Herr Wilke, wie geht es Ihnen? Haben Sie in Dortmund auch so schönes Wetter wie wir hier am Bodensee?

Danke, alles gut soweit. Ich bin tatsächlich gerade bei meinen Eltern auf der Höri im Zwangsurlaub. Anfang der Woche bin ich mit meinen beiden Kindern in die alte Heimat gefahren. Die letzten drei Wochen hatte ich isoliert mit den Kids zuhause verbracht, und mir graute vor einer weiteren Woche. (lacht) Jetzt sind wir am See und genießen bestes Sommerwetter. Meine Frau arbeitet noch und kommt an Ostern nach.

So menschenleer kennen auch Sie den Bodensee zu dieser Jahreszeit bestimmt nicht.

Wir haben gerade einen fantastischen Blick auf das spiegelglatte Wasser. Das ist besonders reizvoll für Ruderer. Wir sind immer scharf darauf, wenn der See ganz still und ruhig vor uns liegt, um da einsame Kreise zu ziehen, das ist aber leider momentan ja nicht möglich. Es ist aber schon ein ungewöhnliches Bild zu Ostern. Das stimmt.

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Wie haben Sie die Tage vor Ihrer Flucht in den Süden verbracht?

Ich habe viele Radtouren mit meiner Tochter gemacht, die ist viereinhalb Jahre alt. Unser kleiner Sohn saß im Anhänger. Seit letzten Herbst haben wir einen Schrebergarten fußläufig zu unserer Wohnung, der ist gerade Gold wert. Das ist abwechslungsreich für die Kinder, auch das Wetter war zum Glück gut. Ich glaube, ich wäre mental zusammengebrochen, wenn ich nur in der Bude hätte sitzen müssen.

Wie muss man sich das Leben während Corona in einer Großstadt wie Dortmund vorstellen?

In der Innenstadt waren wir nicht viel unterwegs. Wir wohnen neben einem Riesenpark, der hat zugemacht, wie fast alles andere auch. Das ist schon irgendwie komisch. Die Hamsterei hat uns am Anfang getroffen. Wir haben da nicht mitgemacht und standen plötzlich ohne Klopapier da.

Kristof Wilke jubelt nach dem Sieg im Finale der Olympischen Spiele 2012 in London.
Kristof Wilke jubelt nach dem Sieg im Finale der Olympischen Spiele 2012 in London. | Bild: Peter Kneffel

Mal abgesehen von Restaurants und Geschäften muss ein Olympiasieger wie Sie doch den Sport ganz besonders vermissen.

Rudern ist sehr zeitaufwendig, das gibt mein Privatleben nicht her im Moment mit zwei Kindern. Davon abgesehen mache ich mache gerne Ausdauersport draußen. Da gibt mir meine Frau am Wochenende ein Zeitfenster. Ich gehe oft mit Freunden Mountainbike- oder Rennradfahren, zuletzt nur noch in Zweiergruppen.

Für mich als Sportlehrer ist die aktuelle Lage auch nicht ideal, da ich den Unterricht, meine Klassen und das Sporttreiben mit ihnen vermisse. Nachdem wir ins Homeschooling gegangen sind, habe ich meinen Schülern die tägliche Sportstunde von Alba Berlin ans Herz gelegt. Ob sie das machen, ist eine andere Frage. Für sie tut es mir besonders leid. Die ganze Coronasache ist schwer zu verstehen für Kinder. Meine Tochter hat immer gefragt, warum sie nicht in den Kindergarten gehen darf oder auf den Spielplatz. Sie spricht dann immer vom verflixten Virus, das zum Glück bislang an uns vorbeigegangen ist.

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Wie sehen Sie als ehemaliger Olympionike die Verschiebung der Spiele von Tokio in den Sommer 2021?

Ein guter Freund von mir und die Schwester meiner Frau hatten sich für Olympia qualifiziert. Es tut mir leid für sie und die anderen, die sich vier Jahre vorbereitet haben – und dann bricht dein großes Ziel weg. Aber wenn die Welt in Flammen steht, kann man nicht einfach Olympische Spiele austragen.

Für meine Schwägerin Michaela Staelberg wären es im Doppelvierer die ersten Olympischen Spiele gewesen. Wir haben viel darüber gesprochen. Wenn sie in diesem Jahr ohne Zuschauer ausgetragen worden wären, wäre es nicht das gewesen, was ich 2012 in London erlebt habe. Für uns Rudersportler ist das eine Riesenbühne – und in Tokio wäre es in diesem Sommer wie eine gewöhnliche Regatta auf nationaler Ebene gewesen.

Ein großer Moment: Kristof Wilke ist Fahnenträger bei der Schlussfeier in London.
Ein großer Moment: Kristof Wilke ist Fahnenträger bei der Schlussfeier in London. | Bild: unbekannt

Werden Ihnen die Spiele als TV-Zuschauer fehlen?

Ich war die letzten zwölf Jahre sehr aktiv an den Olympischen Spielen selber beteiligt, sei es als Sportler oder TV-Experte, kann mich aber gut daran erinnern, dass ich früher mit meinem Vater täglich vor dem Fernseher saß. In Tokio wäre das mit der Zeitverschiebung so eine Sache gewesen. Mit jungen Kindern ist es immer ganz gefährlich, nachts fernzuschauen. Das habe ich beim American Football ab und zu gemacht, aber man bereut das am nächsten Tag, wenn man nicht genug geschlafen hat. (lacht)

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Was wünschen Sie sich für die kommenden Wochen und Monate?

Ich wünsche allen Betroffenen eine schnelle Genesung und allen anderen, dass sie gesund bleiben. Ich glaube, dass wir uns in Deutschland auf ein gut funktionierendes Gesundheitssystem verlassen können und erwarte keine Zustände wie in Italien. Dann wünsche ich mir natürlich, dass alles wieder in einen geregelten Alltag übergehen kann. Was mich am meisten beschäftigt, ist die Frage: Wie lange haben wir noch mit dem Virus zu kämpfen? Ein guter Freund will im Sommer auf Mallorca heiraten, und ich bin der Trauzeuge. Das ist gerade schwer vorstellbar…