Hallo Herr Dippong, wie geht es Ihnen?

Gut, danke. Die vergangenen Wochen waren ein bisschen anders für mich als Lehrer in der Schweiz, aber als Sportler konnte ich durchtrainieren. Das habe ich ganz gut hinbekommen – auch wenn ich ab und an einen Anruf auf dem Rad bekomme, wie jetzt gerade. (lacht)

Generell kann ich Training und Arbeit ganz gut verbinden. Ich unterrichte Sport und Sprachen im Kanton St. Gallen und wohne in Tägerwilen bei Konstanz. Die 30 hügeligen Kilometer zur Arbeit fahre ich oft mit dem Rad. Wenn ich Lust und Zeit habe, kann ich noch was dranhängen.

Diese Trainingseinheiten dürften zuletzt aber dem Corona-Homeschooling zum Opfer gefallen sein.

Jein. Zwar ist der Arbeitsweg weggefallen, dafür aber auch einige administrative Sachen. Unter dem Strich hatte ich gleichviel Zeit, auch wenn sich alles ein bisschen verschoben hat. Das Training habe ich auf den frühen Abend gelegt.

Das Wetter war ja die meiste Zeit genial. Ich habe mehr als 20 Stunden pro Woche trainiert. Davon 12, 13 Stunden auf dem Rad, ich war etwa sechs Stunden laufen, dazu noch je drei Stunden Athletik und schwimmen.

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In den vergangenen Jahren hatten Sie im Frühjahr immer den Ironman auf Hawaii im Kopf, an dem Sie zweimal teilgenommen haben. Ist das immer noch so?

Nein, das ist kein Thema mehr. Ich komme mit der großen Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit dort einfach nicht zurecht. Ich habe viel trainiert und versucht, meinen Körper zu akklimatisieren. Zum Teil auch mit verrückten Sachen. So habe ich mein Rad auf der Rolle in die Sauna gestellt oder bin bewusst in der prallen Mittagshitze gelaufen. Danach war ich aber völlig ausgebrannt und habe lange gebraucht, bis wieder was ging.

Ich könnte mich für Hawaii wieder qualifizieren, das traue ich mir gut zu. Ich schlage mich aber unter Wert, das gibt mir nichts. Ich weiß, was ich laufen und radeln kann. Ich habe 22 Langdistanzen gemacht. In Hawaii brauche ich bei gleichem Puls 30 Prozent meiner Energie für die Körperkühlung. Ich komme zwar ins Ziel, bin aber einfach langsamer.

Matthias Dippong beim Megathlon in Radolfzell.
Matthias Dippong beim Megathlon in Radolfzell. | Bild: Jürgen Rössler

Sie hatten auch immer wieder die Kommerzialisierung des Langstrecken-Triathlons kritisiert.

Der Sport wird immer professioneller, alles wird besser vermarktet, aber die Sportler, besonders die Profis, profitieren davon nur wenig. So wurden die Preisgelder kaum erhöht im Vergleich mit anderen Sportarten. Ich hatte viel Spaß mit dem Triathlon, aber es gibt auch andere Sportarten, die mich mehr fordern. Und es gibt noch härtere und schönere Rennen auf der Welt als Hawaii.

Zum Beispiel?

Bei den Multisportevents Gigathlon und Megathlon habe ich Inline skaten dürfen oder müssen. Das ist eine völlig unterschätzte Disziplin, aber megageil, wenn man fahren kann. Das ist bei dem Verkehrsaufkommen am Bodensee jedoch schwierig. In letzter Zeit habe ich gemeinsam mit meiner Partnerin Jasmin Stampfli den Swimrun für mich entdeckt.

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Das müssen Sie erklären.

Swimrun ist eine Sportart, die aus Schweden kommt und bei der man im Zweier-Team im ständigen Wechsel schwimmt und läuft. Dabei gibt es keine Wechselzone, man hat immer alles dabei, was man für den Wettkampf braucht. Das heißt, man schwimmt in den Laufschuhen und rennt im Neoprenanzug. Dabei stehen das Erlebnis Natur, eine gewisse Nachhaltigkeitsphilosophie und der Extremsport ohne viel Kommerz im Mittelpunkt.

Außerdem geht es da viel ehrlicher zu als beispielsweise beim Ironman. Man bestreitet einen wirklich harten Wettkampf, die Athleten helfen sich aber trotzdem gegenseitig. Und man kommt dabei in Regionen, die einfach sensationell schön sind: Engadin, Kroatien, Malta, Cannes. Wir waren auch schon am Lago die Brasimone zwischen Bologna und Pisa. Da schwimmst du durch einen Teil dieses wunderschönen Süßwassersees, dann läufst du über einen Berg vom Kaliber des Schienerberg und schwimmst wieder. Und so weiter.

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Das kalte Bergwasser scheint Ihnen im Gegensatz zur Hitze auf Hawaii mehr zu liegen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Wir haben Ende März, das war noch vor Ostern, angefangen, uns an das elf Grad kalte Wasser im Bodensee zu gewöhnen. Am Anfang waren wir zehn Minuten im Wasser, dann haben wir uns langsam gesteigert.

Was sind Ihre Ziele in dieser doch exotischen Sportart?

In diesem Jahr wollen wir die Qualifikation für die Weltmeisterschaft schaffen, die im kommenden Jahr in Schweden stattfindet. Ich bin zuversichtlich, dass die Wettkämpfe trotz Corona stattfinden werden, da die meisten Swimruns erst im Herbst sind. Wir tasten uns langsam ran. Auch wenn wir beide Disziplinen gut kennen, ist vieles ja Neuland. Beispielsweise das Schwimmen mit Paddels, das ziemlich auf die Schulter geht.

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Stichwort Neuland: Was wünschen Sie sich für die kommenden Wochen und die Zeit nach Corona?

Dass sich die Menschen möglichst lange daran erinnern, wie schön das war, als wir unsere Ellenbogenmentalität abgelegt haben und dass die Aussage, wie wichtig die Gesundheit ist, nicht nur eine Floskel ist. Jeder ist eine Zeitlang ruhiggestellt worden, und viele haben es vielleicht auch genossen – auch wenn es die wenigsten zugeben. Darauf sollten wir uns besinnen. Es tut jedem ganz gut, wenn wir alles ein bisschen ruhiger angehen.