Kleine Wette gefällig? Wenn Sie derzeit irgendwo zwischen Hegau, Bodensee und Linzgau ein Gespräch über Geld im Amateurfußball beginnen, fällt spätestens nach ein paar Minuten ein Name: Türkischer SV Singen. Kaum ein anderer Club im Bezirk Bodensee polarisiert in diesen Tagen wie der TSV – innig geliebt von den Anhängern, harsch kritisiert von jenen, für die Geld und Amateurfußball ähnlich gut zusammenpassen wie Salz und Nacktschnecken.
Das ist der Türkische SV Singen
Sind es nur dahergenuschelte Tresen-Thesen nach dem vierten Clubheim-Weizen, die das Finanzgebaren des Bezirksligisten kritisieren? Oder doch eher aus inniger Liebe zum Amateurfußball formulierte Postate? Wir waren vor Ort, tief im Singener Süden, wo die Heimat des Türkischen Sportvereins ist, haben die Macher des Clubs getroffen und sie mit den gängigsten Vorwürfen konfrontiert. Und ihnen Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge darzustellen.
Eine These vieler Kritiker: „Geld hat im Amateurfußball nichts zu suchen“
Volltreffer! Gleich der erste Aufreger für die TSV-Chefs. Es wird lebhaft diskutiert, kurz auf türkisch, dann wieder auf deutsch. Ein bisschen geht es zu wie auf einem türkischen Basar. Stimmt ja fast. Gleich nebenan ist der Istanbul-Supermarkt, der Mustafa Ates gehört – gleichzeitig erster Vorsitzender des Türkischen Sportvereins.
„Wieso sollte ich nicht etwas zurückgeben und den Fußball unterstützen?“Mustafa Ates, 1. Vorsitzender des TSV Singen
Ates ergreift das Wort als Erster, spricht ganz ruhig und gelassen: „Mir geht es finanziell gut. Wieso sollte ich dann nicht etwas zurückgeben und den Fußball unterstützen, den ich so liebe?“ Den er liebt, selbst aber nie spielen konnte, weil er schon früh den Vater, ebenfalls Geschäftsmann, unterstützen musste.
„Es geht doch nicht nur um den TSV“, sagt Ates und nippt an seinem türkischen Tee, „ich unterstütze auch andere Vereine in der Region. Ich kann einfach nicht Nein sagen, wenn mich jemand wegen Fußball um was bittet. Und es ist doch für ganz Singen schön, wenn ein Fußballclub über die Stadtgrenzen hinaus Erfolg hat“, beteuert der 45-Jährige mit einem Lächeln.
Abdullah Öztürk, unter anderem für das Sponsoring beim TSV zuständig, lächelt nicht, als er davon spricht, dass „schon immer Geld geflossen ist im Fußball. Das ist eine Handvoll Vereine, die nichts bezahlen“, sagt der Unternehmer in der Immobilienbranche. „Der TSV passt sich den Gegebenheiten im Amateurfußball der Region an. Wir spielen nach den Spielregeln“, so Öztürk.
Und sein Kollege Sigi Özcan, Teammanager und früher selbst erfolgreicher Kicker in der Region, ergänzt: „Wenn man höhere Ziele hat, muss man Geld in die Hand nehmen. Bei uns wächst etwas heran – aber dafür muss man investieren.“ Wie viel denn nun genau investiert wird beim Türkischen SV Singen, wird allerdings nicht verraten an diesem sonnigen Morgen.
Eine weitere These: „Bezahlte Spieler haben keine Vereinstreue“
Gäbe es eine Meisterschaft im Synchron-Kopfschütteln, wären die vier TSV-Macher ganz heißer Titelfavorit. „Ob ein Spieler sich mit einem Verein identifiziert, hat nichts mit Geld zu tun“, glaubt Mustafa Ates, „das ist Charaktersache!“
Sigi Özcan pflichtet ihm bei: „Ein Spieler muss zu uns passen. Wenn wir bei einem Gespräch merken, dass er sich nur für Geld interessiert und sich nicht mit unseren Zielen identifizieren kann, kann er gleich wieder gehen.“ Und Abdullah Öztürk, der Mann, der Häuser baut, glaubt zu wissen, was das Fundament für ein stabiles Vereinsgebilde ist: „Wir sind wie eine Familie. Wer zu uns kommt, soll sich wohlfühlen.“ Und das tun die TSV-Spieler – wenn man seinen Worten glaubt: „Wir tun alles für die Spieler. Und die Jungs alles für den Verein!“
Dritte These: „Wenn ein Spieler bezahlt wird, weckt das Neid“
Neid auf die anderen, die mehr bekommen: Für Sigi Özcan kein Thema. Früher nicht, als er selbst beim SC Pfullendorf, FC Singen 04 und anderen renommierten Clubs aktiv war, und auch jetzt nicht beim TSV. „Mich hat nie interessiert, was andere bekommen“, beteuert der 48-Jährige. „Und wenn es mal Gerüchte gab, dass einer besser bezahlt wurde, der aber für viele Siege sorgte, war schnell Ruhe da. Und so ist es auch beim TSV.“
Das Leistungsprinzip habe Vorrang, erklärt auch Abdullah Öztürk. „Ein Ferrari kostet schließlich mehr als ein Fiat. Aber einfach nur kassieren, ohne Leistung zu zeigen, das gibt es bei uns nicht. Wir messen allerdings die Leistung eines Spielers nicht nur an Toren, sondern auch am Einsatz für den Club.“ Diese Sicht habe auch der Trainer, wie Sigi Özcan einwirft: „Bobo Maglov stellt nach Leistung auf, nicht nach Namen. Dazu gehört auch das Training. Wer nicht mitmacht, spielt nicht.“
Ein Vorwurf der Kritiker: „Spieler werden mit Handgeld geködert“
Kurze Stille. Dann bricht Abdullah Öztürk das Schweigen, hebt den rechten Zeigefinger und deutet auf jeden Einzelnen in der Runde. „Schauen Sie sich um. Wir sind alle Unternehmer, die ihre Steuern zahlen und einen Ruf zu verlieren haben. Da geht so etwas nicht.“ Auch nicht bei Marcel Simsek, dem Topstürmer? „Nein!“, beteuert Abdullah Öztürk. „Marcel hat von uns keinen Cent abseits der normalen Wege bekommen. So etwas kann sich ein seriöser Traditionsverein wie der TSV Singen nicht leisten.“
Und Sigi Özcan beschwört die Geister der Vergangenheit herauf. „Ich habe als Fußballer selbst erlebt, was passieren kann, wenn unsauber gewirtschaftet wird“, sagt er, der auch schon für den FC Welschingen-Binningen gespielt hat. Ein Club, dessen sportlicher Höhenflug dank eines finanzkräftigen Sponsors mit einem jähen Sturz in die Bedeutungslosigkeit endete.
Weiterer Kritikpunkt: „Wenn der Geldgeber geht, bricht der Verein zusammen“
Abdullah Öztürk blickt auf den TSV-Vorsitzenden Ates und lächelt: „Ich bewundere Mustafa und das, was er für den Verein leistet. Aber wenn er uns morgen nicht mehr unterstützen würde, wäre das kein Problem. Wir haben ein langfristiges Konzept, bei dem nicht einer allein alles stemmen kann. Das muss auf mehrere Schultern verteilt werden“, erklärt der Sponsoring-Beauftragte des Clubs, kramt sein Smartphone aus der Tasche und zeigt ein Foto der TSV-Werbetafel. „Schauen Sie: Wir haben einen Pool von 32 Sponsoren. Darunter sind viele alteingesessene Firmen aus Singen und der Umgebung. Unternehmer wie wir, die uns gerne unterstützen.“ Auch weil daran gearbeitet wurde, „den schlechten Ruf von früher“ loszuwerden.
„Wenn einer dem Verein hilft, helfe ich ihm.“Mustafa Ates, 1. Vorsitzender des TSV Singen
„Der TSV wurde vor fast 40 Jahren von unseren Vätern gegründet. Und fast ebenso lang gibt es die Vorurteile gegen uns“, erzählt Abdullah Öztürk. „Wir sind ein Verein in Deutschland. Unsere Sprache ist Deutsch, wir kommunizieren auf Deutsch“, stellt er klar. „Wenn aber ein interessanter Spieler zu uns kommen will, juckt uns die Nationalität nicht.“ Mustafa Ates pflichtet ihm bei: „Ob einer schwarz, gelb, rot oder weiß ist, ist mir egal. Wenn er dem Verein hilft, helfe ich ihm.“
Letzter Vorwurf: „Die erste Mannschaft wird gefördert – der Nachwuchs nicht“
„Auch hier wächst etwas heran“, sagt Abullah Öztürk. „Wir haben eine zweite Mannschaft und beim Nachwuchs Bambini-, F- und E-Jugendmannschaften. Ältere Jahrgänge sind beim Jugendförderverein Singen – der übrigens von Mustafa Ates ebenfalls großzügig unterstützt wird“, so Öztürk. Und für Sigi Özcan ist es auch ein Erfolg für den TSV, wenn „sich Jugendspieler aus unserem Club später bei anderen Vereinen in der Region durchsetzen können“.