Jeder, der an der Grenze lebt, hat es schon einmal beobachtet: Schweizer, die in Deutschland einkaufen. Und Deutsche, die in der Schweiz tanken. Doch es geht auch andersrum. Und es ist für beide Seiten ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, wie zwei Betriebe auf der schweizerischen und deutschen Seite der Grenze schildern. Sie haben ihr Angebot entsprechend angepasst und nennen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede.
Bereits in dritter Generation betreibt die Familie Rupf den Supermarkt Migros Partner in Ramsen. Außerdem betreut sie für Migrol die gleichnamige Tankstelle, die ein paar Meter weiter auf der Grenzstraße liegt. Dort sind die Deutschen ein bedeutender Teil der Kundschaft: Laut Geschäftsführer Martin Rupf kommen über 60 Prozent der Einkäufer und Tankgänger aus Deutschland. Für ihn ist klar: „Das ist ein sehr wichtiger Anteil – wir leben vom Grenzgeschäft.“
Das sind die Vorlieben der deutschen Kunden
Somit hat Migros zwei unterschiedliche Kundengruppen, wie der Geschäftsführer betont: Die Nahversorger aus der Schweiz und die deutschen Kunden, die teils auch einen weiteren Weg auf sich nehmen. Dieser Unterschied macht sich auch im Einkaufsverhalten bemerkbar, so Rupf. Während erstere für den täglichen Bedarf einkaufen, sich also der gesamten Sortimentbreite bedienen, kaufen zweitere nur spezifische Produkte.
„Beliebt bei den deutschen Kunden sind vor allem Nudeln, Schokolade und Gewürze, aber auch einige Produkte, die es in Deutschland eben nicht gibt“, fasst Rupf zusammen. Nach diesen Vorlieben richte der Schweizer Supermarkt sein Angebot aus, indem diese Produkte in verschiedensten Sorten beschafft würden. Darüber hinaus habe sein Betrieb auch sonntags geöffnet, wie Rupf bestätigt. Dafür würden die Deutschen den Weg über die Grenze gerne auf sich nehmen.

Wie wichtig der Grenzverkehr ist, zeigte sich während der Corona-Pandemie, als der Übergang zwischenzeitig nicht möglich war: „Wir haben rund 35 Prozent unseres Umsatzes verloren, weil keine Grenzgänger mehr zum Einkaufen kommen konnten“, berichtet der Geschäftsführer. Generell sei der Anteil der deutschen Kunden in den vergangenen Jahren merklich gesunken. Martin Rupf führt dieses Phänomen darauf zurück, dass der Eurokurs schlechter geworden sei.
Deutsche kaufen Gemüse, Gewürze und Wasser
Es kam aber auch zu positiven Entwicklungen, so Rupf. Durch die Inflation würden deutsche Kunden jetzt sogar ihr Gemüse in der Schweiz kaufen, da die Produkte zum Teil günstiger seien, gleichzeitig aber hochwertiger. Und selbst das Wasser sei inzwischen attraktiv: „Es ist bei den Deutschen tatsächlich immer beliebter geworden, literweise Wasser hier einzukaufen, weil es kein Pfand gibt“, sagt der Geschäftsführer.
Dass andererseits einige Schweizer nach Deutschland zum Einkaufen gehen, weil sie die Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommen, sei eine Herausforderung für den Schweizer Handel, wie Rupf sagt. Dementsprechend habe seine Firma Strategien entwickelt, um die Schweizer in Ramsen zu behalten: „Wir arbeiten mit Preissenkungen, um konkurrenzfähiger gegenüber den deutschen Discountern zu sein.“ Dadurch bleiben dem Geschäftsführer zufolge tatsächlich einige auf dem Weg nach Deutschland beim Migros in Ramsen hängen.

Wie die Preise das Geschäft beeinflussen
Der Tanktourismus, der laut Martin Rupf ausschlaggebend für die Gründung der „Familie Rupf AG“ war, hat in Ramsen eine bedeutende Stellung. Doch auch hier kam es in den vergangenen Jahren zu spürbaren Veränderungen: „Früher hat es sich für die Deutschen gelohnt, in der Schweiz zu tanken, aber inzwischen macht es preislich keinen wirklichen Unterschied mehr“, beklagt Rupf. Doch das Tankgeschäft sei immer preisabhängig und auf eine Durststrecke würden erfahrungsgemäß auch wieder bessere Zeiten folgen.
Der Vergleich: Überraschend viele tanken auf deutscher Seite
Doch eine Grenze hat immer zwei Seiten – erst ein Blick auf die deutsche Seite komplettiert das Bild. Auf der ehemaligen Grenzstraße B34 in Bietingen liegt die Tankstelle Avia, die 1960 eröffnet wurde. Vor Kurzem hat Kosta Taktsides den Betrieb von seinem Onkel übernommen. Auch wenn die Familie den vorherigen Pächter erst vor zehn Jahren ablöste, kennt Taktsides die Geschichte der Tankstelle: „Damals gab es den Tunnel noch nicht, weshalb es attraktiv war, eine Tankstelle quasi direkt an der Grenze anzubieten.“
Denn einige hätten die Gelegenheit genutzt, vor dem Grenzübertritt noch schnell auf deutschem Boden zu tanken. Auch heute sei das durchaus noch üblich. Vor allem beim Fernreiseverkehr: „Reisende aus dem Norden beispielsweise machen gerne einen Tankstopp vor der Grenze, weil sie Angst vor den schweizerischen Preisen haben, auch wenn das beim Sprit ja nicht der Fall ist“, sagt der Avia-Betreiber.

Doch auch einige Schweizer gehören ihm zufolge zu den Kunden. Denn wenn diese zum Einkaufen ins deutsche Grenzgebiet kämen, hielten sie gerne auf dem Weg an der Tankstelle. „Geschätzt machen die Schweizer zwischen 20 und 40 Prozent unserer Kundschaft aus. Der genaue Anteil ist preisabhängig, momentan kommen wegen dem niedrigen Kurs relativ viele“, so Taktsides.
So hat sich die Pandemie ausgewirkt
Während der Corona-Pandemie sei allerdings bedeutend weniger Betrieb gewesen, was auch zu reduzierten Öffnungszeiten geführt habe. „Da merkt man mal, was es für einen Unterschied macht, wenn die Grenze zu ist“, betont der Inhaber.
Obwohl es generell schön sei, wenn der Umsatz im eigenen Land bleibt, ist Kosta Taktsides bewusst, dass grenzüberschreitende Geschäfte wichtig sind. Und sie funktionieren auch: „Die Schweiz ist keine Konkurrenz. Wir haben unterschiedliche Zielgruppen.“ Denn es sei ein Wechselspiel: Die Deutschen fahren in die Schweiz zum Tanken von Super-Benzin, die Schweizer kämen nach Deutschland für den Diesel.