Taucherausrüstung, Spezialpapier und ein ganz normaler Bleistift. So sieht es auch, wenn Alexandra Ulisch Unterwasserschätze an Wracks erfasst. Von diesen gibt es am Bodensee besonders viele. Denn dieser diente Jahrtausende lang als eine der wichtigsten Handelsrouten. Wissenschaftler des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart suchen bis Anfang 2027 gezielt nach solchen Wracks im Bodensee. Das können Schiffe oder Flugzeuge sein, sogar Autos oder andere Gegenstände. In einer Diskussionsrunde im Kreuzlinger Seemuseum stellt Ulisch ihr Wirken vor.

Zwei Taucher bei einer Fotodokumentation im flachen Wasser.
Zwei Taucher bei einer Fotodokumentation im flachen Wasser. | Bild: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

Gesunkene Schiffe gelten als Zeitkapsel unter Wasser. Das vielleicht berühmteste Beispiel ist die „Jura“, das Dampfschiff, das 1864 nach einer Kollision sank. Es liegt in 40 Metern Tiefe auf dem Grund des Bodensees, etwa einen Kilometer nördlich von Bottighofen. 1953 wurde es zufällig entdeckt und 2004 vom Kanton Thurgau als Industriedenkmal unter Schutz gestellt. Die Zerfallsprozesse sind im vier Grad kalten Wasser ohne Licht und nennenswerten Sauerstoff extrem langsam. Deshalb ist zum Beispiel noch ein Topf mit Fett aus dem Schiff erhalten.

200 auffällige Punkte

Alexandra Ulisch hat aus vorhandenen Daten, die zur Vermessung des Bodensees angefertigt wurden, auf baden-württembergischem Terrain rund 200 auffällige Punkte ausfindig gemacht. Das können Erhebungen oder Abdrücke sein. Ob es sich um etwas Gesunkenes handelt, das für den Denkmalschutz relevant ist, gelte es erst noch festzustellen. Ein gesunkenes Sportboot aus den 50er-Jahren wäre das zum Beispiel nicht. Es sei zwar schön, aber die Archäologen wollten immer das Einzigartige, das für eine Zeit steht. Interessant wäre das Boot, stünde es als einziges Beispiel für ein Schiff mit einer bestimmten Motorart.

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Ulisch zeigt ein Bild, auf dem Teile von Holzfässern am Bodenseegrund zu erkennen sind. Sie ist gespannt, was sich dahinter verbirgt. Die Wissenschaftler wissen noch nicht, ob es sich um eine ganze Ladung handelt. „Das Wrack dazu kennen wir nicht.“ Um an Funde heranzukommen, müsse man manchmal erst „gärtnern“, denn es sei alles mit Wasserpflanzen zugewachsen. Manchmal gelte es auch, Steine wegzurollen. Auch unter Wasser gelten strenge Vorschriften des Arbeitsschutzes.

Ein auffälliger Steinhügel unter Wasser.
Ein auffälliger Steinhügel unter Wasser. | Bild: Amt für Archäologie Thurgau

Ulisch sagt: „Bis 30 Meter Tiefe kann ich effektiv arbeiten.“ Alles, was tiefer ist, sei wegen der Gesetze so kompliziert, dass sie lieber einen Tauchroboter einsetze. Der könne die Dokumentation in Film und Foto übernehmen und dank eines Greifarms Proben nehmen. Doch manchmal lasse sich ein abgelichtetes Objekt kaum erkennen. Schuld sei die eingeschleppte Quagga-Muschel. Sie verbreitet sich im Bodensee rasend – oft sehe man vor lauter Muscheln nichts mehr.

Das sieht der Kantonsarchäologe Hansjörg Brem aus dem Thurgau ähnlich. Noch wisse man nicht, ob die Klebefäden der Muscheln Oberflächen aus Metall und Holz schädigen. Dies werde gerade wissenschaftlich untersucht. Dazu kommen mechanische Einflüsse in Flachwasserzonen. Er weist darauf hin, dass es Freizeittauchern untersagt ist, in solchen Zonen Metalldetektoren zu verwenden. Oft bekommen die Wissenschaftler Hinweise von Freizeitsportlern, weil sie in Flachwasserzonen ungewöhnliche Strukturen entdeckt haben.

„Es wird nichts mitgenommen“

Und wie sei das nun mit Raubtauchern am Bodensee, fragt Moderator Christian Hunziker, der Leiter des Seemuseums in Kreuzlingen. Freizeittaucher Matthias Eisenmann sieht die Wild-West-Zeiten, in denen man einfach mitnahm, was man im nassen Gab fand, schon lange beendet. Er berichtet, wie schon in den 90er-Jahren verbindliche Richtlinien für Taucher entstanden, um Wracks nicht zu schädigen. Eisernes Gesetz: „Es wird nichts mitgenommen.“ Zudem verhalte man sich möglichst schonend. Das Holz unter Wasser ist weich: „Jede Berührung schadet.“

Als Taucher sei man versucht, in Wracks zu tauchen. Dies müsse aber in einer besonderen Technik erfolgen, damit keine Bakterien freigesetzt werden, die dem Entstehen von Pilzen und damit der Zersetzung Vorschub leisten können. Er sieht einen ganz anderen Trend. „Jahrelang haben wir nur über die ,Jura‘ gesprochen.“ Jetzt greife ein Entdecker-Geist um sich. „Es wird mehr gesucht.“ Viele Taucher wollten unbedingt ein Wrack oder eine andere archäologisch relevante Sache finden. „Das macht mir Sorgen.“

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Freizeittaucher Harald Utz gehört zu denen, die daran arbeiten, dass sich die Faszination von Wracks im Trockenen erleben lässt. Er schafft dreidimensionale Modelle. Dafür macht er bei Tauchgängen hunderte Fotos von einem gesunkenen Objekt. Mithilfe einer Spezialbrille lassen sich die Funde später virtuell erkunden. Für Harald Utz gelten keine Arbeitsvorschriften. Mit den entsprechenden Geräten und der Ausbildung sei es möglich, länger und tiefer zu tauchen. 100 Meter seien da kein Problem.

Christian Hunziker vom Seemuseum spricht davon, dass die 30 Jahre alte Ausstellung in Kreuzlingen nach und nach überarbeitet und erneuert werde. Ein neuer Schwerpunkt solle das Thema Unterwasserfunde sein. Noch ist das Seemuseum allerdings bei den ersten Plänen.