
Ein Blick über die Reling zeigt den Grund des Rheinfallbeckens glasklar und so nah wie schon lange nicht mehr. Thomas Mändli wirft den Bootshaken in das Wasser und misst die Tiefe: „Das sind etwas über drei Meter“, sagt der Geschäftsführer der Schifffahrt vor Ort.

Schiffsführer haben Glück gehabt
Weil es im Februar und März zu wenig geregnet hat, ist der Wasserpegel stark gesunken. Während Boote am Bodensee auf dem Trockenen liegen, sind im Rheinfallbecken noch einige unterwegs. Und das, obwohl die Lage historisch ist.
Ein paar Kilometer flussaufwärts verbindet die Flurlingerbrücke die Kantone Schaffhausen und Zürich. An der Rheinbrücke misst das Schweizer Bundesamt für Umwelt die sogenannte Schüttung, auch Abfluss genannt. Sie gibt an, wie viel Wasser in Richtung Rheinfall fließt.
Dass es im Rheinfallbecken dennoch genug Wasser gibt, hat einen Grund. „Wir liegen hier in der glücklichen Lage, im Staubereich des Kraftwerks Rheinau“, erklärt Mändli.

So könne das Wasser im Rheinfallbecken hydraulisch reguliert werden. „Bei dieser aktuellen Tiefe muss es bleiben. Sonst können die Boote hier auch nicht mehr fahren“, sagt der Geschäftsführer.

Er lenkt in Richtung des Wasserfalls. Besonders auf der linken Seite ist das Ausmaß der aktuellen Trockenheit zusehen.
Die Erwartungen der Touristen bleiben teilweise unerfüllt

„Einige der Besucher haben sich den Rheinfall imposanter vorgestellt“, weiß Adrian Provinski, Leiter des Info-Shops, aus Gesprächen mit Touristen. Dennoch kämen sie aus aller Welt zu ihrem lang geplanten Tagesausflug her. Den Besucherzahlen tut das Niedrigwasser also keinen Abbruch. Das Gegenteil ist der Fall.

Ausnahmesituationen ziehen die Lokalen an
„Extreme Situationen ziehen immer Leute an. Die Einheimischen wollen dann schauen, wie es hier aussieht“, sagt Thomas Mändli. Auch das aktuelle gute Wetter lockt Menschen aus naher Umgebung an, so wie Aurel Beck aus Steckborn.
Er habe schon oft den Rheinfall besucht. Heute ergibt sich für ihn ein ganz anderes Bild: „Der Ausblickpunkt in der Mitte ist normalerweise von Wasser umgeben. Heute sieht man mehr Gestein drumherum“, erzählt der Besucher. Ist die Trockenheit ein Grund zur Sorge?
Wetterextreme geben ein mulmiges Gefühl
„Der Regen kommt wieder. Ich denke, das pendelt sich wieder ein“, sagt die Besucherin Amanda Rakic optimistisch. Dennoch bleibe ein mulmiges Gefühl. Die Tengenerin erinnert sich an das Hochwasser im Juni 2024. Von den sprudelnden Wassermassen bleiben an gleicher Stelle nur Pfützen liegen.
„Wenn die beiden Extreme noch extremer werden, auch wegen des Klimawandels, kann das schon ein Grund zur Sorge sein“, ergänzt Beck.
Touristen verbinden ähnliche Erfahrungen mit Niedrigwasser
„Das regt zum Nachdenken an“, sagt die Urlauberin Martha Rensmann. Ihr falle das Ausmaß der Trockenheit auch zu Hause in Frankfurt auf. Den Main habe sie alarmierend niedrig erlebt. „Wie entwickelt sich das wohl weiter?“, fragt sich auch ihr Mann Jochen Rensmann.

Die Sorgen rücken wieder in den Hintergrund, sobald sie ihren Blick auf den Rheinfall richten. Trotz Niedrigwasser bleibe der Anblick wunderschön, sagen die beiden Urlauber.
Viel Neues kann aktuell entdeckt werden
So empfinden auch die Schiffsführer, die den Rheinfall bei jedem Wetter erleben. Seit 11 Jahren ist David Oetterli Teil der Crew. Aktuell kann er mit dem Boot näher an den Wasserfall heranfahren als sonst.
„Dort, wo normalerweise Wasser herunterfällt, sieht man jetzt die Strukturen von den Felsen“, sagt Oetterli. Sein Kollege Renato Svensson macht auf das glasklare Wasser aufmerksam.

„Die Zuflüsse bringen aktuell keine Partikel und Sand“, erklärt er. So schön es auch für das Auge sein mag, wünsche er sich möglichst bald wieder Regen zum Wohle der Natur.