Hoch über dem Untersee thront das Schloss Freudenfels auf einem Felssporn. Von Eschenz aus führt ein Wanderweg durch Mischwald steil nach oben. Dort angekommen, bietet sich den Besuchern ein fantastischer Blick über den Untersee und Rhein, direkt gegenüber liegt das deutsche Öhningen. Strahlend weiß präsentiert sich das Haus mit seinen charakteristischen rot-weißen Fensterläden. „Das war nicht immer so“, erfahren die Besucher von Michèle Warna. Die dynamische Frau führt beim ersten Tag der offenen Tür durch das Haus und erzählt von dessen wechselvoller und teilweise rätselhafter Geschichte.
Begonnen habe demnach alles im 12. Jahrhundert mit einem Wehr- und Wohnturm. „Zur Überwachung der Rheinschifffahrt“, erläutert die Geschäftsführerin der Schloss Freudenfels AG. Genauer zusammengetragen hat Michel Guisolan die Historie in einer Dokumentation für Hausgäste. Vor allem die Gründungsgeschichte ist danach mit einigen Fragezeichen versehen.
Gesichert ist seinen Recherchen zufolge jedoch, dass Freudenfels im 13. Jahrhundert zum Besitz der Freiherren von Hohenklingen zählte. Deren Stammsitz, die Burg auf der anderen Rheinseite, ist von Schloss Freudenfels aus gut zu sehen. Es folgten zahlreiche Besitzerwechsel, verbunden mit Erbstreitigkeiten. „1623 ging das Schloss durch Verkauf an das Kloster Einsiedeln. Man wollte die Region zu mehr Glauben bewegen“, erzählt Michèle Warna. „Bis heute gehört Schloss Freudenfels zum Kloster.“
Aufmerksam hören die Besucher zu, betrachten die barocken Stuckdecken und Malereien an den Türen im sogenannten Sommerhaus. Michèle Warna freut sich über das große Interesse. Zum ersten Mal hat sie in das denkmalgeschützte Ensemble eingeladen. „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, das Schloss kennenzulernen“, sagt sie.
Eine Zeitzeugin erzählt vom Leben im Schloss
„Es hat sich schon viel verändert“, stellt Ida Grutschnig fest. Sie kennt Schloss und Wiiberhuus sowie den Landwirtschaftsbetrieb in- und auswendig. Von 1959 bis 1968 hat sie mit ihrer Familie im Schloss gelebt, danach bis 1990 im Wiiberhuus. „Ich habe in der Küche am großen gusseisernen Holzofen für alle gekocht und Brot gebacken“, erzählt sie und zeigt, wo früher alles stand. Heute ist hier eine moderne Edelstahlküche eingebaut.
In zwei Wochen wird Ida Grutschnig 87 Jahre alt. Sie hat noch den Haushalt für den letzten Statthalter von Einsiedeln, Pater Wilfried Stillhart, geführt. „Alle haben ihn Pater Blitz genannt“, erzählt sie, „weil er für seine kurzen Predigten und seinen rasanten Fahrstil bekannt war.“ Offenbar war der Pfarrer immer in Eile, musste er doch auch Gemeinden auf der Höri und im Hegau bis nach Singen mitbetreuen.

Wenn Ida Grutschnig von dieser Zeit erzählt, so spürt man förmlich, wie die Vergangenheit in ihr lebendig wird. Die Küche war ihr Reich. Sie zeigt, wo der Ofen stand, wo die Töpfe und Kannen in Regalen untergebracht waren und wo sie das Geschirr von Hand spülen musste. Nur die gusseisernen Türen in der Wand zeugen heute noch von der alten Befeuerungsstelle. In der heutigen Rezeption befand sich damals das Wasch- und Backhaus.
Durch ihre Schwester, die Pfarrköchin in Eschenz, kam Ida Grutschnig ins Schloss. Pater Stillhart war dorthin versetzt worden, nachdem eine Lawinenkatastrophe mit 54 Toten seinen früheren Einsatzort Blonz zerstört hatte.

Als der Pater kam, war Freudenfels längst ein Hofgut mit Landwirtschaft. Sie diente der Finanzierung des Anwesens. Doch ein Brand zerstörte die Scheune, im heutigen Hoteltrakt sieht man noch Reste der alten Giebelwand aus Feldsteinen. Im Erdgeschoss befindet sich jetzt ein Bankettsaal und ein Auditorium. Vom Gästehaus gelangt man in den hoch gelegenen Rosengarten, von dem aus die Besucher einen weiten Blick über die Landschaft genießen können.

Zusammen mit ihrer Mutter interessiert sich Edith Grutschnik jedoch mehr für die früheren Wohngebäude. „Hier habe ich meine ganze Jugend verbracht“, erzählt die Tochter und berichtet ihrem Lebenspartner von ihren Abenteuern auf dem Areal. Immer seien ihre Schulkollegen zu Besuch gekommen. „Weil alle mal ins Schloss wollten“, sagt sie.
„Hier im Schlosshof haben wir auch sensationelle Partys mit bis zu 100 Leuten gefeiert.“ Und voller Anerkennung würdigt sie die Leistung ihrer Mutter, die neben der eigenen Familie mit sechs Kindern den Statthalter und mehrere Pater plus Personal bekocht hat. Der Tag der offenen Tür ist für die Grutschnigs eine schöne Reise in die Vergangenheit.

Unterdessen schreiten die anderen Besucher andächtig durch die Räume, bewundern den Ausblick, bestaunen die kleine Bibliothek, die Stuckdecken, die Treppenhäuser und die Dielen. Die Marti AG hatte Freudenfels 1991 gepachtet und unter Denkmalschutzbedingungen zu einem Fortbildungszentrum umgebaut. 1996 übernahm die Liechtenstein Academy Foundation das Haus und kümmert sich mit jährlichen Renovierungen um die Instandhaltung. Und Michèle Warna hält den Betrieb am Laufen.