Herr Lüttin, die HSG Wittlich und der VfL Stade haben wie der SV Allensbach in der Relegation gegen den Abstieg aus der 3. Liga gekämpft. Im Gegensatz zum SVA hat das Duo den Klassenerhalt verpasst, sich aber über Modus und Kommunikation beschwert. Was war da los?

Rund um die Abstiegsrunde herrschte Chaos. 2020/21 wurde beschlossen, die 3. Ligen zu verkleinern. In der abgelaufenen Saison wurde in vier Elferstaffeln und einer Zwölferstaffel gespielt. Die Durchführungsbestimmungen besagen, dass die Achtplatzierten eine Abstiegsrunde durchführen – mit Hin und Rückspiel –, aus der am Ende eine weitere Mannschaft den Klassenerhalt schafft. Weitere potenzielle Nachrücker sollten aus den Oberligen kommen. Da der Deutsche Handball-Bund wohl erst kurz vor Rundenende gemerkt hat, dass die Beach-EM und die Relegationstermine nicht in Einklang sind, da ein Großteil der Nationalspielerinnen aus den 3. Ligen kommen, wurde Hals über Kopf eine neu ausgeloste Einfachrunde mit vier Teams ausgetragen.

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Sie sagten, dass weitere Nachrücker aus den Oberligen kommen sollten. Warum wurde dann aber eine Relegation der Neuntplatzierten ausgetragen, in der die HSG Wittlich spielte?

Da muss ich lachen. Die Relegation für die Neuntplatzierten war als Puffer gedacht, falls weitere Mannschaften zurückziehen – aus der 3. Liga, Aufsteiger aus den Oberligen oder Absteiger aus der 2. Bundesliga.

Der Trainer des VfL Stade, Dennis Marinkovic, hatte sich darüber geärgert, dass die Relegationsteilnehmer lange im Ungewissen in Bezug auf die künftige Ligazugehörigkeit gelassen worden wären. Stimmen Sie dem zu?

Voll und ganz. Ende März, Anfang April war in der Presse zu lesen, dass die SG Herrenberg keine Zweitliga-Lizenz beantragt. Eine Woche später hat der Vereinsvorstand bekannt gegeben, dass sie auch keinen Antrag für die 3. Liga stellt und direkt in die Oberliga geht.

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Wir wussten also in Allensbach: Wir bleiben drin. Was fehlte, war die offizielle Bestätigung vom DHB. Es war dem Verband nicht möglich, in Herrenberg eine Absichtserklärung einzuholen. Wir mussten also bis zum Ende der Meldefrist der 2. Bundesliga und manchen Oberligen am 30. Mai warten, ehe am 2. Juni erklärt wurde, dass wir den Klassenerhalt geschafft haben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir haben den achten Platz selbst verschuldet. Aber die zwölf Aufsteiger aus der Oberliga konnten schon früh mit Spielerinnen und Sponsoren verhandeln, während wir über einen Monat in der Luft hingen.

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Ein teuer erkaufter Klassenerhalt?

Uns hat die Relegation ungefähr 5000 Euro gekostet, obwohl wir zwei Heimspiele hatten. In Stade war von etwa 8000 Euro die Rede. Was noch viel schlimmer ist: Die Neuntplatzierten hatten diese Kosten auch, aber sie haben komplett für die Katz gespielt. Böswillig könnte man sagen, dass ein Kleintierzüchterverein besser geführt wird als der DHB, der größte Handballverband der Welt. Ich bin der Meinung, dass Verbände für die Vereine da sein sollten. Im Moment diktieren aber die Verbände nach unten.

Ist Besserung in Sicht?

Im Gegenteil: Nächste Saison gehen die Probleme weiter. Da spielen die Achtplatzierten wieder eine Abstiegsrunde, dann bleiben aber zwei Teams drin. Im folgenden Jahr soll die 3. Liga auf drei Zwölferstaffeln gekürzt werden. Es gibt dann also 20 Vereine weniger als in der gerade beendeten Saison.

Eine höhere Leistungsdichte in der 3. Liga ist doch nicht schlecht, oder?

So ein Chaos habe ich noch nie erlebt. Die Oberligavereine sollen die Jugendlichen doch zum Handball bringen. Die 3. Liga war bisher eine Ausbildungsliga für Talente aus den Oberligen, in der sich dann Bundesligisten bedienen konnten. Momentan sind die Leistungsträgerinnen in der Frauen-Bundesliga aber zu einem großen Teil Ausländerinnen, und die wenigen deutschen Spitzenspielerinnen sind im Ausland aktiv. Aktuell spielen zwischen 30 und 35 Ex-Drittliga-Spielerinnen in den ersten beiden Ligen. Der Rest kommt aus Internaten oder aus dem Ausland. Das Ziel war die Spitze zu stärken, durch die Reform wird die Qualität jedoch sinken.

Was bedeutet das für die Drittligisten?

Keiner hat was davon. Es wäre viel besser, es bei vier Staffeln zu belassen. Bei nur noch drei Staffeln fallen künftig viele Derbys weg, die Fahrtzeiten werden länger. Grundsolide Vereine wie der SV Allensbach oder auch der TuS Steißlingen laufen Gefahr, in der Versenkung der Landesverbände zu verschwinden.