Immer mehr Schweizer Landwirte beackern Felder auf deutschem Gebiet. Ein Problem vor allem für Landwirte in der Grenzregion. Auf dem Bauernhof von Daniel Meister kommen Verteter aus Deutschland und der Schweiz zusammen und schildern ihre Sicht der Situation – vor laufender Kamera.

Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes, und Oswald Tröndle, Vorsitzender des Kreisverbands Waldshut des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes, debattieren darüber, dass entlang der Grenze zur Schweiz inzwischen 5703 Hektar deutsches Land im Besitz von Schweizer Landwirten ist, sei es gekauft oder gepachtet.

Das könnte Sie auch interessieren

Bis zu dreimal höhere Pacht- und Kaufpreise

Und das hat Folgen: Was darauf wächst, können die Landwirte zollfrei in die Schweiz einführen. Sie können in Deutschland mehrwertsteuerfrei Betriebsmittel kaufen und bekommen EU-Fördergelder obendrein. Sie sind wirtschaftlich so stark, dass sie den Landbesitzenden inzwischen bis zu dreimal höhere Pacht- und Kaufpreise bieten können. Südbadische Bauern ziehen da oft den Kürzeren. Was mitunter den Betrieben existenziell zusetzen kann.

Auch Daniel Meister, Gastgeber des Streitgesprächs, war jüngst davon betroffen. Sein Verpächter wurde statt mit ihm, mit einem Schweizer Kollegen einig. Die dreimal höhere Pacht, die dieser zu zahlen bereit war, gab wohl den Ausschlag, sagt Meister. Im Video schildert er seine Situation:

Die Geschichte von Daniel Meister Video: Nico Talenta

Im direkten Gespräch strittige Punkte klären

Gerade rund um Stühlingen ist der Schweizer Landbesitz verbreitet. Daher wählte der SÜDKURIER auch einen sich dort befindlichen landwirtschaftlichen Betrieb als Veranstaltungsort für das Streitgespräch aus, das Redakteur Hans Christof Wagner moderierte. Es fand in Daniel Meisters Kuhstall statt. Die Initiative dazu war vom Schaffhauser Bauernverband ausgegangen.

Das Streitgespräch stieß auf reges Interesse. Zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte aus der Region Stühlingen nahmen daran teil.
Das Streitgespräch stieß auf reges Interesse. Zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte aus der Region Stühlingen nahmen daran teil. | Bild: Sandra Bonitz

„Wir haben es als sinnvoll erachtet, im direkten Gespräch die strittigen Punkte zu klären“, sagte Graf eingangs. Tröndle sprach von einem „gigantischen Wettbewerbsnachteil“, den deutschen Bäuerinnen und Bauern in der Grenzregion gegenüber ihren Schweizer Kollegen hätten. Er unterstrich: „Seit den 80er Jahren sind wir an dem Thema dran. Bis jetzt ohne nennenswerte Ergebnisse.“

Kritik an Grenzabkommen von 1958

Inzwischen sollen nicht nur Ackerflächen, sondern ganze Höfe in der deutschen Grenzregion im Schweizer Besitz sein. Laut Tröndle sollen Schweizer Höfe aufkaufen, „aufhübschen“ und an „einen Pferdebesitzer oder Aussteiger“ weiterverkaufen. Das Gros des zugehörigen Landes aber nutzten sie selbst. Und würden dann die Flächen von Deutschland aus bewirtschaften. Dabei – auch das war Thema – dürfte das nicht sein. Die Bewirtschaftung der im deutschen Ausland liegenden Flächen muss von der Schweiz selbst aus erfolgen. Das sieht ein Grenzabkommen von 1958 vor.

Das, so Tröndles Forderung, gehöre nach fast 70 Jahren Gültigkeit aufkündigt. Aber, und das wurde auch klar: So einfach ist das nicht. Denn das Abkommen regelt nicht nur landwirtschaftliche Themen, sondern auch Bereiche wie Grenzgänger und Fluglärm.

Das Abkommen einfach aufkündigen? Video: Nico Talenta

Immer wieder war im Gespräch von „Grauzonen“ die Rede. Von den eingeschränkten Möglichkeiten, die Einhaltung der Regeln im Grenzgebiet in der Praxis einzuhalten. Graf unterstrich, wie Kontrollen und Auflagen seitens des schweizerischen Zolls gerade in jüngster Zeit zugenommen hätten. Er widersprach auch dem von Tröndle geäußerten Vorwurf, die Schweizer düngten und spritzen mehr als ihre deutschen Kollegen. Schränkte indes ein: „Aber wenn es so sein sollte, ist es halt auch wieder eine Grauzone. Die individuell ein Landwirt überschreitet.“

Swiss-Produkte von deutschem Boden?

Schweizer, die auf deutschem Boden landwirtschaftliche Produkte anbauen und diese zuhause dann als Swiss-Produkte vermarkten, ist das nicht ein Etikettenschwindel? „Nur bedingt“, so Graf. Deutsche Flächen, die schon vor 1985 im Besitz oder in Pacht eines Schweizers war, seien vollauf gleichwertig zu schweizerischen.

Nur bei dem, was danach in Schweizer Besitz gekommen ist, sei dieses Recht eingeschränkt bis aufgehoben, führte der Schaffhauser Bauernverbandspräsident aus. Aber eben: auch hier Grauzone, denn wer könne in der Praxis schon kontrollieren, wo was wächst.

Das Streitgespräch wurde auf Video aufgezeichnet.
Das Streitgespräch wurde auf Video aufgezeichnet. | Bild: Sandra Bonitz

Und nicht minder vertrackt: Würde man den deutschen Bauern den Schweizer Agrarmarkt öffnen, würden das Schweizer Bauern wohl ebenso als ungerecht empfinden, argumentierte Graf. Könnten die deutschen doch vergleichsweise viel günstiger produzieren.

Das haben die Vertreter mitgenommen Video: Nico Talenta

Tröndle plädierte für regionale Lösungen: Warum Vieh aus der Region zum Schlachten nach Ulm oder Pforzheim fahren, wenn der Schlachthof in Zürich doch viel näher liegt? Warum nicht den deutschen und den Schweizer Klettgau zusammen denken?

Das Fazit

Nach rund 30 Minuten Schlagabtausch war man sich einig: Wenn nur die Region selbst zu entscheiden hätte, wäre man schon weiter. Aber weil Stuttgart, Berlin und Bern mitreden, ist es eben komplizierter. Deutlich wurde: Man kennt sich über Staatsgrenzen hinweg und ist sich auch nicht spinnefeind. Es wurde stets sachlich, fair und konstruktiv diskutiert. Aber klar wurde auch: Es ist die deutsche Seite, die mit dem Ist-Zustand hadert und ihn beendet haben möchte.