Die Zahlen kennen nur eine Richtung – nach oben. An der Grenze zur Schweiz werden inzwischen 5703 Hektar Land durch Schweizer Landwirte bestellt. Auf dieser Fläche könnte man einmal die komplette Stadt Konstanz oder zweimal Bad Säckingen aufbauen.

Und genau in diesen Bereichen kaufen und pachten Schweizer Landwirte vor allem Land: in den Landkreisen Waldshut und Konstanz. Nur ein kleiner Teil ihrer Äcker liegt in Lörrach, Tuttlingen und im Schwarzwald-Baar-Kreis.

Ein Schwerpunkt im Kreis Waldshut ist Stühlingen und die gesamte Grenze zum Schaffhauser Klettgau. „Weil dort die Böden am besten sind“, sagt Oswald Tröndle, Vorsitzender des Kreisverbands Waldshut des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV).

Sein Kollege aus Konstanz macht Wiechs am Randen als Hotspot aus. Das Ackerland unter Schweizer Bewirtschaftung ziehe sich aber bis in den Schwarzwald-Baar-Kreis, sagt Stefan Leichenauer.

Schweizer Besitz hat sich verdoppelt

Die Dimensionen schweizerischen Besitzes in den deutschen Grenzkreisen sind jüngst durch eine Anfrage von Sabine Hartmann-Müller, CDU-Landtagsabgeordnete mit Wahlkreis Waldshut, publik geworden. Die Landesregierung lieferte daraufhin Zahlen, die ältesten von 2014. Dem SÜDKURIER liegen weitere Statistiken vor, die bis 2002 zurückreichen. Verglichen damit, hat sich der Flächenanteil in Schweizer Besitz verdoppelt.

Inzwischen besäßen Schweizer auf der deutschen Seite teils ganze Höfe samt Gebäuden, sagt Tröndle. Von dort aus beackerten sie ihre Flächen, obwohl das eigentlich von einem Schweizer Betriebsstandort aus erfolgen müsse – mit der Traktorfahrt über die Grenze.

Prominentes Beispiel: Schloss Hohenlupfen

Prominentestes Beispiel für einen Schweizer mit Hofbesitz in Deutschland dürfte Martin Stamm aus Schleitheim (CH) sein. Er kaufte 2011 Schloss Hohenlupfen in Stühlingen samt den dazugehörenden Ländereien. Manche Quellen sprechen hier von mehreren hundert Hektar Land. Stamm selbst bestreitet jedoch, dass so viel Fläche zum Schloss gehört.

Ohnehin ist im Landkreis Waldshut vergleichsweise viel Land an Schweizer verkauft worden. Im Landkreis Konstanz sind Schweizer eher Pächter als Käufer.

100.000 Euro für den Hektar Land

Die 5703 Hektar Land liegen offiziell in einem Zehn-Kilometer-Streifen auf der deutschen Seite entlang der Landesgrenze zur Schweiz. Klar ist: Die Schweizerinnen und Schweizer reißen das Land nicht einfach an sich, sie pachten oder kaufen es ganz regulär. „Daran ist nichts illegal“, sagt auch der Konstanzer Landwirt und BLHV-Vorsitzende Stefan Leichenauer.

Die Schweizer Landwirte kommen an so viel Land, weil sie wirtschaftlich stark auftreten können. Sie zahlen Pachtpreise von 1000 Euro pro Hektar, „bis zu dreimal höher als ortsüblich“, wie Tröndle erklärt. Wenn sie das Land kaufen, seien sie bereit, bis zu 100.000 Euro für den Hektar hinzublättern, so Tröndle: „Da kann preislich kein Deutscher mithalten.“

Schnäppchen für Schweizer

Für die Schweizer sei das immer noch ein Schnäppchen. Wenn sie zuhause expandieren möchten, müssten sie noch weit tiefer ins Portemonnaie greifen, sagt der Landwirt, der in Höchenschwand Milchkühe hält. Von Kollegen wisse er, dass es den Fortbestand ihres Betriebes gefährden könne, wenn sie gegenüber den Schweizern den Kürzeren ziehen.

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Swiss-Produkte made in Germany?

Entsprechend stört sich der BLHV daran, dass die Schweizer so viel Land in der Zehn-Kilometer-Zone besitzen. Aber noch mehr, dass sie damit auch Vorrechte genießen.

Dazu zählen die zollfreie Einfuhr von dort wachsenden landwirtschaftlichen Produkten in die Schweiz, der mehrwertsteuerfreie Einkauf von Betriebsmitteln in Deutschland und die Inanspruchnahme von EU-Fördergeldern — obwohl deren Hofstellen im Nicht-EU-Ausland liegen und damit von den Behörden nicht kontrollierbar sind.

Üblich sei auch, trotz deutscher Herkunft, die Erzeugnisse in der Schweiz als Swiss-Produkte zu vermarkten, bringt Tröndle vor. Dabei sei es doch Importware. „Das ist kein fairer Wettbewerb“, stimmt Leichenauer zu.

Der Bauernverband hält sich bedeckt

Beim Schweizer Bauernverband (SBV) hält man sich zu dem Thema bedeckt. Gegenüber dem SÜDKURIER betont eine Sprecherin, dass die zollfreie Einfuhr in der Schweiz nur unter der Bedingung erlaubt sei, „dass der Anbau nicht weiter als zehn Kilometer von der Schweizer Grenze erfolgt“. Den Vorwurf, Produkte aus Deutschland als „Swiss Made“ zu verkaufen, kommentiert sie nicht.

Auch der Schaffhauser Bauernverband äußert sich vorerst nicht und verweist auf Anfang November. Dann beteiligt sich der Verband an einem Streitgespräch des SÜDKURIER zu diesem Thema.

Strenge Regeln

Tatsächlich sind die Regeln streng. Laut dem schweizerischen Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) sind „Tätigkeiten auf den ausländischen Grundstücken, welche nicht grenzüberschreitend stattfinden“ nicht zulässig: „So dürfen für die Bewirtschaftung keine Wirtschaftsgebäude im Ausland oder ausländische Gerätschaften genutzt werden. Ebenfalls unzulässig ist die Anstellung von Arbeitnehmenden nach ausländischem Recht oder die Einlagerung von Ernteerzeugnissen im Ausland.“

Wer grenzüberschreitend arbeiten will, muss zudem seinen „Wohnsitz in der schweizerischen Grenzzone (zehn Kilometer ab Grenze) haben.“

Keine deutschen Bauern in der Schweiz?

Dieser Zehn-Kilometer-Streifen entlang der Landesgrenze zur Schweiz hat natürlich ein Pendant – zehn Kilometer auf Schweizer Terrain. Dass darin auch südbadische Bauern Land besitzen, kann nicht für alle Grenzkreise ausgeschlossen werden. Tröndle aber sagt: „Im Kreis Waldshut kenne ich keinen.“ Auch der SBV hat dazu keine Zahlen.

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Aber selbst wenn es sie gäbe: Um ebenfalls zollfrei in die Schweiz exportieren zu können, müssten Deutsche ihren Betriebssitz in der Schweiz haben. Allein der Landbesitz dort wäre dafür nicht ausreichend.

Dabei ist der Schweizer Markt lukrativ. Während sich jenseits der Grenze für 100 Kilo Weizen umgerechnet 55 bis 65 Euro erlösen lassen, liegt der Preis hierzulande bei vergleichsweise mageren 20 bis 30 Euro.

Hinweis der Redaktion: Martin Stamm hat sich nach Erscheinen des Artikels gemeldet, wir haben seine Stellungnahme nachträglich eingefügt.