Gleich vier Kantonspolizisten waren aufgeboten, um das Bezirksgericht im Schweizer Laufenburg bei einem Prozess gegen eine Tierschutzaktivistin zu sichern. Zwei hatten das Außenareal im Auge, zwei sicherten den Gerichtssaal. Sie waren wohl davon ausgegangen, dass es im Vorfeld des Verfahrens zu Demonstrationen kommen würde. Angekündigt waren sie. Aber die Beschuldigte hatte sich noch kurz zuvor dagegen entschieden, sie durchzuführen.
Angeklagte: „Die Massentierhalter sind für mich die wahren Tierquäler“
Zu ihrem Verfahren Mitte Februar vor dem Bezirksgericht war die 25-Jährige Aarauerin begleitet von ihrem Partner und einer Freundin erschienen. Der jungen Frau, aufgewachsen im Fricktal, war es anzumerken: Vor Gericht zu stehen wegen Hausfriedensbruch, Tierquälerei und Nötigung und vom Laufenburger Gerichtspräsidenten Beat Ackle dazu befragt zu werden, stresste sie. Und doch gab sie sich kämpferisch. Sie sagte: „Paradoxerweise werde ich heute hier der Tierquälerei beschuldigt, das ist doch abstrus. Die Massentierhalter sind für mich die wahren Tierquäler.“
Die Frau stand aufgrund zweier Aktionen vor dem Bezirksgericht im Schweizer Laufenburg: Im Juni 2020 war sie mit Mitstreiterin Anja Glivar nachts in einen Fricktaler Truthenennenstall eingedrungen. Ein Jahr darauf war das Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten ein Hühnerstall im Baselbiet. Beide Male waren sie auf tote, kranke und verletzte Tiere gestoßen, die sich teils mitten unter den lebenden befunden hatten und um die sich nicht gekümmert worden sei, wie die Angeklagte gegenüber Ackle ausführte.
Ein Fernsehteam begleitete die beiden Aktivistinnen
Die von ihr und ihrer Mitstreiterin im Fricktaler Putenstall gemachten Fotos und Videos sehen zu können, darauf hätten Konsumenten ein gutes Recht, sagte die Angeklagte. Und deren Bilder wurden auch gezeigt – im Fernsehen, weil ein „Rundschau“-Team die Frauen bei der Fricktaler Aktion begleitet hatte. „Denn in der Werbung bekommen die Leute nur schöne Bilder zu sehen, die nicht der Wahrheit entsprechen“, sagte die Beschuldigte vor dem Bezirksgericht aus.
Heute distanziert sich die 25-Jährige von den damaligen Aktionen
Die heute 25-Jährige distanzierte sich aber, drei und zwei Jahre danach von den damaligen Aktionen. Sie sagte: „Ich würde das heute nicht mehr machen. Ich entschuldige mich bei den betroffenen Bauern. Ich wollte ihnen und ihren Familien damit nicht schaden.“
2020 und 2021 aber habe sie aus einer „persönlichen Notsituation“ heraus gehandelt, wie sie betonte. „Verzweifelnd“ darüber, dass das Leid der Tiere nur wenige interessiert habe, sah sie sich zu den Aktionen gezwungen. Sie habe damit wachrütteln wollen. Dennoch unterstrich sie: „Strafrechtlich relevant waren meine Taten nie. Ich fordere daher einen Freispruch in allen mir zur Last gelegten Punkten.“
Denn auch wenn sie Tierhalter damit in ihren Rechten verletzt haben sollte, sei der Schutz der Tierrechte stets höher zu gewichten, argumentierte sie. Um darum sei es ihr und den anderen der Gruppe stets nur gegangen. Sie plädierte auf Freispruch und bezeichnete die von der Staatsanwaltschaft geforderte bedingte Geldstrafe von 4800 Franken und die Geldbuße über 1200 Franken auch angesichts ihres nur geringen Lohns als „völlig unverhältnismäßig“.
Am Donnerstag verhandelt das Bezirksgericht gegen die zweite Aktivistin
Zu welchem Urteil Ackle gelangen wird, bleibt abzuwarten. Am Tag der Verhandlung fällte er noch keines. Er wird erst noch das Verfahren gegen die zweite Tierschutzaktivistin abwarten. Es ist auf Donnerstag, 16. März, 13.30 Uhr vor dem Bezirksgericht Laufenburg terminiert. Der Verhandlung soll eine Mahnwache am Laufenburger Gerichtsgebäude vorausgehen – neuerliche Polizeipräsenz inklusive.
Anmerkung: Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“. Dort erschien dieser Beitrag ursprünglich, den wir in leicht veränderter Form übernommen haben.