1324 als zentrale Quelle der Villinger Verfassungsgeschichte entdeckte André Gutmann, was bisher nicht aufgefallen war. Im Vorwort der Stadtherren gäbe es auf der sprachlichen Ebene eine Verlagerung der Macht von den Grafen von Fürstenberg zu den selbstbewussten Villinger Bürgern. „Ein frischer Blick auf altbekannte Quellen fördert manchmal etwas Neues zutage“, sagte er.
Aus Klosterkirche wird das Münster:
André Gutmann befasste sich zudem intensiv mit der Umsiedlung von der Altstadt ab dem Jahre 999. Dabei entdeckte er, dass der Kern der Marktsiedlung im Brigachbogen dem Kloster St. Peter gehörte. Dessen Kirche war der Vorgängerbau des heutigen Villinger Münsters.
Hexenjagd durch beide Städte:
Casimir Bumiller fand heraus, dass der einzige Hexenprozess in Schwenningen auch mit Villingen zu tun hatte. Im Geständnisprotokoll von Magdalena Koch im Jahre 1515 wird erwähnt, dass diese bereits im Jahre 1495 bei der Bürgermeisterin in Villingen beschäftigt gewesen sei. Diese habe sie zu Hexensabbaten aufgefordert und sei selbst zum Tode verurteilt worden. „Wer so etwas gesteht, kommt nicht gut davon“, stellte Bumiller fest.