Fußball, Bezirksliga: Als das große Abstiegsfinale der Bezirksliga abgepfiffen wird, ist von unbändiger Freude auf der einen und bitterer Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite nicht viel zu spüren. Die Spieler beider Mannschaften klatschen sich freundlich ab. Hier die Hausherren vom TSV Konstanz, die nach der 1:3-Niederlage in die Kreisliga absteigen, dort die Gäste vom FC Anadolu Radolfzell, die sich als Aufsteiger auf den letzten Drücker ein weiteres Jahr in der Liga gesichert haben. Erleichterung statt Euphorie, Erschöpfung statt Ernüchterung.
„Für den Verein und die Mitglieder ist es schon eine riesengroße Enttäuschung“, gibt Behzat Güleryüz zu, der für die letzten acht Spiele als Konstanzer Trainer eingesprungen war. „Der Gegner war williger. Ich weiß nicht, ob der Druck zu groß war.“ Tatsächlich haben die Radolfzeller die Partie vor einer stattlichen Zuschauerkulisse sicher im Griff – obwohl auch sie mit der prekären Ausgangslage zu kämpfen haben. Um sicher in der Liga bleiben zu können, müssen beide auf Sieg setzen. „An Abstiegskampf kann man sich nicht gewöhnen“, erklärt auch Bülent Babür, der Coach des FC Anadolu. „Wenn du 50 Mal den Klassenerhalt gerade so schaffst, hast du auch beim 51. Mal dieselben schlaflosen Nächte. Heute waren die Spieler so nervös und unter Druck. Manche hatten Angst“, gibt er zu. Ein Radolfzeller, ansonsten immer hoch motiviert und Dauergast im Training, habe sogar darum gebeten, nicht eingewechselt zu werden, da er zu nervös gewesen sei.
Im türkischen Duell beim TSV Konstanz ist das allerdings kein Problem für die Anatolier, wie Anadolu übersetzt heißt. Während die Radolfzeller sich strukturierter im Spielaufbau präsentieren, lassen die harmlosen Gastgeber auch ein wenig den nötigen Einsatz im Abstiegskampf vermissen. So springt bei den Gästen eben ein anderer für den nervösen Kollegen ein. „Ich bin sehr stolz, weil wir als Mannschaft aufgetreten sind“, lobt Babür seine Spieler, „es war total ruhig, und das, obwohl wir voll unter Anspannung waren. Die Disziplin ist viel besser geworden im Lauf der Saison.“ Die Zahlen bestätigen den Anadolu-Trainer. Gerade einmal zwei Gelbe Karten sieht sein Team im Abstiegsfinale. Dabei ist es mit stolzen 16 Platzverweisen und 110 Verwarnungen in 32 Partien abgeschlagenes Schlusslicht der Fairnesstabelle.
Ganz auf ihr Ziel fokussiert, erzwingen sie das Happy End im Zittern um den Ligaverbleib. „Für Samstag hatten wir um 18 Uhr noch ein Training angesetzt, damit wir uns gut vorbereiten konnten. Wir waren auch taktisch gut drauf“, sagt Trainer Babür. Zudem hätten einige seiner Spieler trotz des Ramadan freiwillig auf das Fasten verzichtet. „So hatten wir mehr Power“, erklärt der 33-Jährige. Beim Finale in Konstanz kommt noch der Luxus hinzu, erstmals in Bestbesetzung antreten zu können. „Irgendwie war das Schicksal, dass ich gerade heute 18 Spieler habe“, sagt Babür und grinst.
„In der Rückrunde“, sei sein Team zwar „immer spielerisch dominant“ gewesen, dennoch befürchtete der Trainer, dass es zu diesem Endspiel kommen könnte. „Nachdem wir gegen Reichenau gewonnen und 39 Punkte hatten, kamen die ersten Glückwünsche“, sagt Babür, „es waren aber noch vier Spiele zu absolvieren. Da hatte ich schon das Gefühl, dass wir auf jeden Fall noch einen Sieg holen müssen. Jetzt ist das natürlich geil, wenn der gerade am letzten Spieltag gelingt.“
Dann atmet der Radolfzeller Trainer tief durch und verabschiedet sich in den Urlaub – erleichtert, nicht euphorisch.