Männer und Frauen, die ihr Tun mit dem Tierschutz legitimieren, sind der Tierquälerei beschuldigt – für die Beschuldigten selbst eine „absurde“ Vorstellung. Zwei solcher Tierschutz-Aktivisten standen jetzt als Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Laufenburg – Anja Glivar aus Grenchen und Robert Rauschmeier aus Volketswil.
Die Verfahren gegen die beiden ist Teil einer ganzen Serie ähnlich gelagerter Fälle, die Laufenburgs Bezirksgerichtspräsident Beat Ackle seit vergangenem Jahr zu bearbeiten hat. Einer davon hat sich im oberen Fricktal zugetragen, und so ist Ackle für sämtliche Verfahren, auch für die außerhalb seines Gerichtsbezirks, verantwortlich.
Kundgebung vor dem Gericht
Dass sie den Vorwurf, sich mit ihren Aktionen – in Ställe eindringen, Ställe besetzen und dem Demonstrieren – unter anderem der Tierquälerei schuldig gemacht zu haben, für „absurd“ halten, hatten Glivar und Rauschmeier schon im Vorfeld der Verhandlung in Laufenburg unterstrichen, auch via Facebook-Seite mit dem Titel „Tierleid aufdecken ist keine Straftat“.
Dass sie vor Gericht stehen, weil sie Tierleid aufgedeckt und es an die Medien gebracht haben, machten die beiden auch bei der Kundgebung vor dem Bezirksgericht deutlich. Rund 30 Mitkämpferinnen und Mitkämpfer hatten sich dort eingefunden und hielten Transparente hoch. Glivar und Rauschmeier hatten sich eigens fein gemacht für den Anlass – er in Sakko, Hemd und Krawatte, sie in Schwarz und auf hohen Schuhen.
Demonstration beim Gericht
Elegant zu erscheinen, hatten die zwei schon auf Facebook angekündigt, und sie haben die Mitdemonstrierenden gebeten, „keine Kleidung mit provozierenden Sprüchen zu tragen und eher gepflegt zu kommen“.
Die Bewilligung für die Demo seitens der Stadt war wohl eine längere Prozedur, wie auch Stadtschreiber Marco Waser bestätigt. In erster Instanz nicht erteilt, kam es nach Anfechtung der Ablehnung zu einer vertieften Prüfung, wie Waser sagt. Schlussendlich wurde die Bewilligung in zweiter Instanz erteilt, aber an Auflagen geknüpft. Die exponierte Lage der Demo direkt vor dem Bezirksgericht hatte die Stadt alarmiert.
Schweinehalter nimmt Aktion stark mit
Aber letztlich hielt sich die Gruppe an die Auflagen, und alles blieb friedlich. Auch im Gerichtssaal war das Gros der Aktivistinnen und Aktivisten anwesend – großes Publikum für Ackle also. Der hörte zuerst einen Zeugen an – einen Schweinehalter aus dem Kanton Schaffhausen. Dessen Hof wurde im Sommer 2020 von einer sechzigköpfigen Personengruppe aufgesucht, zu denen Glivar und Rauschmeier auch gehörten. Vor Gericht sagte der Landwirt aus: „Die Aktion hat mich stark mitgenommen. Ich träume teilweise heute noch davon.“ Seine Tierhaltung auf dem Hof sei immer einwandfrei gewesen, sagte er. Er fordert von den Beschuldigten eine Genugtuung von 5000 Franken.
Glivar und Rauschmeier verteidigten sich selbst und trugen in ihren zum Teil einstündigen Plädoyers ihre Sicht der Dinge vor. Hausfriedensbruch, Nötigung, Tierquälerei und, im Falle Glivars, auch Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit waren die von der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg im Strafbefehl genannten Delikte.
Urteil erst im Sommer
Beide plädierten auf Freispruch in allen Punkten. Beide beriefen sich auf einen inneren Notstand, der ihnen zwecks Wahrung der Tierwürde keine Wahl gelassen habe. „Ich bitte Sie, unser hohes ethisches Anliegen bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen“, appellierte Glivar an Ackle. Der wird sein Urteil aber erst im Sommer fällen.
Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“. Dort wurde dieser Beitrag zuerst veröffentlicht.