Besuch bei Jürgen Lonardoni Video: Scheibengruber, Matthias

Fußball: – „Nein“, hebt Jürgen Lonardoni die Augenbrauen: „Ich höre das Gras nicht wachsen.“ Es sei auch ein Gerücht, dass er im Waldstadion jeden Grashalm mit Vornamen kenne: „Ich mache das einfach mit Herzblut, mit Freude und wenn ich etwas mache, dann auch richtig“, schmunzelt der 73-Jährige über die Zoten, die ihm als Platzwart der riesigen Anlage nachgesagt werden: „Es kann aber schon mal passieren, dass ich auf dem Rasen liege und auf diese Weise die Spielfläche in Augenschein nehme.“

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Jürgen Lonardoni nennt sich zwar neudeutsch „Greenkeeper“, aber eigentlich ist er ein Platzwart der alten Schule. Wenn er dem Beobachter einen Blick in sein Refugium gewährt, erntet er ungläubiges Staunen. Weniger wegen der chaotisch wirkenden Ordnung auf engstem Raum, sondern wegen der Vielzahl an Gerätschaften und Aufsitzmähern. Hier eine kleine Zugmaschine mit Vertikutierer, dort der Spindelmäher und weiter hinten verbirgt sich weiteres großes und kleines Gerät – es scheint nichts in der Rasenpflege zu geben, das Jürgen Lonardoni nicht zur Verfügung steht: „Viele Geräte sind mein persönliches Eigentum“, stellt der drahtige Pensionär klar.

Jürgen Lonardoni im Einsatz Video: Scheibengruber, Matthias

Über die Jahrzehnte hinweg hat sich Lonardoni autodidaktisch zum „Rasen-Experten“ geschult: „Mein Interesse wurde 1974 während der Weltmeisterschaft geweckt, als der amtierende Weltmeister Brasilien bei uns in St. Blasien im neuen Stadion trainiert hat. Damals wurde ich von Helmut Hofmann mit der Rasenpflege beauftragt – und bekam die neuesten Maschinen“, erinnert sich der Schwarzwälder.

So fing es an: Im Sommer 1974 war Jürgen Lonardoni für den Rasen beim SV St. Blasien verantwortlich. Dort trainierte Weltmeister ...
So fing es an: Im Sommer 1974 war Jürgen Lonardoni für den Rasen beim SV St. Blasien verantwortlich. Dort trainierte Weltmeister Brasilien während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. | Bild: Scheibengruber, Matthias

„In der Folge habe ich mich bei allen Trainerstationen sowohl um die Mannschaft als auch um den Sportplatz gekümmert“, schmunzelt er: „Ich habe Kurse besucht, bei anderen Platzwarten nachgefragt und mir so viel Wissen angeeignet.“ Wissen, dass der 73-Jährige übrigens nur im Stadion anwendet: „Wer meinen privaten Garten sieht, käme nie auf die Idee, dass ich Platzwart bin“, lacht er: „Zu Hause lasse ich der Natur und der Blumenwiese freien Lauf. Bei uns wächst so ziemlich alles.“

Zur Person

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Seit Jürgen Lonardoni im Waldstadion das Zepter schwingt, hat sich der Ruf der Sportanlage gewaltig verbessert. Der Rasen der Hauptspielfläche nahm wieder jenem Zustand an, der ihn einst zum beliebtesten Untergrund eines jeden Fußballers machte. Und das trotz der widrigen Umstände: „Der Unterbau des Spielfeldes ist bei weitem nicht optimal“, betont Jürgen Lonardoni: „Dass bei Grätschen immer wieder Rasenstücke durch die Luft fliegen, liegt nicht an der Pflege, sondern an der Scherfestigkeit.“

In Aktion: Schon vor sieben Jahren – das Bild entstand im Sommer 2014 – war Jürgen Lonardoni im Laufenburger Waldstadion im ...
In Aktion: Schon vor sieben Jahren – das Bild entstand im Sommer 2014 – war Jürgen Lonardoni im Laufenburger Waldstadion im Einsatz. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Vor genau 30 Jahren wurde das „neue“ Waldstadion seiner Bestimmung übergeben. Zunächst war im Osten des Areals ein Hartplatz angelegt worden, danach ging es an den Umbau des Hauptspielfeldes. Wo über Jahrzehnte hinweg der Staub und Matsch regierten, wurde zum zweiten Mal ein Rasenspielfeld gebaut. Der erste Versuch im Jahr 1950 ging wegen der Nähe zum Wald schief.

Sein größter Wunsch: Bagger und Planierraupe

Dass der jetzige Rasenplatz drei Jahrzehnte auf dem Buckel hat, sieht man kaum – Jürgen Lonardoni sei Dank. „Hätte ich bei der guten Fee einen Wunsch frei, ich würde sofort die Bagger und Planierraupen bestellen und einen neuen Rasenplatz mit entsprechendem Unterbau fertigstellen lassen“, deutet Lonardoni an, wie viel Akribie und Arbeit dahinter steckt, dass der Rasen wie geschleckt aussieht: „Die Entscheidungsträger sollten sich aber keine Illusionen machen. Über kurz oder lang, steht eine Generalsanierung des Stadions an – das ist sicher.“

Platzwart: Jürgen Lonardoni bei der täglichen Arbeit im Waldstadion Laufenburg.
Platzwart: Jürgen Lonardoni bei der täglichen Arbeit im Waldstadion Laufenburg. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Nahezu täglich ist Jürgen Lonardoni im Waldstadion am Werkeln: „Es gibt immer etwas zu tun“, stellt er den Rechen zur Seite: „Hier am Eck zwischen Kunstrasenplatz und Tartanbahn wollen wir einen kleinen Spielplatz anlegen.“ Im Hintergrund steht der Spindelmäher zum Einsatz bereit, denn der kleine Trainingsplatz, der auch für Kleinfeldfußball genutzt wird, wartet auf seinen ersten Schnitt: „Insgesamt sind es fast 20.000 Quadratmeter Rasenfläche, für die ich zuständig bin“, lässt Lonardoni seinen Blick hinüber zum Kunstrasenplatz schweifen: „Dort müssen regelmäßig die vom Wind und Regen eingebrachten organische Stoffe von den umstehenden Bäumen abgezogen werden.“

Platzwart Jürgen Lonardoni: „Ich mache das einfach mit Herzblut, mit Freude und wenn ich etwas mache, dann auch richtig. Es kann ...
Platzwart Jürgen Lonardoni: „Ich mache das einfach mit Herzblut, mit Freude und wenn ich etwas mache, dann auch richtig. Es kann aber schon mal passieren, dass ich auf dem Rasen liege und auf diese Weise die Spielfläche in Augenschein nehme.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Gemäht wird im Waldstadion regelmäßig, auch in Zeiten des Lockdowns: „Soll keiner glauben, dass ich wegen Corona nun eine ruhige Kugel schieben würde“, lacht Lonardoni laut auf: „Einzig die Erste-Hilfe-Maßnahmen nach den Spielen vom Wochenende fallen weg und die Spielfeldlinien müssen nicht gezogen werden – aber alle anderen Arbeiten bleiben.“ Corona brachte ihm weder Kurzarbeit noch Zwangsurlaub: „Drei, vier Stunden bin ich jeden Tag hier.“

Drei Fragen an Jürgen Lonardoni Video: Scheibengruber, Matthias

Das weiß auch Johann Scheible zu schätzen: „Sein enormer Sachverstand und seine Liebe zur Natur sind für uns Gold wert“, betont der Vorsitzende des SV 08 Laufenburg: „Gäbe es ihn nicht, bräuchten wir drei Ersatzleute: Einen, der die Maschinen kennt und richtig einsetzt, einen der sich mit soviel fußballerischem Sachverstand bei der Rasenpflege auskennt und einen mit handwerklichem Geschick.“ Scheible freut sich über Lonardonis Hilfsbereitschaft, wenn es klemmt und vor allem über dessen Einsatz über die eigentlichen Aufgaben hinaus: „Jürgen identifiziert sich nicht nur mit der Anlage, sondern auch mit unserem Verein.“

Handarbeit: Jürgen Lonardoni kümmert sich um Rasen und Grünflächen im Waldstadion Laufenburg.
Handarbeit: Jürgen Lonardoni kümmert sich um Rasen und Grünflächen im Waldstadion Laufenburg. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Jürgen Lonardoni spielt den Ball umgehend zurück: „Was Johann Scheible für diesen Verein und vor allem für den Erhalt des Stadions auf die Beine stellt, ist unbeschreiblich.“ Es vergehe kaum ein Samstag, an dem nicht ein Arbeitsdienst vor Ort sei, um anstehende Arbeiten zu erledigen: „Ich bin oft beratend dabei und wenn ich für meine Aufgaben etwas Hilfe benötige, reicht ein Anruf bei Johann.“

Das Waldstadion wurde zum Schmuckkästlein

Das Ergebnis des Doppelpasses zwischen Club-Chef und Platz-Chef sticht ins Auge. Jürgen Lonardoni hat über die Jahre das Waldstadion zu einem Schmuckkästlein gemacht, um das die Null-Achter oft beneidet werden. Das Hauptspielfeld liegt wie ein Teppich im Oval der Tartanbahn, weist selbst bei größter Belastung kaum grasfreie Flächen auf.

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Und wenn doch, empfindet Jürgen Lonardoni diese als persönliche Beleidigung: „Wenn ich beim Spiel auf der Böschung der Gegengerade stehe, genieße ich es, wenn der Platz nach 90 Minuten noch annähernd so aussieht, wie beim Anpfiff. Umso ärgerlicher ist es, wenn mir Fehler unterlaufen sind und der Platz wirkt ramponiert.“ In solchen Fällen läuft er schon kurz nach Spielende mit sorgenvollem Blick über „seinen“ Platz – und grübelt über rasenrettende Sofortmaßnahmen.

Selbst ist der Mann: Als gelernter Werkzeugmacher weiß sich Jürgen Lonardoni immer zu helfen. Hier schleift er das Mulchmesser.
Selbst ist der Mann: Als gelernter Werkzeugmacher weiß sich Jürgen Lonardoni immer zu helfen. Hier schleift er das Mulchmesser. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Der Stressfaktor für die Sportanlage und den „Rasenflüsterer“ ist wegen der Corona-Pandemie durchaus gesunken, doch ein Jürgen Lonardoni rastet nicht: „Würde ich jetzt weniger Einsatz bringen, müsste ich es zum Re-Start büßen“, mahnt er und steigt wieder auf den kleinen Schlepper: „Der Platz muss gestriegelt werden, damit er eben bleibt. Außerdem muss altes Gras und Schnittgut abgezogen werden.“

Mulchgerät, Spindelmäher, der komplette Fuhrpark – nichts steht still, wenn es Jürgen Lonardoni nicht will: „Dürften die Fußballer nächste Woche wieder trainieren – für mich wäre das kein Problem“, lacht er verschmitzt und verschwindet in den Untiefen seiner Werkstatt: „Die Mulchmesser sollten mal wieder geschliffen werden.“