Ist es artgerechter Tierschutz, wenn die Stadt wilde Katzen einfangen lässt, um die an Freiheit gewohnten Tiere nach einer Kastration wochenlang im Tierheim einzusperren?

Landwirtin Anita Jäckle aus dem Villingen-Schwenninger Ortsteil Nordstetten ist empört über dieses Vorgehen. Die Stimmung bei einer von der Stadt verfügten Katzenfang-Aktion auf ihrem Bauernhof war vorübergehend hitzig, wie der SÜDKURIER vor Ort miterlebte.

Helferinnen des Tierschutzvereins und des Ordnungsamtes rücken mit Lebendfallen an, um auf einem Hof in Nordstetten wilde Katzen ...
Helferinnen des Tierschutzvereins und des Ordnungsamtes rücken mit Lebendfallen an, um auf einem Hof in Nordstetten wilde Katzen einzufangen. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Kurz vor den Fastnachtstagen fahren an ihrem Hof im idyllischen Nordstetten mehrere Fahrzeuge vor. Angekündigt haben sich Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes, unterstützt von Helfern des Tierschutzvereins Villingen-Schwenningen. Sie führen Lebendfallen und weitere Ausrüstung mit sich. Ihr Auftrag: Zahlreiche wilde Katzen einfangen, die auf diesem Hof gefüttert werden.

Anita Jäckle, die Bäuerin aus Nordstetten, bestätigt im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass sie auf ihrem Hof schon immer viele Katzen hatte.

Weil hier die Futternäpfe ihrer eigenen Katzen stehen, so schildert sie, habe dies schon immer fremde, wilde Katzen angelockt. Die Landwirtin hat damit freilich kein Problem. Im Gegenteil: „Mir macht es Spaß, den Katzen beim Spielen zuzuschauen“, sagt sie. Außerdem sorgen die Tiere dafür, dass sich auf dem Hof nicht die Mäuse breit machen.

Landwirtin Anita Jäckle schaut kritisch: Sie will, dass die Stadt die Katzen nach ihrer Kastration wieder in ihr gewohntes Umfeld ...
Landwirtin Anita Jäckle schaut kritisch: Sie will, dass die Stadt die Katzen nach ihrer Kastration wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückbringt. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Ein Bestand von rund 15 wilden Katzen

Aktuell, so hat sie gezählt, liegt der Bestand der wilden Katzen bei rund 15 Tieren, die sich mehr oder weniger regelmäßigen am Fressnapf ihrer vier gezähmten und sterilisierten Hofkatzen eine Mahlzeit holen. Sie füttert die Katzen täglich, gibt dafür im Monat rund 120 Euro aus, sagt sie.

Auf rund 15 wilde Katzen schätzt die Landwirtin den Bestand der Tiere, die sie regelmäßig füttert.
Auf rund 15 wilde Katzen schätzt die Landwirtin den Bestand der Tiere, die sie regelmäßig füttert. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Dass die neue Katzenschutzverordnung der Stadt die Kastration der sogenannten Freigängerkatzen vorsieht, damit hat Anita Jäckle kein Problem. Denn auch sie sieht die Not vieler wilder und halbwilder Katzen.

Mit dem Inkrafttreten der städtischen Katzenschutzverordnung Ende 2024 hat sie sich daher ans Ordnungsamt gewandt, mit der Anfrage, ob die Stadt die Kosten für eine Kastrierung übernehmen könnte.

Die Kastration ist teuer

Denn die Auslagen sind erheblich: Die Kastration eines Katers, berichtet sie, kostet 130 Euro, für die Sterilisation einer Katze nimmt der Tierarzt 200 Euro. Das kann sie sich bei 15 Tieren aus eigener Tasche nicht leisten.

Wenn die Stadt diese Kosten übernimmt, so lautete daher Jäckles Angebot an das Ordnungsamt, dann würde sie die Katzen selbst einfangen, zum Tierarzt bringen „und nach der Behandlung wieder in die Freiheit entlassen“.

Eine Lebendfalle, die mit einem Fressköder bestück ist. Geht die Katze in den Käfig, schnappt die Falle zu und die Tür geht runter.
Eine Lebendfalle, die mit einem Fressköder bestück ist. Geht die Katze in den Käfig, schnappt die Falle zu und die Tür geht runter. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Doch darauf ließ sich das städtische Bürgeramt nicht ein. Die Behörde kündigte an, dass „wir diese Tiere einfangen, kastrieren und anschließend über das Tierheim an ein richtiges Zuhause vermitteln“.

Das ist „reine Tierquälerei“

Die Landwirtin findet dieses Vorgehen empörend. Es handle sich schließlich um wild lebende Katzen. Diese Tiere wochenlang im Tierheim einzusperren, „das ist für mich, wenn sie gesund sind, reine Tierquälerei“.

Eine Helferin des Tierschutzvereins versucht, eine der Katzen anzulocken.
Eine Helferin des Tierschutzvereins versucht, eine der Katzen anzulocken. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Das Schicksal der Tiere liegt ihr am Herzen. „Ich habe gehofft, wenn ich die Arbeit mache, dass die Stadt die Kosten übernimmt.“

Ihre Hoffnung erwies sich als Trugschluss. Jäckle glaubt zu wissen, warum: Sie vermutet den Einfluss des Tierschutzvereins, der die Stadt in solchen Fragen berät, hinter dieser Entscheidung.

„Privater Krieg mit dem Tierschutzverein“

„Das ist ein privater Krieg zwischen dem Tierschutz und mir“, beklagt die Landwirtin. Ein Mitglied des Tierschutzvereins habe 2023 einfach eine Katze in der Nähe des Hofes eingefangen und zur Kastration mitgenommen. Dies sei geschehen, ohne die Nachbarn zu fragen, wem die Katze gehöre. Seither sei das Verhältnis zerrüttet.

Zwei Helferinnen des Tierschutzvereins bereiten die Lebendfallen vor.
Zwei Helferinnen des Tierschutzvereins bereiten die Lebendfallen vor. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Die Verfügung der Stadt, die wilden Katzen ins Tierheim zu stecken, sieht sie als Schikane, die vom Tierschutzverein ausgehe.

Anita Jäckle versteht die Welt nicht mehr: „Da heißt es immer, die Tierheime seien überfüllt. Und jetzt will man dort 15 Katzen unterbringen?“

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Angesicht dieser Vorgeschichte gehen gleich die Emotionen hoch, als die Tierschützerinnen auf dem Privatgrundstück in Nordstetten mit ihren Lebendfallen auftauchen.

Dank der Vermittlung zweier Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes beruhigen sich beide Seiten bald wieder: Die Lebendfallen dürfen auf dem Grundstück aufgestellt werden, die Fangaktion wird gestartet.

Cornelia Geigl, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Villingen-Schwenningen: „Wenn man nett zu uns ist, sind wir es auch.“
Cornelia Geigl, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Villingen-Schwenningen: „Wenn man nett zu uns ist, sind wir es auch.“ | Bild: Hans-Jürgen Götz

Cornelia Geigl, die Vorsitzende des Tierschutzvereins, räumt vor Ort gegenüber dem SÜDKURIER ein, dass es schon Sinn mache, wilde Katzen nach der Kastration wieder in ihr bisheriges Umfeld zurückzubringen. Schränkt aber ein: „Wenn man weiß, dass sie dort Futter und medizinische Versorgung bekommen.“

Vertrauensbasis offenbar gestört

Allerdings wird auch klar: Der örtliche Tierschutzverein setzt alles daran, die Vielzahl unkontrollierter Katzenbrutstätten systematisch aufzulösen. Und als eine solche wird offenbar der Hof in Nordstetten betrachtet. Dass diese Einschätzung richtig ist, wird allerdings von Anita Jäckle bestritten.

Die Stadt als zuständige Behörde verlässt sich offenbar vertrauensselig auf den Rat des Tierschutzvereins und ihrer Vorsitzende und fährt die harte Tour.

Stolze Katze auf einem Brennholzstoß auf dem Hof.
Stolze Katze auf einem Brennholzstoß auf dem Hof. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Ob das Tierheim die richtige Entscheidung ist? „Wenn es ums Tierwohl geht, sind wir auf externe Expertise des Tierschutzvereins angewiesen“, betont Patrick Ganter, der Pressesprecher der Stadtverwaltung. Insofern bleibe es bei der Verfügung der Stadt, die Tiere nicht mehr nach Nordstetten zurückzubringen.

Allerdings, so berichtet Landwirtin Anita Jäckle im Nachgang am Aschermittwoch, 5. März, seien einigen Helfern des Tierschutzvereins inzwischen selbst Zweifel gekommen. Denn nach einer Woche sind bereits sechs der Katzen eingefangen worden. Und diese waren augenscheinlich alle in guter Verfassung und gesund.

Die ein oder andere Helferin, so berichtet Jäckle aus Gesprächen, habe mittlerweile ein schlechtes Gewissen, dass die Tiere nicht mehr zurückgebracht werden.

So sieht es der Tierschutzverein

Dass es auch anders geht, zeigt der Fall eines weiteren Katzenhalters in Nordstetten. Er ließ schon vor Inkrafttreten der Katzenschutzverordnung rund 20 Tiere in Kooperation mit dem Tierschutzverein systematisch kastrieren, berichtet die Vorsitzende des Tierschutzvereins, Cornelia Geigl.

„Wenn man nett zu uns ist, sind wir es auch“, betont sie. Der Tierschutzverein unterstütze dann auch landwirtschaftliche Betriebe mit Zuschüssen bei Kastrationsaktionen.

Diese hübsche Muschi ist von den Katzenfängern sicher. Sie ist zahm und gehört zum Hof.
Diese hübsche Muschi ist von den Katzenfängern sicher. Sie ist zahm und gehört zum Hof. | Bild: Hans-Jürgen Götz

In den nächsten Wochen seien weitere Aktionen geplant, um verwilderte Katzen einzufangen und zu kastrieren. Die Katzenschutzverordnung in Villingen-Schwenningen soll umgesetzt werden.