An ihren ersten Gedanken erinnert sich Sara Flaig noch ganz genau. Damals, als sie im Herbst 2020 das Jägerhaus in Villingen eröffnete und pandemiebedingt bald nur noch Essen zum Mitnehmen anbieten konnte. Damals, als gut 80 Essen am Tag das Restaurant verließen. Als zwischen 400 bis 500 Verpackungen in der Woche dafür gebraucht wurden.

Damals dachte sie schon: „Ich will nicht, dass das alles in der Tonne landet. So viel Verpackungsmüll.“

In Deutschland entstehen täglich 770 Tonnen Verpackungsmüll durch Takeaway-Verpackungen, schreibt die Bundesregierung auf ihrer ...
In Deutschland entstehen täglich 770 Tonnen Verpackungsmüll durch Takeaway-Verpackungen, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Homepage. Gerade während der Pandemie hat der Müll durch Einwegverpackungen zugenommen. Unserer Archivbild zeigt einen mit Verpackungen überquellenden Mülleimer in Villingen und entstand im September 2021. | Bild: Michael Beck

Und schon damals habe sie sich nach Mehrwegverpackungen umgesehen – doch der Markt bot ihr nichts Passendes. Inzwischen hat sich das geändert. Seit gut drei Monaten können ihre Kunden das Essen in einer sogenannten Rebowl, einer Mehrwegschale, mitnehmen.

Mehrwegbehälter als Alternative werden bald Pflicht

Damit zählt sie in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zu den Vorreitern. Und das obwohl ab Januar 2023 eine Novelle des Verpackungsgesetzes in Kraft tritt. Ab dann müssen Restaurants, Lieferdienste und Cafés ihre Lebensmittel neben Einweg- auch in Mehrwegbehältern anbieten.

Doch so richtig durchgesickert ist das in der Region noch nicht: Laut einer aktuellen Erhebung der IHK- Schwarzwald-Baar-Heuberg, hatten sich rund 59 Prozent der Betriebe im Frühjahr noch nicht über die Neuerungen informiert.

Auch Sara Flaig merkt, dass Mehrwegbehälter nicht wirklich im Bewusstsein angekommen sind: „Gestern hatte ich wieder einen Kunden am Telefon, der völlig überrascht war, als ich gefragt habe: Ob er das Essen in unserer Rebowl haben will.“

Warum Flaig mit Mehrweg sogar Geld spart

Tatsächlich waren es auch die Kunden, die sie anfangs zögern ließen. „Als wir umgestellt haben, war ich ziemlich unsicher, ob das überhaupt angenommen wird.“ Mittlerweile weiß sie: Es wird. Und nicht nur das: Sie spart auch noch Geld. Bei Rebowl, dem Anbieter der Mehrwegschalen, müsse sie nur eine kleine monatliche Systemgebühr zahlen.

Diese Schale kann man sich bei Sara Flaig gegen Pfand ausleihen, wenn man Essen zum Mitnehmen bestellt. Ab 2023 wird das Anbieten von ...
Diese Schale kann man sich bei Sara Flaig gegen Pfand ausleihen, wenn man Essen zum Mitnehmen bestellt. Ab 2023 wird das Anbieten von Mehrweg-Alternativen Pflicht. | Bild: Daniela Biehl

„Unterm Strich kommt uns das deutlich günstiger, als die Einwegverpackungen“, sagt sie. Wie Rebowl funktioniert? Flaig leiht sich gegen fünf Euro Pfand – und gegen die Systemgebühr – die Mehrwegschalen aus und bekommt den Pfand quasi von Kunden zurück, wenn die sich dann die Behälter ausleihen.

Auch die Kunden bekommen den Pfand wieder – entweder von Flaig oder in einem anderen Geschäft, das sich an Rebowl beteiligt. In Schwenningen ist das etwa die Metzgerei Grötzinger.

Warum Einweg trotzdem boomt

Doch anders als Flaig hat Inhaber Jürgen Grötzinger mit dem Mehrweg-Angebot kaum gute Erfahrungen gemacht. „Die Kunden sind faul“, sagt er. „Obwohl die Rebowl-Schale sie nichts kostet – den Pfand kriegen sie ja wieder – wollen 90 Prozent immer noch die Einwegverpackung.“ Wegwerfen sei leider bequem.

Metzger Jürgen Grötzinger hat gemischte Gefühle, wenn es um die Mehrwegverpackungs-Pflicht geht.
Metzger Jürgen Grötzinger hat gemischte Gefühle, wenn es um die Mehrwegverpackungs-Pflicht geht. | Bild: Daniela Biehl

Auch von der Novelle des Verpackungsgesetztes, das bald in Kraft tritt, hält Grötzinger nicht viel. Für die Händler sei das „eine Strafe“, sagt er. Man spare vielleicht an Müll – wenn die Kunden umdenken. „Aber auf jeden Fall kostet das Zeit.“

Zeit, um all die zurückgebrachten Mehrwegschalen noch einmal zu reinigen.

Warum gibt es keine Fördermittel?

Wäre es angesichts des fehlenden Bewusstseins zur Müllvermeidung nicht eine Idee, die Gastronomen in der Region bei der Umstellung aktiv zu fördern? So wie es etwa die Städte Mannheim und Heilbronn tun?

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In Heilbronn werden Anbieter, die ein Mehrwegsystem einführen, von der Stadt mit 380 Euro pro Unternehmen gefördert. In Mannheim von der Klimaschutzagentur mit 200 Euro pro Restaurant.

Doch: „Eine Förderung mit Steuermitteln der Kommune erachten wir aktuell als noch nicht zielführend“, sagt Oxana Zapf, Sprecherin der Stadt Villingen-Schwenningen. Was von die Verwaltungsspitze aber als guter Denkansatz bewerte, sei die Verpackungssteuer, wie sie die Stadt Tübingen eingeführt hatte.

Die Sache mit der Verpackungssteuer

Dort ist der Verkauf von Speisen in Mehrwegverpackungen steuerfrei, für Einwegverpackungen muss eine Steuer bezahlt werden. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verpackungssteuersatzung für unwirksam erklärt. Laut Anja Degner-Baxmann, Sprecherin der Stadt Tübingen, gilt sie aber weiter, weil die Stadt Revision eingelegt hat.

Archivbild: Sara Flaig bei der Eröffnung des Jägerhauses 2020. Eigentlich hat sie damals schon nach Mehrweg-Alternativen zum Mitnehmen ...
Archivbild: Sara Flaig bei der Eröffnung des Jägerhauses 2020. Eigentlich hat sie damals schon nach Mehrweg-Alternativen zum Mitnehmen von Speisen gesucht, sagt sie. | Bild: Fröhlich, Jens

Sara Flaig wünscht sich vor allem eins: „Mehr Werbung für den umweltfreundlicheren Weg.“ Wenn die Stadt das mehr publik machen oder bezuschussen würde, „wäre das genial“, sagt sie. Denn: In einem ist sich die 25-Jährige sicher: „Das Essen zum Mitnehmen wird bleiben.“ Auch nach Corona.