Es ist ein trauriger Zufall. Fast auf den Tag drei Jahre ist es her, seit der damals neunjährige Leo in Laufenburg im Kanton Aargau aus einem Fenster fiel und sich schwerste Verletzungen zuzog, die ihn bis heute beeinträchtigen. Genau in diesen Tagen nun hat das Schweizer Bundesgericht sein Urteil zum Fall gefällt, wie der regionale Privatfernsehsender Tele M1 berichtet.

Es passiert am 14. September 2020 nach dem Mittagessen

Was genau ist passiert? Es war der 14. September 2020, ein Montag, kurz nach dem Mittagessen. Leo spielte mit einem anderen Kind in einem Zimmer der Schülerbetreuungseinrichtung mit einer Plüschgiraffe werfen und fangen. Ein Fenster im Raum stand offen. Das Lüften war Bestandteil der damaligen Covid-19-Empfehlungen. Als die Betreuerin das Zimmer kurz verließ, um nach den anderen Kindern zu schauen, kletterte Leo auf den Fenstersims, hüpfte herum – und stürzte in die Tiefe.

Der damals Neunjährige verletzte sich beim Sturz schwer und musste ins Spital.
Der damals Neunjährige verletzte sich beim Sturz schwer und musste ins Spital. | Bild: Zvg

Schwerste Verletzungen, mehrfache und stundenlange Operationen

Er verletzte sich beim Sturz auf den Plattenboden fünf Meter tiefer schwer: Schädelbruch, Hirnhautriss, Knochenbrüche und schwere innere Verletzungen waren die Folgen. Der Junge musste mehrfach und teils über viele Stunden hinweg operiert werden, lag wochenlang im Universitäts-Kinderspital beider Basel, auch auf der Intensivstation.

Der Vorwurf: Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht

Nach dem Vorfall hatte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-­Laufenburg gegen die Mitarbeiterin des Mittagstischs einen Strafbefehl wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht erlassen. Weil die Mitarbeiterin dagegen Einsprache erhob, kam es zur Verhandlung am Bezirksgericht Laufenburg – das die Frau freisprach.

Die Mutter nimmt den Freispruch des Bezirksgerichts nicht hin

Das wiederum wollte Marta K., Mutter von Leo, nicht akzeptieren. Wie später auch das Urteil der Zweitinstanz, des Aargauer Obergerichts, das in der Berufungsverhandlung in diesem Frühjahr das Urteil des Bezirksgerichts bestätigte und die Betreuerin von den Vorwürfen der fahrlässigen schweren Körperverletzung und der Verletzung der Fürsorgepflicht freisprach. Marta K. will nicht hinnehmen, dass gilt, ihr Sohn sei selbst schuld gewesen an seinem lebensgefährlichen Fenstersturz.

Wie schon die erste Instanz konnte allerdings auch das Obergericht im Verhalten der Beschuldigten keine Verletzung der Sorgfaltspflicht erkennen. Eine Betreuungsperson müsse nicht jede erdenkliche Gefahr erkennen und ausschließen können, lautete der Urteilstenor.

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Schließlich zieht sie bis vors Bundesgericht

In ihrem verzweifelten Kampf zog die Mutter das Urteil des Obergerichts weiter. Nun liegt der Entscheid des Bundesgerichts vor. Dieses bestätigt das Urteil der Vorinstanzen, indem es nicht auf die Beschwerde eintritt. Auch Zivilansprüche – Leos Mutter hatte Schadenersatz und Genugtuung gefordert – könnten keine geltend gemacht werden, „wenn das Gemeinwesen für die der beschuldigten Person vorgeworfenen Handlungen haftet“, heißt es im Urteil unter anderem.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege weist das Bundesgericht wegen Aussichtslosigkeit ab. Marta K. muss demnach für die Gerichtskosten in Höhe von 1200 Franken aufkommen. Sie sei erschüttert und traurig über das Urteil, sagt sie gegenüber dem Fernsehsender.

Die Autorin ist Redakteurin der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.

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