Eigentlich habe er immer zu den Pfadfindern gewollt, sei dann aber bei den Pontonierern gelandet und hat so seine große Leidenschaft entdeckt. Schließlich wurde er sogar zweifacher Schweizermeister im Pontoniersport, einer traditionellen Schweizer Wassersportart. Dabei paddeln die Sportler mit langen, flachen Booten, die einem Kanu ähneln, möglichst schnell auf Seen oder Flüssen wie dem Rhein. Im Alter von 96 Jahren geht Jean Widtmann immer noch täglich im Rhein schwimmen – und das zu allen Jahreszeiten. Wobei er meint, dass man das kaum noch Sport nennen könne: „Ich schaue, dass ich nicht untergehe.“
Von der Pfadi zu den Pontonieren
„Die Verhältnisse um mich herum haben mich eigentlich zu diesem Lebenslauf und dieser Leidenschaft gezwungen.“ Sein Vater war Pontonier und Schiffanbinder. Aufgewachsen ist Jean Widtmann in der Nähe des Rheins, also dürfte es nicht überraschen, dass der Polizist sich aufs Schwimmen und Rettungsschwimmen spezialisiert hat.
Doch eigentlich wollte er gar nicht zu den Pontonieren. „Ich wäre gerne bei der Pfadi geblieben, aber es kam der Zeitpunkt, als ich meinen Gürtel bekommen sollte.“ Damals habe dieser 30 Franken gekostet, eine Summe, die sein Vater nicht bereit war zu zahlen.
„Die, die in der Pfadi waren, waren die besseren Leute.“ Jedenfalls sei das zu dieser Zeit so in Diessenhofen gewesen, wo Jean Widtmann größtenteils aufgewachsen ist. Und zu diesen „besseren Leuten“ habe sein Vater schlicht und einfach nicht gehört. „‘Du kannst zu den Pontonieren gehen, das ist gratis‘, meinte mein Vater“, erzählt Widtmann weiter.
Zweifacher Schweizermeister
So kam es, dass er den Wassersport und den Rhein für sich entdeckte und eine lebenslängliche Leidenschaft gefunden hat. Im Nachhinein sei er froh, dass der Vater die 30 Franken nicht zahlen wollte oder konnte.

Bei Wettkämpfen habe er schließlich gemerkt, dass er eigentlich ziemlich gut sei. Weshalb es kaum überrascht, dass er 1964 sowie 1979 Schweizermeister im Einzelfahren wurde. Und das sogar in unterschiedlichen Positionen, was eine Seltenheit ist. Heute liegt das alles für ihn in der Vergangenheit. „Ich bin keinesfalls ein Held oder etwas in der Art“, sagt der 96-Jährige bescheiden. Noch heute ist er Mitglied bei den Pontonieren Schaffhausen.
Schwimmen auch im Winter
Trotzdem wagt es nicht jeder 96-Jährige, täglich mit dem Fahrrad an den Rhein zu fahren, um dort beim Pontonierhaus Rabenfluh baden zu gehen. Auch am Morgen des Interviews sei er schwimmen gewesen – die Wassertemperatur des Rheins lag da bei etwa 4,5 Grad Celsius. „Das macht mir nichts aus. Ich bin ja nur wenige Minuten im Wasser“, meint Widtmann zu den niedrigen Temperaturen. Allerdings: „Im Sommer hocke ich schon länger im Wasser.“ Heute schwimme er nur noch Kurzstrecken, denn: „Natürlich schlottert es jetzt auch immer ein bisschen.“
Dieser Artikel erschien zuerst bei den ‚Schaffhauser Nachrichten‘.