Fußball, Landesliga: Wenn am Samstag der ESV Südstern Singen den Türkischen SV Singen empfängt, ist es für Alessandro und Daniel Fiore Tapia ein ganz besonderes Duell! Nicht nur, weil es ein Landesliga-Spitzenspiel ist zwischen dem Verfolger und dem Spitzenreiter. Und auch nicht, weil es ein Stadtderby ist zwischen zwei Mannschaften, deren Sportplätze nur einen Katzensprung voneinander entfernt sind (trainiert wird ja sogar auf dem selben Kunstrasenplatz).
Nein, für die Brüder ist diese Partie so speziell, weil sie plötzlich gegeneinander und nicht mehr Seite an Seite für das selbe Team spielen. „Das ist ein komplett neues Gefühl. Wir kennen uns blind und sind es gewohnt, zusammen zu spielen“, sagt der 35 Jahre alte Daniel Fiore Tapia. So wie eben in den vergangenen Jahren, zunächst beim BSV Nordstern Radolfzell, dann für den FC Öhningen-Gaienhofen. Bis zum September 2023, als die beiden Kicker den Höri-Club verließen.
Selber Platz, anderes Team
Seit einigen Wochen sind sie nun also für die Rivalen aus der Singener Südstadt am Ball. Alessandro für den TSV, Daniel für den ESV. Beide trafen am vergangenen Wochenende bei ihrem Debüt und verhalfen ihren neuen Teams zu drei Punkten. „Wir trainieren ja auf dem selben Kunstrasen und sehen uns da häufig noch. Das war gerade in den ersten Trainings schon echt komisch“, erzählt Alessandro Fiore Tapia, der zuletzt mehrere Monate mit einer Leisten-Verletzung kämpfte.
Eigentlich hat sich für die beiden Radolfzeller gar nicht so viel verändert. Die Brüder lieben Fußball, schätzen sich gegenseitig nach wie vor enorm. Und sie treffen sich mit dem SÜDKURIER wie schon im Oktober 2021 in der Gaststätte ihres Heimatvereins BSV Nordstern Radolfzell. Alessandro trinkt wie vor zweieinhalb Jahren, als die beiden in der Bezirksliga auf Rang eins und zwei der Torschützenliste standen, eine Latte Macchiato, Daniel einen Kaffee.
Die Brüder sind locker drauf, scherzen mit Gastwirt Dario Maier. Alles beim Alten. Naja, eben nicht ganz. Denn damals erschienen sie im selben Oberteil, ein neongelber Trainingsanzug des FC Öhningen-Gaienhofen. Und diesmal trägt Alessandro den knallroten Kapuzenpulli des TSV, Daniel das dunkelgraue Shirt des ESV. „Für uns war das nicht einfach, Öhningen zu verlassen“, erinnert sich der 27 Jahre alte Alessandro Fiore Tapia.

„Da waren einmalige Erlebnisse dabei. Wir haben mit vielen Freunden zusammen gespielt und Erfolge gefeiert.“ Auch Bruder Daniel fiel der Abschied nicht leicht: „Natürlich hätten wir uns ein anderes Ende gewünscht. Aber manchmal ist nicht alles planbar. Wir hatten dort trotzdem eine super Zeit, an die wir gerne zurück denken.“
Zwei Teams mit viel Qualität
Zunächst hatte im September 2023 Toni Fiore Tapia beim Höri-Club seinen Rücktritt als Trainer erklärt, wenige Tage später verließen auch seine beiden Brüder den Club. Seither genießt der mit 37 Jahren älteste der drei Brüder die Zeit ohne Traineramt.
Aber gab es bei den beiden Brüdern keine Überlegungen, weiter für den selben Club aufzulaufen? „Bei Alessandro war relativ schnell klar, dass er zum TSV geht. Ich habe nach dem Öhningen-Abschied erst mal Zeit für mich gebraucht und wusste nicht, wie es weiter geht. Mich hat es dann aber doch noch mal gepackt, deshalb habe ich bis Sommer bei Südstern unterschrieben“, erzählt Daniel Fiore Tapia, der beim ESV nun einige Mitspieler hat, mit denen er schon in der Vergangenheit gespielt hatte – wie zum Beispiel Rene Greuter oder Nedzad Plavci, der weiter gesperrt ist und das Stadtderby damit verpassen wird.
„Ich wurde super aufgenommen, fühle mich pudelwohl. Und wir haben eine brutale Qualität im Kader, das macht richtig Spaß“, sagt der 35-Jährige, der bei den Südsternen als Stürmer oder hängende Spitze agiert. Eine Kampfansage an den kleinen Bruder?
Auf jeden Fall eine, mit der Alessandro Fiore Tapia umgehen kann. Denn für den 27-Jährigen, der beim TSV in der Offensive schon auf mehreren Positionen eingesetzt wurde, ist klar: „Unser Konkurrenzkampf in der Mannschaft ist krass. Das hat mich einfach auch gereizt, das Trainingsniveau ist stark. Trotzdem müssen wir demütig bleiben, weil in dieser Liga jedes Spiel richtig schwer ist.“
Brisante Konstellation
Auch wenn beide mit dem Gedanken einer Aufstiegsparty liebäugeln, bleibt keine Zeit für verfrühte Euphorie. Der Plan? Getreu einer klassischen Phrasenschwein-Floskel: Von Spiel zu schauen! In dem Wissen, dass das Duell am Samstagabend um 18 Uhr nicht nur ein richtungsweisendes, sondern für die Singener Südstadt, aber auch für die gesamte Bodensee-Region, ein besonderes ist. Das Hinspiel hatte der TSV vor 1200 Zuschauern mit 3:1 gewonnen. „Das ist schon eine brisante Konstellation mit der Rivalität der beiden Teams und dann noch dieser Tabellensituation“, sagt Daniel Fiore Tapia. Und Bruder Alessandro fügt an: „Da ist eine Spannung da. Das spürt man.“

Die beiden Brüder werden vermutlich trotzdem gemeinsam mit dem Auto zum Treffpunkt fahren. Dann aber folgt logischerweise der Weg in unterschiedliche Umkleidekabinen. Und eines ist klar, wie Daniel Fiore Tapia betont: „Ich liebe meinen Bruder. Aber 90 Minuten lang sind wir Feinde.“