Fußball-Bezirksliga: – Wenn Schiedsrichter Andreas Sättele am Samstag das Spiel des SV Herten beim FC Schlüchttal abpfeift, sollte er sich nicht wundern, wenn ein Gästespieler – unabhängig vom Ausgang – mit ernster Miene vom Platz geht. Vielleicht aber nehmen ihn seine Teamkollegen in ihre Mitte und bereiten ihm einen gebührenden Ausstand, lassen ihn gar „hoch leben“.

Mit „hoch leben“ ist die berufliche Zukunft von Jonas Schulz gut umschrieben. Der 21-jährige Torhüter des SV Herten verabschiedet sich – kurioserweise auf dem höchst gelegenen Sportplatz der Bezirksliga – von seinem Heimatverein. Zum 15. Oktober tritt er seine Ausbildung zum Piloten an. „Ich bekam einen Platz an der Flugschule der Lufthansa Group in Bremen“, strahlt Schulz: „Dort werde ich mir meinen Lebenstraum erfüllen. Seit ich denken kann, wollte ich Pilot werden.“
Was für die Eltern anfangs eine kurzfristige Schwärmerei ihres älteren Sohnes war, entwickelte sich im Lauf der Jahre zum festen Plan. Für den 1,90 Meter großen Jonas Schulz war stets klar, dass er hoch hinaus will und seinen persönlichen Höhenflug startet: „Andere Jungs wollen Lokführer werden, oder Astronaut – und verwerfen diese Gedanken irgendwann. Für mich gab es das nicht, auch wenn meine Mutter anfangs hoffte, dass ich auf dem Boden der Tatsachen bleibe“, schmunzelt Jonas Schulz, der in zwei Wochen seinen Bündel packt und – mit dem Zug – nach Bremen übersiedelt: „Ich wäre auch geflogen, aber das ist etwas umständlich.“
Jonas Schulz’ Weg nach Bremen war weit. Da sind die 800 Kilometer mit der Bahn nun fast ein Klacks, denn die größten Hürden für die Aufnahme an der begehrten Schule hat er überwunden: „Ich war mehrere Tage in Hamburg, hatte zahlreiche Prüfungen zu absolvieren. Das waren heftige Aufgaben“, erinnert er sich mit gemischten Gefühlen. Doch es ging gut, auch bei den Tests in englischer Sprache: „Mein Schul-Englisch war ganz ok. Aber sprachlich wirklich weiter gebracht hat mich der Trip nach Neuseeland.“
Gestählt auf seinem Weg zum Lebenstraum haben Jonas Schulz auch die Rückschläge: „Meine erste Bewerbung hatte die Lufthansa prompt abgelehnt.“ Danach orientierte er sich in die Schweiz, der Heimat seiner Mutter: „Bei der Schweizer Armee bekam ich die Chance, zwei Wochen lang einen Flugkurs zu absolvieren“, erzählt Jonas Schulz: „Schon am zweiten Tag durfte ich selbstständig an den Steuerknüppel – ein Riesenerlebnis. Selbst Starts und Landungen mit der einmotorigen Maschine standen auf dem Programm.“

Und nun startet der Flieger aus dem Tor des SV Herten tatsächlich durch. Ein Jahr lang wird in Bremen Theorie gebüffelt. Danach geht es für sechs Monate nach Florida, wo nahe Miami die erste Praxisphase der Ausbildung beginnt. Die meisten Kosten während der nächsten 24 Monate muss Jonas Schulz übrigens selbst übernehmen: „Du hast zwar einen Vertrag mit der Lufthansa, aber Gehalt gibt es nicht“, erzählt Schulz: „In der Schule werden ja auch Piloten für andere Airlines ausgebildet.“
Schulz’ Perspektive sieht gut aus. Wenn er aus den USA zurück ist und dann auf dem Flugplatz der Luftwaffe in Rostock den letzten Schliff erhält, ehe er die spezielle Ausbildung für seinen favorisierten Flugzeug-Typ antritt, hofft er den Vertrag zumBerufsstart in der Tasche zu haben: „Wie es aussieht, werde ich wohl – wie alle Berufseinsteiger – als Co-Pilot bei Eurowings landen.“

Ob Jonas Schulz eines schönen Tages wieder im Kasten des SV Herten landen wird und hier seine Flugkünste zeigen kann, steht noch in den Sternen. Ein Torwart-Problem dürfte Trainer Musa Musliu durch Schulz’ Weggang jedoch nicht entstehen: „Marvin Baumann wird das ganz hervorragend machen“, ist sich Jonas Schulz sicher: „Und zudem haben wir ja auch noch Vadim Herz, ebenfalls ein sehr guter Torwart.“
Ganz beenden will Schulz das Kapitel „SV Herten“ jedenfalls nicht: „Ich werde mich beim Verein nicht abmelden. Vielleicht klappt es ja zeitlich, dass ich hin und wieder mal übers Wochenende nach Hause kommen kann.“ Dem „Plan“ von Sportchef Matthias Tröndle („Wir hatten schon überlegt, dass Jonas die Ausbildung auf dem Hertener Flugplatz absolvieren könnte und uns so erhalten geblieben wäre...“) konnte Schulz aus verständlichen Gründen nicht entsprechen: „Kurioserweise hat mich der nahe Flugplatz weniger interessiert als beispielsweise der Airport in Zürich, wo ich mal eine sehr interessante Besichtigung mitgemacht habe“.

Aufhören mit Fußball möchte Jonas Schulz ohnehin nicht: „Mal abwarten, wieviel Zeit neben der Schule bleibt. Ich plane aber schon, für mich ein Zweitspielrecht in Bremen zu beantragen.“ Allerdings nicht bei Werder Bremen, denn Jonas Schulz’ Herz schlägt, was das angeht, für Borussia Dortmund.
Der BVB setzt in dieser Saison ja auch zum Höhenflug an. Keine Frage also, dass Jonas Schulz beim Gastspiel der Schwarz-Gelben am vorletzten Februar-Wochenende im Stadion sein wird. Und vielleicht hat der angehende Pilot bis dahin soviel gelernt, dass er Lucien Favre den einen oder anderen Tipp geben kann, wie man richtig durchstartet.
Zur Person
Jonas Schulz (21) ist Deutsch-Schweizer und lebt in Herten. Mit Fußball begann er bei den Bambini des SV Herten, zunächst als Stürmer. Im Laufe der Jahre rückte er immer weiter nach hinten, stand ab den C-Junioren zwischen den Pfosten. Außer einem Abstecher bei den A-Junioren des SV Nollingen bieb Schulz seinem Heimatverein stets treu. Nach dem Abitur 2017 lebte er für ein Dreivierteljahr in Neuseeland. Seit einem guten Jahr bereitete er sich auf die Ausbildung als Pilot vor. (gru)